Merkmale für Selbstständigkeit

Der Erfolg selbstständiger Tätigkeiten ist ungewiss und hängt vom persönlichen und finanziellen Einsatz des Selbstständigen ab. Wichtig sind außerdem die vertraglichen Regelungen, die mit Geschäftspartnern getroffen werden. Da die Realität nicht immer mit den vertraglichen Vereinbarungen übereinstimmt, kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Arbeitsalltag an. Häufig tritt Scheinselbstständigkeit auch dort auf, wo Freiberufler eingesetzt werden, deren Erfolg von dritter Stelle abhängig ist.

Folgende Merkmale können auf eine tatsächliche Selbständigkeit hinweisen:

  • Grad der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
  • Unternehmerisches Risiko
  • Wahrnehmung unternehmerischer Chancen
  • Erbringung von Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung
  • Eigenständige Entscheidungen über Einkaufs- und Verkaufskonditionen, personelle Fragen, Kapitaleinsatz, Kundenakquisition und Werbemaßnahmen

Mögliche Indizien für Scheinselbstständigkeit

Zunächst muss geklärt werden, inwieweit ein Selbstständiger von einem Arbeitgeber abhängig ist. Auch wenn immer die Gesamtsituation zu betrachten ist, können folgende Merkmale als Indizien für eine Scheinselbstständigkeit gewertet werden:

  • Kein Firmenschild oder keine eigenen Geschäftsräume.
  • Kein eigenes Briefpapier und keine Visitenkarten
  • Auftreten in der Arbeitskleidung des Auftraggebers
  • Arbeitsausführung an vom Auftraggeber bestimmten Orten
  • Weisungsgebundene Tätigkeit
  • Verpflichtung bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten
  • Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers
  • Pflicht zum Erfassen von Arbeitszeiten und zum regelmäßigen Ausfüllen detaillierter Arbeitsberichte
  • Nutzung vorgeschriebener Software und Hardware
  • Keine regelmäßigen Beschäftigten
  • Über 80 Prozent des Jahresumsatzes entfallen auf einen Auftraggeber (5/6-Regelung)
  • Selbstständige erledigen die gleichen Aufgaben wie Festangestellte oder waren zuvor in gleicher Position als Arbeitnehmer tätig
  • Kein unternehmerisches Handeln

Anhand dieser Liste lässt sich zwar nicht eindeutig sagen, ob tatsächlich eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, allerdings ist dies umso wahrscheinlicher je mehr Punkte zutreffen. Grundsätzlich ist von einer Scheinselbstständigkeit auszugehen, sobald eine Abhängigkeit vom Auftraggeber besteht und dieser die Arbeit des Selbstständigen sowohl steuern als auch kontrollieren kann. Dieser Prozess kann sich schleichend vollziehen, bis der Selbstständige eines Tages merkt, dass er eher ein Arbeitsverhältnis in Vollzeit ausübt und für andere Auftraggeber keine Zeit mehr hat.

Eintreten der Sozialversicherungspflicht bei Scheinselbstständigkeit

Vor allem für Auftraggeber kann eine Scheinselbstständigkeit mit hohen Kosten verbunden sein. Sie müssen bei Feststellung einer Scheinselbstständigkeit die Arbeitgeberbeiträge, sowie die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bis zu vier Jahre rückwirkend nachzahlen. Insbesondere bei kleinen und mittleren Betrieben kann dies im Extremfall zu einer Insolvenz führen. Die Sozialversicherungspflicht tritt dabei nicht erst mit Feststellung der Scheinselbstständigkeit ein, sondern bereits mit Aufnahme der Tätigkeit. Für Selbstständige und deren Auftraggeber ist es daher wichtig, innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf Statusfeststellung zu stellen. Wird diese Frist eingehalten, beginnt die Versicherungspflicht erst mit der Entscheidung über eine mögliche Scheinselbstständigkeit.

Scheinselbstständigkeit im Arbeitsrecht und Steuerrecht

Auch die Finanzämter können prüfen, ob ein Unternehmer tatsächlich selbstständig ist oder ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Dazu führen sie regelmäßige Betriebsprüfungen durch und sind nicht an die Beurteilung der Sozialversicherungsträger gebunden. Im Extremfall kann ein Unternehmer also sozialversicherungsrechtlich selbstständig sein, arbeits- und steuerrechtlich jedoch als Scheinselbstständig eingestuft werden. Dies hat zur Folge, dass Arbeitnehmer und Auftraggeber für die Nachzahlungen gesamtschuldnerisch haften. Darüber hinaus kann der Auftraggeber verpflichtet werden, die unrechtmäßig abgezogene Vorsteuer zurückzuzahlen. Der Scheinselbstständige kann dann möglicherweise auch die auf seinen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer schulden.

Scheinselbstständige haben das Recht vor Gericht den Arbeitnehmerstatus einzuklagen, um die gleichen Rechte und Pflichten wie abhängig Beschäftigte zu erhalten. Außerdem müssen sie ihr Gewerbe abmelden, wodurch auch die gesetzliche Mitgliedschaft in der IHK endet.

Indizien für eine arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit

Wird die Selbstständigkeit sowohl von den Sozialversicherungsträgern als auch von den Finanzämtern bestätigt, muss anschließend geklärt werden, ob eine arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit vorliegt. Indizien hierfür können sein:

  • Keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer (das monatliche Einkommen aller Arbeitnehmer muss für mindestens 10 Monate im Jahr 450 Euro übersteigen, wobei auch Auszubildende als Arbeitnehmer gelten)
  • Dauerhafte Tätigkeit für nur einen einzigen Auftraggeber (wenn mehr als 80 % beziehungsweise 5/6 des Jahresumsatzes auf einen einzigen Auftraggeber entfallen oder eine vertraglich vereinbarte Ausschließlichkeitsvereinbarung vorliegt. Projektbezogene Tätigkeiten werden nicht als dauerhaft angesehen, sofern die Begrenzung innerhalb eines Jahres liegt.)

Arbeitnehmerähnliche Selbstständige müssen sich innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Deutschen Rentenversicherung melden und ihre Beiträge zur Rentenversicherung in voller Höhe selbst zahlen.

Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbstständige

Arbeitnehmerähnliche Selbstständige können sich in folgenden Fällen auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen:

  • Innerhalb von drei Jahren nach Existenzgründung (auch bei mehrmaliger Selbstständigkeit innerhalb dieses Zeitraums). Wird die Befreiung zur Rentenversicherungspflicht innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit beantragt, gilt die Befreiung mit Aufnahme der Tätigkeit. Wird der Antrag später gestellt, gilt die Befreiung erst ab Eingang des Antrags. Zuvor aufgelaufene Rentenversicherungsbeiträge müssen also nachgezahlt werden.
  • Wenn der Antragsteller bereits selbstständig war und das 58. Lebensjahr vollendet hat
  • Wenn der Antragsteller bereits vor dem 31.12.1998 selbstständig war und vor dem 02.01.1949 geboren ist
  • War der Antragsteller bereits vor dem 31.12.1998 selbstständig und ist nach dem 02.01.1949 geboren, wenn er über entsprechendes Vermögen verfügt oder vor dem 10.12.1998 eine private Lebensversicherung oder eine private Rentenversicherung abgeschlossen hat (hierbei müssen die Beiträge mindestens so hoch sein wie die Beiträge, die zur Rentenversicherung zu zahlen wären. Außerdem müssen darin Leistungen bei Invalidität und Erreichen des 60. Lebensjahres, sowie Leistungen an die Hinterbliebenen im Todesfall vereinbart worden sein).

Sonderregelungen für geschäftsführende Gesellschafter und Handelsvertreter

Eine Scheinselbstständigkeit und arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit kann auch bei geschäftsführenden Gesellschaftern einer juristischen Person und Handelsvertretern vorliegen.

Bei geschäftsführenden Gesellschaftern kommt es vor allem darauf an, ob die Gesellschaft nur einen einzigen Auftraggeber hat und ob sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Bei Handelsvertretern wird zunächst geprüft, ob sie ihre Arbeitszeit und ihre Tätigkeit frei einteilen können. Indizien für Scheinselbstständigkeit können etwa Umsatzvorgaben und Kontrollen des Auftraggebers, Pflichttermine, Tourenpläne, Urlaubspläne und das Verbot zur Einstellung von Mitarbeitern sein.

Auch hier können gegebenenfalls die Möglichkeiten zur Befreiung der Rentenversicherungspflicht geprüft werden.

Probleme beim Nachweis der Scheinselbstständigkeit

Selbst wenn die Sozialversicherungsträger und die Finanzämter eine Scheinselbstständigkeit feststellen, gestaltet es sich für die Auftragnehmer häufig schwierig, den Status eines Arbeitnehmers zu erhalten. Da den Auftragnehmern durch die Feststellung einer Scheinselbstständigkeit höhere Kosten und weitergehende Verpflichtungen entstehen, stellen sie nur selten die notwendigen Arbeitsverträge aus, die eine Scheinselbstständigkeit belegen würden. Vielmehr verweisen sie mit Erfolg auf Rahmenverträge über freie Mitarbeit. Dadurch misslingt es häufig den Arbeitnehmerstatus zu beweisen. Wer den Schritt in die Selbstständigkeit wagt tut deshalb gut daran entsprechend vorzusorgen. Neben einer Rechtsschutzversicherung sollte zum Beispiel auch eine Privatrechtsschutzpolice abgeschlossen werden, da der Selbstständige sonst auf den Kosten sitzen bleibt. Außerdem werden den Klägern bei Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht in der ersten Instanz keinerlei Kosten erstattet, selbst wenn sie den Prozess gewinnen.

Autor seit 10 Jahren
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