Jenny König

Jenny König (Bild: © Stephen Cummiskey)

Verschiedene Zeitzonen

Laurenz Laufenberg, Jenny König

© Gianmarco Bresadola

 

Diesmal noch mehr Kamera-Arbeit – Katie Mitchell in Reinkultur. Sie hält den Zuschauer auf Distanz und verhindert dadurch eine überschäumende Empathie. Die Frage ist nur, auf was man sich während der Aufführung konzentrieren soll. Unten rangieren Eisenbahnwaggons, die mal aneinandergekoppelt werden, mal den Blick auf die Innenräume freigeben, wo eifrig gefilmt wird. Darüber läuft das Aufgenommene zeitgleich als Video ab. Wir befinden uns in verschiedenen Zeitzonen: Rechts ist das Arbeitszimmer von Fritz und Clara Haber (Felix Römer und Ruth Marie Kröger), in der Mitte die Außenansicht des Hauses mit Wasserbecken und links ein Lazarett und ein Chicagoer Forschungsinstitut Ende der 40er Jahre. Ist es nun interessanter, die authentischen Dreharbeiten zu betrachten oder das Video, das übrigens bei älteren Aufnahmen auf alt getrimmt ist? Die Wahrnehmung ist mitnichten überladen, denn längst sind wir es durch die Schnelligkeit der Technik gewohnt, perzeptive Energien freizusetzen und mehrere Eindrücke und Impulse gleichzeitig zu registrieren oder gar einzusaugen.

 

Frauen als Verlierer der Geschichte

Erfreulicherweise hält bei Mitchell, die den Text von Duncan MacMillan bearbeitet hat, auch die Poesie Einzug: Frauenrechtlerinnen wie Virginia Woolf, Simone de Beauvoir und Hannah Arendt kommen zu Wort, sie liefern sprachlich differenzierte Formulierungen für die Abscheulichkeiten des Krieges. Die Frauen erscheinen als die Verlierer der Geschichte, sie haben keinen Zugang zu den Banken, keinen Einfluss auf die Kriegsbeschlüsse, auf die großen Entscheidungen von unabsehbarer Tragweite. Ausgerechnet Clara und ihre Enkelin Claire (Jenny König) wählen als letzten Ausweg und aus Protest den Freitod. Der Eindruck entsteht, als käme alles Übel von den Männern. Aber sie sind auch in dieses System involviert und werden zum Töten ausgebildet, obwohl ihnen ein Rückzug in die Wonnen des Privatlebens manchmal wesentlich lieber wäre. Männer werden teilweise nur als Werkzeuge für eine höhere Sache benutzt – Katie Mitchell hat diesen Gedanken nicht einmal reflektiert.

 

Freitod aus Protest und Verzweiflung

Laurenz Laufenberg, Felix Römer

© Gianmarco Bresadola

 

Nach dem Krieg fällt Claire vor einem amerikanischen Soldaten ein Eisernes Kreuz ihres Großvaters auf den Boden. Völlig unverständlich, warum Claire dieses Relikt, diese Devotionalie ihres Großvaters mit sich herumträgt, arbeitet sie doch in einem Chicagoer Forschungsinstitut an einem Gegenmittel gegen das Giftgas – und doch scheint sie von ihrem Opa Fritz nicht loszukommen. Ein Widerspruch, zumal das Projekt von ihrem Vorgesetzten bald beendet wird. Sie gerät in Verzweiflung, und ihre wissenschaftliche Kollegin ahnt, was nun kommen wird. Cathlen Gawlich, die bislang nur Nebenrollen erhielt und kaum auffiel, erhält als Wissenschaftlerin endlich einmal die Möglichkeit, mehr ins Rampenlicht zu rücken. Und Felix Römer, der gerne Karikatur-Rollen übernimmt, spielt für seine Verhältnisse äußerst seriös, kühl kalkulierend, ja mit beamtenhafter Präzision. Der Schlusspunkt wird durch den Doppelfreitod gesetzt, dazwischen liegen über 30 Jahre, aber Mitchell kapriziert sich auf die Simultaneität der Ereignisse. Die Tatsache, dass die beide Frauen sich schicksalsergeben und ohne Hoffnung aus dem Staub machen, wird lang gedehnt und dramatisch überhöht. Katie Mitchell mit ihrer Akribie, ja Detailversessenheit bringt sogar authentische Geräusche wie Zuggeratter und Vogelgezwitscher auf die Bühne. Leider kommt wegen der kühlen Distanz keine Identifikation mit dem Personal zustande, das Lebendige des Theaterspiels fehlt. Die filmische Inszenierung ist recht ansprechend, aber man wird das Gefühl nicht los, dass etwas fehlt.

The Forbidden Zone
von Duncan MacMillan
Regie: Katie Mitchell, Bildregie: Leo Warner, Bühne: Lizzie Clachan, Kostüme: Sussie Juhlin- Wallen, Video: Finn Ross, Sounddesign: Gareth Fry, Melanie Wilson, Licht: Jack Knowles, Dramaturgie: Nils Haarmann, David Tushingham, Kamera: Sebastian Pircher, Andreas Hartmann, Stefan Kessissoglou, Übersetzung: Vera Neuroth.

Mit: Cathlen Gawlich, Ruth Marie Kröger, Jenny König, Felix Römer, Laurenz Laufenberg, Andreas Schröders, Sebastian Pircher.

Schaubühne Berlin

Premiere am 28. August 2014
Dauer: 1 Stunde 20 Minuten, keine Pause

 

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