Robert Beyer, Sebastian Schwarz

Robert Beyer, Sebastian Schwarz (Bild: © Gianmarco Bresadola)

Profis und Berlin-Profis

Wer an das alte Westberlin denkt, landet irgendwann bei der Currywurst. Das nicht gerade relevante Thema hätte man weiter hinten einflechten können, doch Grebe hält es für geboten, damit kraftvoll einzusteigen. Wir sehen eine Gaststätte mit großer Bar und auf dem Boden liegenden Tischen und Stühlen, als habe es zuvor eine Schlägerei gegeben. Michael Eckert aus der "Chorgruppe" berichtet in leicht schnoddrigem Heimatdialekt von dieser angeblich ultimativen Delikatesse, von ihrem Aufstieg und ihren Verfallserscheinungen, die vor allem als halbwertige, schnelle Touristenverfütterungen in Erscheinung traten. Es sind insgesamt sieben professionelle Schauspielerinnen und Schauspieler, die mit sieben Altwestberliner Laiendarstellern zusammenarbeiten. Herausgekommen ist tatsächlich ein Zusammenspiel, wobei den Bühnenerfahrenen das forcierte Gebärdenspiel überlassen wird. Schnell ist das Mobiliar wiederaufgerichtet, schließlich müssen die Akteure auch sitzen. Wer die Rekapitulierung des alten Westberlin anvisiert, kommt wohl kaum an der Politik vorbei. Die Zeit der Besatzungszone und der Luftbrücke, aber auch Kennedys 1963 vor dem Rathaus Schöneberg gehaltene Rede ("Ich bin ein Berliner") und Ronald Reagans berühmter Ausspruch: "Mister Gorbatschow, tear down this wall!" Für die Rollen von hochgestellten Anzugträgern ist hauptsächlich David Ruland zuständig, der gelegentlich auf einer Empore zu sehen ist und ein unbewegtes Machergesicht aufsetzt. Dazwischen die angegreiste Evelyn Gundlach, die von den Rosinenbombern, genauer: von ihren Mitbringseln schwärmt.

 

David Bowie neben Rolf Eden

Es wird auch eine Geschichte erzählt, eine Geschichte von Jubelpersern, schlagkräftigen Polizisten und einem Studenten. Benno Ohnesorg heißt er, und die in Wallung geratende Tilla Kratochwil erzählt davon. Die Zuschauer hören aber noch mehr, etwa von Langhans (wo ist Teufel?), der Kommune K1 – hierbei lehnen sich die Schauspieler retrogetreu an eine historisch vorgestellte Wand – und anderen revolutionsgierigen Öffentlichkeitserregern. Die gesamte linke Szene wird angeritzt, geistreich oder weniger geistreich verulkt oder in Vorschlaghammer-Manier abgehakt. Sogar die weltanschaulich verbrämte Kommunardenherrlichkeit erweist sich als eine Egomaschine, die jederzeit ideologisch abgesichert war. Hier fällt eher auf, was ausgelassen wird – wo ist beispielsweise die prägende Politrock-Band Ton, Steine, Scherben? Immerhin, die markantesten Meilensteine sind gesetzt, auch im subversiv angehauchten, längst etablierten Entertainment. Gesungen werden David Bowies Heroes und Iggy Pops Passenger, geradezu niedlich nostalgietriefend in Deutsch, und als Anhängsel das wunderschöne, etwas in Vergessenheit geratene Berlin von Fischer Z. Und dann natürlich die internationalen Unterhaltungsstars, erstmals auftretend bei der ersten Berlinale 1951. Frank Sinatras berlinaffines New York und Rolf Eden, damals populärer, lebemännischer Playboy und heute 85-jähriger Lustgreis. Eine Show, die niemals endete – bis zum Mauerfall. Versuchte Großpolitik neben Christiane F, dazu ein überengagierter, schwitzender Sebastian Schwarz. Dass Rainald Grebe gegen Ende in Gestalt von Wolfgang Neuss verkündet, dass kein Joint mehr ausgehen wird, war klar. Das übertriebene Komödiantentum verdrängt den immer noch glühenden Schimmer der Vergangenheit. Der Schaubühnen-Regisseur Patrick Wengenroth, ebenfalls ein humorvoller Mensch, hat gegenüber Grebe einen kleinen Vorteil: Wengenroth ist etwas lustiger.

Westberlin

Von und mit Rainald Grebe

Regie: Rainald Grebe, Bühne: Jürgen Lier, Kostüme: Kristina Böcher, Dramaturgie: Maja Zade.

Mit: Robert Beyer, Marie Burchhard, Rainald Grebe, Tilla Kratochwil, David Ruland, Sebastian Schwarz, Jens-Karsten Stoll.

Chor: Petra Fleur-Daase, Michael Eckert, Michael Gress, Evelyn Gundlach, Sylvia Moss, Monika Reineck, Yvonne Vita.

Schaubühne Berlin

Premiere vom 2. Oktober 2015

Dauer: 2 Stunden, 15 Minuten, keine Pause


 

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