Mark Waschke, Nina Kunzendorf ...

Mark Waschke, Nina Kunzendorf, Thomas Bading, Jenny König, Moritz Gottwald (Bild: © Gianmarco Bresadola)

Ein Eroberungsversuch nach dem anderen

Bush Moukarzel und Ben Kidd, die Regisseure von Dead Centre, haben eine Menge Personal ausgespart. Immerhin, der Minimalismus präsentiert sich als Fülle. Es passiert eine ganze Menge, dass beinahe eine Überflutung des Wahrnehmungsapparates einsetzt, etwa durch gediegene Ernsthaftigkeit, bloßem Unterhaltungswillen, Gespreiztheiten, Metaebenen und Infragestellungen über den "Nutzen" des Theaters. Bleiben wir aber erst einmal bei der Handlung: Ein Schiff wird angespült, in dem der König Alonso von Neapel, Prosperos Bruder Antonio (hier Antonia, gespielt von Nina Kunzendorf), Sohn Ferdinand und Gonzales hocken. Angespült werden sie durch die Zauberkraft Properos und seinem Luftgott-Diener Ariel, die über die angelockten feindlichen Gäste dank ihrer Macht frei verfügen können. Nun begibt es sich aber, dass sich Prosperos Tochter Miranda (Jenny König) ausgerechnet in Ferdinand (Mark Waschke) verliebt und umgekehrt. König trägt ein Kleid, das angesiedelt ist zwischen rustikalen und adligen Elementen, und Waschke wurde mit einem gepolstertem Lendenschutz ausgestattet, als bestehe die Gefahr, in diesem empfindlichen Bereich verletzt zu werden. Kraft der Unverletztlichkeit startet er vier Eroberungsversuche mit dem immergleichen Text, muss aber leider hören: Nach 32 Minuten, ist das nicht ein bisschen schnell? Dann findet eine halbe Vergewaltigung im Wasser statt. Angesichts aktueller Debatten über dieses Thema liefert das neues Futter. Beinahe en passant lässt Prospero das Theater sterben, um es dann wiederauferstehen zu lassen. Jeder Schritt der Schauspieler*innen wird übrigens auf der Navigationskarte vorgezeichnet, als sei die ganze Handlung vorprogrammiert, ja überwacht. Eine kontrollierte Determination also.

 

Jenny König, Mark Waschke

©Gianmarco Bresadola

 

 

Keine Ahnung von Frauen und deren Innenleben

Shakespeare, der scheinbar Moribunde, stirbt endgültig, auf der Bühne jedenfalls. In einem Sarg liegt er, als Skelett mit Fleischresten, und das Wasser ist längst abgesaugt. Die Schauspieler*innen versammeln sich um das dürftige Grab, trennen das halb verweste Fleisch vom knöchernen Anteil und essen gierig davon. Shakespeare ist tot, also laben wir uns mit Ekel an ihm. Shakespeare ist vor allem deshalb tot, weil er nichts von Frauen verstand, so Jenny König. Überhaupt Shakespeare und sein Theater, was sagt das uns heute noch? Wer braucht denn noch ein solches Theater, wenn sich in der Außenwelt täglich militärische und andere Katastrophen ereignen? Da das Theater die nackten Realitäten nicht richtig darstellen kann, sollte es gemäß Waschke schweigen. Kurz: Die Inszenierung ist eine Absage ans politische Theater. Die Macht des Theaters ist im Politischen eine Ohnmacht. Die Macht der Bühne liegt woanders, man kann Gesellschaftskritik ausüben, den Geist anregen und Herzen erobern. In dieser Inszenierung haben wir eine Fülle an gewolltem Humor, stets mit graziösen Sticheleien gesättigt. Am Ende stecken die Schauspieler*innen nach und nach ihre Köpfe in den Sand – sie sehen nichts mehr wie Vogel Strauß, werden aber gesehen -, bis sie allesamt verschwinden. Shakespeare ist tot, es lebe Shakespeare!

 

Shakespeare's Last Play
von Dead Centre

nach "Der Sturm" von William Shakespeare
Aus dem Englischen von Gerhild Steinbuch
Regie: Bush Moukarzel, Ben Kidd, Bühne: Chloe Lamford, Kostüme: Nina Wetzel, Video: José Miguel Jiménez González, Sounddesign: Kevin Gleeson, Dramaturgie: Nils Haarmann, Licht: Norman Plathe.
Mit: Mark Waschke, Nina Kunzendorf,Thomas Bading, Jenny König, Moritz Gottwald.

Stimme: Bush Moukarzel.

Schaubühne Berlin, Premiere vom 24. April 2018.
Dauer: 100 Minuten, keine Pause

 

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