Peter Moltzen,Urich Hoppe, Ingo ...

Peter Moltzen,Urich Hoppe, Ingo Hülsmann, Lise Risom Olsen, Laurenz Laufenberg (Bild: © Katrin Ribbe)

Gefühlskalte Kriegsmechanismen

Der Minimalist Thalheimer verzichtet wie immer auf Fülle, aufs Opulente und Ausgreifende. Relativ spektakulär hingegen ist die Introduktion: Dräuende dichte Nebelfelder, die an eine aktuelle kanadische Brandkatastrophe erinnern, dazu dramatische Töne und ein halbierter aufgehängter Pferdekadaver und Figuren, die sich an ihn klammern. Beim herabbaumelnden Tier scheint es sich mittlerweile um eine Art von bizarrer Haus-Ästhetik zu handeln: In Ostermeiers Maß für Maß war es noch ein schlichtes Schwein, und es ist zu vermuten, dass der Intendant zur Dekoration das nächste Mal einen Bullen oder gestutzten Kleinelefanten auffahren lässt. Bühnenboden und Rückwand bestehen aus Gitterstäben, die schmucke Karos bilden und vielleicht klaustrophobisch Veranlagte an einen Knast erinnern könnten. Ganz abwegig ist der Gedanke nicht, denn die Schauspierler*innen stehen mit dem Rücken zum Publikum und greifen an die Stäbe wie Affen im Käfig. Der von Ingo Hülsmann gespielte Wallenstein klebt an seinem Stuhl wie jemand, der am Laufen gehindert ist. Sympathie und Empathie lässt Thalheimer erst gar nicht aufkommen, seine Hauptfigur spielt despotisch und eindimensional und monokausal. Weichere Klänge schlägt er nur bei Max Piccolomini (Laurrenz Laufenberg) an, aber aus rein strategischen Gründen. Wallenstein, spät von einer akuten Gemütsaufwallung angerührt, möchte Max für seine Sache gewinnen und auch die intendierte Hochzeit mit seiner willfährigen Tochter Thekla (Alina Stiegler) forcieren.

 

Ingo Hülsmann, Urs Jucker

© Katrin Ribbe

 

Typen statt Individualisten

Marie Burchard als Herzogin von Friedland hat nicht allzu viel zu sagen und legt eine Gattin hin, die in Hinblick auf ihren fürstlichen Gemahl den Gipfel der Entfremdung erreicht hat. Sinnlich wird's in dieser Inszenierung an keiner Stelle, da Thalheimer knutschende und umhalsende Elemente in seiner Ästhetik nicht vorgesehen hat. Graf und Gräfin Terzky (Felix Römer und Regine Zimmermann), beide Verbündete Wallensteins, spielen zwar ein Paar, aber davon merkt man nicht viel. Römer tritt mit seinen abstehenden Haaren als exaltierter Adelspunk auf und die notorisch ihr Outfit wechselnde Zimmermann redet, als sei sie die eigentliche Gattin von Wallenstein. Der Glanzpunkt des Abends: Peter Moltzen als Octavio Piccolomini. Seine pathetisch-getragene Stimme mit militärischem Unterton macht angesichts sonstiger Verlautbarungen einfach nur Spaß. Von den Schlachten sieht man freilich nichts: Es ist ein Schwertgeklirr und Wogenprall zu Kopfe, der Donnerhall ist hörbar. Im Grunde kann man dem Regisseur einen Hang zum Formalismus vorwerfen. Bei der DDR-Kulturadministration wäre das ein Todesurteil gewesen, zum Glück darf er in der BRD inszenieren. Seine Figuren sind Typen oder Repräsentanten, keine ausgereiften Individualisten. Abenteuerlicherweise legt Thalheimer auf den Sternegucker und Astrologen Baptista Seni (Lise Risom Olsen) einiges Gewicht. Gib dem Opportunismus eine Chance: Nach dem Tod Wallensteins (Urs Jucker als konspirativer Butttler erwürgt ihn beinahe fachmännisch) wechselt Seni einfach die Farben und hört von nun an auf den scheinbar heroischen Nachfolger. Dass der gänzlich unmetapyhsische, knochenharte Wallenstein, 1978 von Rolf Boysen filmisch hervorragend dargestellt, als Versöhner den unsäglichen Religionskrieg abkürzen wollte, darauf kommt der interpretationsmüde Thalheimer erst gar nicht, zu stark ist seine Literaturbefangenheit. Zu bewundern sind immerhin die der Weltliteratur verpflichteten Sprechleistungen und seine donnernde Bildkunst. Es ist wenigstens etwas dabei herausgesprungen.

Wallenstein
von Friedrich Schiller
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Nehle Balkhausen, Musik: Bert Wrede, Licht: Norman Plathe, Dramaturgie: Bernd Stegemann.
Mit: Urs Jucker, Alina Stiegler, Felix Römer, Marie Burchard, Ingo Hülsmann, David Ruland, Peter Moltzen, Laurenz Laufenberg, Regine Zimmermann, Lise Risom Olsen, Andreas Schröders, Ulrich Hoppe.

Schaubühne Berlin

Premiere vom 5. Mai 2016
Dauer: 3 Stunden, keine Pause


 

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