Lard Eidinger

Lard Eidinger (Bild: © Arno Declair)

Voller List und Tücken

Wegen dieser Inszenierung gab es bereits im Vorfeld viel Medienwirbel. Würde der Regisseur Thomas Ostermeier wieder einen Erfolgsdauerbrenner wie den Hamlet schaffen? Die Voraussetzungen sprachen dafür, zumal er sein männliches Zugpferd Eidinger im Gepäck hatte. Viele Zuschauer erwarteten wohl einen Turbo-Eidinger, der sich in ungebremster Raserei in die Kampfarena stürzt und die Inszenierung an sich reißt. Aber was sie schließlich sehen, ist ein gedämpft aufspielender Hauptdarsteller, der sich als listig und tückisch erweist und zuweilen mit dem Publikum zu kokettieren scheint. Obwohl er auch von der 1.Reihe aus nicht greifbar ist und sich auf Distanz hält, setzt er auf eine schweigende Kommunikation mit dem Publikum, als wolle er sagen: "Na, wie habe ich das eben gemacht?" Ohnehin hat man bei Richards Monologen den Eindruck, er würde selbst in der Zurückgezogenheit der Kammer mit einem unsichtbaren Publikum sprechen. Dieses verschlagene, hinterlistige und doch gefallsüchtige Gesicht gehört zu einem Menschen, der seine gesamte Schläue den dunklen Mächten der Unterwelt geweiht hat.

 

Eva Meckbach als Elizabeth

© Arno Declair

 

Die unheilvolle Geburt

Den Exaltationen und Konvulsionen des Anti-Helden sind sicherlich Grenzen gesetzt, denn Richard ist von Geburt an ein Krüppel: Eidinger trägt eine lederne Haube, hat einen aufgeschnallten Buckel und O-Beine, mit denen er sich nur hinkend fortbewegen kann. Diese übertriebenen Missbildungen sollen seine Wut aufs Leben forcieren und gelten als Motiv, sich an der Menschheit zu rächen. Shakespeare macht das, was in einem Drama normalerweise nicht so gut funktioniert: Richard plappert von Anfang alles aus, also auch das Hochmorden und die alles überwältigenden Herrschaftsgelüste. Dadurch wird die Spannung abgewürgt, aber trotzdem wartet der Zuschauer gespannt auf den nächsten Meisterstreich. Unglaublich, wie oft man über die Geburt Richards in Kenntnis gesetzt wird, von ihm selbst oder von den Gegenspielern, als handele es sich um eine mythische Gestalt, die von einem göttlichen Fluch belastet ist. Richards Tod hingegen kommt daher wie ein Epilog, als bare Selbstzerfleischung angelegt. Für eine kurze Zeit packt Eidinger doch noch den Turbo aus und ergeht sich in wildem Luftfechten. Der Schluss gerät sehr dramatisch, zumal Richards Identität zerbrochen ist. Jetzt redet er wie jemand, der von sich selbst abgefallen ist und sich vor einem oberen Schiedsgericht zu verantworten hat.

 

Lars Eidinger

© Arno Declair

 

Munteres Liquidieren

Trotz Eidingers Übergewicht kann man von einer Kollektivleistung sprechen. Thomas Bading spielt das, was er offensichtlich am besten kann und auch schon in Die kleinen Füchse gespielt hat: Eine Figur kurz vor dem Abnippeln, in diesem Fall König Edward IV. Was Nacktkultur oder ein nudistisches Angebot anbelangt, lässt sich auch Christoph Gawenda nicht lumpen. Seine Liquidierung als Clarence wird ausführlich dargestellt, während Ostermeier andere Hinrichtungen bequem beiseitelässt, z.B. Anne (Jenny König) und Herzog von Buckingham (Moritz Gottwald). Dennoch läuft die Eliminierungsmaschinerie auf Hochtouren und Richard möchte nun die Tochter Edward IV. heiraten, nachdem er ihr näheres Umfeld bereits gesäubert hat. Eva Meckbach als die Mutter Elizabeth begeht nicht den Fehler, eine übertriebene Tragödin zu spielen, sie kapriziert sich eher auf erträgliche Wutreden. Die meisten Figuren legen eine schmale Mimik hin und reduzieren ihre Gesichtsmuskeln, was immer noch besser ist, als eine künstliche Überhöhung auszustellen. Eine eindrucksvolle Szene hat noch Robert Beyer als Margaret, die von einer Empore aus Richard verflucht, und das mit einer fulminanten Turmfrisur, in der man ein Vogelnest platzieren könnte. Insgesamt lässt sich nicht ohne eine Spur von Widerwillen sagen (weil er so oft gelobt wird), dass Lars Eidinger diesmal eine exzellente Leistung bietet. Ein Ausbund des Bösen, der auch ein einschmeichelndes Auftreten besitzt und das Geschäft des Antichambrierens beherrscht. Und das Ensemble wird keineswegs von ihm weggedrückt.

Richard III.
von William Shakespeare
Neuübersetzung von Marius von Mayenburg
Regie: Thomas Ostermeier, Bühne: Jan Pappelbaum, Kostüme: Florence von Gerkan, Musik: Nils Ostendorf, Video: Sébastien Dupouey, Dramaturgie: Florian Borchmeyer, Licht: Erich Schneider.
Mit: Eva Meckbach Lars Eidinger, Robert Beyer Moritz Gottwald, Christoph Gawenda, Thomas Bading, Jenny König, Sebastian Schwarz, Laurenz Laufenberg, Schlagzeug: Thomas Witte.

Schaubühne Berlin

Premiere: 7. Februar 2015, Kritik vom 10. Februar 2015
Dauer: ca. 160 Minuten, keine Pause

 

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