Schaubühne Berlin: Kritik von "Stück Plastik" – Marius von Mayenburg
Uraufführung. Mayenburg liefert in seinem neuen Drama eine Groteske, die zwischen Küche und Kunst angesiedelt ist. Der Regisseur findet nahezu hemmungslosen Geschmack an Überdrehtheiten.Robert Beyer, Jenny König, Sebastian Schwarz, Marie Burchard (Bild: © Arno Declair)
Vollgepumpt mit Östrogen
Im Mittelpunkt der Bühne ist eine weiße Einbauküche, die an das Interieur eines Aufenthaltsraums von Krankenschwestern erinnert. Klinische Kühle, aseptisch und steril. Eine derartige Ungemütlichkeit wird konterkariert durch einen vorgebauten Gesellschaftsraum, der aus zwei dürftigen Sesseln besteht und unterschiedlich ausgeleuchtet wird. Als die Putzfrau Jessica ( Jenny König) ihrer Chefin Ulrike (Marie Burchhard) die Fingernägel manikürt, wird die Szenerie in ein Rotlicht getaucht, das an fragwürdige Etablissements gemahnt. Ulrike erweckt ohnehin den Eindruck, als sei sie vollgepumpt mit Östrogen, zumal sie gerne über Sex palavert, der für sie eine Art Lebenselixier ist. In ihre zumeist plumpen Ausführungen mischen sich zuweilen lyrische Töne, die überhaupt nicht passen. Offensichtlich hat sich von Mayenburg um die Stringenz seiner Figuren nicht gekümmert, es gibt zuweilen kolossale Brüche, die das Personal unglaubwürdig machen. Auch dem als Inkarnation des Kapers dargestellten Michael (Robert Beyer) gelingen zum Teil schön gedrechselte, scharfsinnige Formulierungen, die leider manchmal im wiehernden Gelächter das amüsieranfälligen Publikums untergehen. Weil alles so überdreht ist, gerät das Subtile in den Hintergrund. Letztlich steht von Mayenburg seine Verschmocktheit im Weg: Er verrät den Tiefsinn an den nächstbesten Gag oder – als originär empfundenen - Einfall.
Jenny König, Sebastian Schwarz. Hintergrund: Robert Beyer, Marie Burchard
© Arno Declair
Die Putzfrau als Kunstmuse
Bis auf Jessica und Sohn Vincent (Laurenz Laufenberg) werden allen Figuren intellektuell angehauchte Ausflüge gestattet, schließlich bewegt man sich nicht auf Boulevard-Niveau. Dafür sorgen auch Küchenschlachten mit Spagetti als Wurfmittel, herumfliegende Gegenstände und vollgeschmierte Hängeschränke als Kunstperformance. Eine feierliche Inthronisierung der Alltagskunst, vorgebracht von einem selbsternannten Pionier und Kunstmessias, der sich im Grunde dem Eklektizismus verschreibt. Sebastian Schwarz als Serge verändert sein Aussehen durch wechselnde Bärte, sein exklusives Sendungsbewusstsein, von zahlreichen Zynismen getragen, verändert er nicht. Er möchte sogar Jessica in seine Kunst einbeziehen, erklärt sie zu seiner Muse, die in Wahrheit seine bizarren Inspirationsquellen um ein Stück Schlichtheit erweitern würde. Schade nur, dass Robert Beyers Michael zu einem Hampelmann degradiert wird, obwohl er als Chirurg eine hohe Verantwortung trägt. Genau das Gegenteil wirft im Ulrike vor, sie bombardiert ihn förmlich mit Vorwürfen der Verantwortungslosigkeit.
Übertriebenes Zickentum
Immerhin eignet sich Robert Beyer hervorragend als übergrell ausgestellte Karikatur, eine Spielart, die er am besten beherrscht - deshalb hat er beispielsweise den Wurm in Falk Richters Kabale und Liebe besonderes wurmig, will sagen: dienstbeflissen dargestellt. Ulrike hingegen ist eine ausgemachte Zicke, die fast repräsentativ für eine übertriebenes Zickentum steht, das man auf der Bühne mit angewiderter Bewunderung verfolgt, aber privat rigoros ablehnt. Was die Musik anbelangt, scheint der verschmockte, sich optisch nie verändernde Regisseur ein von Verklärung angerührter Romantiker zu sein, der sich in den Gefilden der roaring 80s aufhält. Offensichtlich lässt er Jenny König seine private Hitliste der 80er-Jahre aufsingen, etwa Sweet Dreams von Eurythmics (1983) oder Final Countdown von Europe (1986). Jenny König ist es, die alle Lieder während der Küchenarbeiten singt, scheinbar en passant, fast stoisch. Ihre Gemütsruhe ist es auch, die der Inszenierung trotz all des Getöses und Gedröhnes etwas Festigkeit verleiht. Ein kleiner unaufdringlicher Höhepunkt, der die schrillen Effekte bremst in einer Aufführung, die doch eine eher mediokre Angelegenheit ist.
Stück Plastik
von Marius von Mayenburg
Regie: Marius von Mayenburg, Bühne und Kostüme: Nina Wetzel, Musik: Matthias Grübel, Video: Sébastien Dupouey, Dramaturgie: Maja Zade, Licht: Erich Schneider.
Mit: Marie Burchard, Jenny König, Laurenz Laufenberg, Sebastian Schwarz, Robert Beyer.
Uraufführung vom 25. April 2015
Dauer: 2 Stunden, keine Pause
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)