Schloss Sachsenburg: Idylle im Dornröschenschlaf?

Zum Bergplateau hinauf führen nur wenige, schmale Straßen. Am Rande einer kleinen Wohnsiedlung befindet sich hier das eigentliche Schlossgelände. Es ist vom Tal aus jedoch auch über einen langen Treppenaufstieg erreichbar. Die aus Betonplatten bestehenden Stufen lassen stellenweise allerdings wenig Vertrauen aufkommen. Das Schloss selbst, dessen Grundriss an ein abgerundetes Dreieck erinnert, erzeugt aus Verfall, Abgeschiedenheit und Beschaulichkeit eine seltsame Stimmung. Man könnte meinen, hier wartet lediglich einmal mehr eine idyllische Schlossanlage auf ihre Erlösung aus dem Dornröschenschlaf. Doch ganz so unschuldig reizvoll ist es um die Schlossgeschichte keineswegs bestellt.

Schloss Sachsenburg im Spiegel der Jahrhunderte

Schloss Sachsenburg wurde vermutlich in den 1220er Jahren erbaut. Die Gründung der Ortschaft erfolgte aber offenbar schon einige Jahrzehnte zuvor. Im 13. und 14. Jahrhundert diente die Burg zur Absicherung nahe gelegener Bergbauflächen. Das heutige Schloss hingegen ist ein spätgotischer Umbau aus dem 15. Jahrhundert. Ein Teil der Gebäude brannte allerdings im Dreißigjährigen Krieg komplett ab. Zu dieser Zeit fungierte die Sachsenburg bereits als Verwaltungssitz der kursächsischen Landesherren, welche das Anwesen 1610 erworben hatten.

Im 19. Jahrhundert verloren viele Burgen und Schlösser nach und nach ihre Zweck als Wohnsitz, Verteidigungsanlage oder Verwaltungsgebäude. Auch Schloss Sachsenburg ereilte in den 1860er Jahren ein solches Schicksal. Wie bei anderen Bauwerken dieser Art setzte nunmehr eine Epoche düsterer Nutzungskonzepte ein, die stets auf das Wegsperren von Menschen ausgerichtet waren.

Zunächst wurden hier junge Frauen inhaftiert, einige Jahre später jedoch ausschließlich männlichen Insassen. Das Anwesen galt nun als "Korrektionsanstalt", damals ein beschönigender Begriff für vielerlei Einrichtungen, angefangen von Resozialisierungsprojekten bis hin zu Gefängnissen inklusive Prügelstrafe. Letzteres traf offenbar auf Schloss Sachsenburg zu. Während des Ersten Weltkrieges soll es zudem als Kriegsgefangenenlager gedient haben. 1926 schienen für die Schlossanlage noch einmal bessere Zeiten anzubrechen, als das Land Sachsen hier ein Schulheim einrichtete. Doch diese Phase war nur von kurzer Dauer. Danach zeigten auf Schloss Sachsenburg zwei deutsche Diktaturen ihr hässliches Gesicht:

Schloss Sachsenburg im Dritten Reich

Wenige Wochen nach Hitlers Machtergreifung, am 2. Mai 1933, trafen in Sachsenburg die ersten Gefangenenkommandos ein. Es waren Arbeitstrupps, die ein Schutzhaftlager errichten sollten. Das Schlossgelände selbst diente dazu allerdings nur übergangsweise für ungefähr einen Monat. Das eigentliche Lagerareal entstand auf einem Industriegelände unterhalb des Burgbergs.

Es war eines der ersten Konzentrationslager im Hitlerreich und bestand bis 1937. Zu den bekanntesten Insassen gehörten der kommunistische Schriftsteller Bruno Apitz ("Nackt unter Wölfen" ) sowie der Verleger und Publizist Walter Janka.

Das Burggelände selbst wurde anschließend wieder als Schulungsgelände genutzt, beispielsweise für BDM-Mitglieder. Das in Sichtweite befindliche Konzentrationslager blieb dabei sicherlich nicht unbemerkt. Eines der BDM-Mädchen soll sogar von einem Häftling vor dem Ertrinken in der Zschopau gerettet worden sein. Gegen Ende der Nazidiktatur beherbergte das Schloss schließlich noch ein Forschungsinstitut der Wehrmacht.

Schloss Sachsenburg während der linken Diktatur

Schloss Sachsenburg diente in den ersten Nachkriegsjahren (wie viele Burgen und Schlösser) zunächst zur Unterbringung von Umsiedlern und Heimatlosen. Doch bald zog in das alte Gemäuer wiederum der Schrecken ein, als hier ein Jugendwerkhof entstand. Diese Einrichtung, benannt nach dem linken Politiker Ernst Schneller, gehörte zu einem schändlichen System, welches das wahre Wesen der DDR entlarvte. Während im ehemaligen Konzentrationslager eine Gedenkstätte für die Leiden der Opfer entstand, fand auf dem darüber befindlichen Burgberg erneut ein repressiver Umgang mit Menschen statt.

Sozialistische Betriebe profitierten von den zur Zwangsarbeit verpflichteten Minderjährigen. Deren Waisenrenten oder Kindergeld behielt die links regierte DDR hingegen ein. Die eher spärliche Quellenlage deutet an, dass Wassersuppe und madiges Fleisch für die Minderjährigen wohl wesentliche Nahrungsbestandteile dargestellt haben sollen. Der Jugendwerkhof Sachsenburg wurde nach 20jähriger Repression im Juni 1967 geschlossen, vermutlich wegen baulicher Mängel. Die weitere Verwendung des Schlossareals entsprach zwar auch nicht sonderlich dem Denkmalschutz, hatte aber zumindest einen friedlicheren Sinn, denn es wurde für verschiedene Zwecke von einem Wohnungsbaukombinat genutzt.

 

Gedenken oder Verdrängung? Die ungewisse Zukunft des Schlosses

Nach dem Ende der DDR bestand an der Sachsenburger Geschichte während zweier Diktaturen anscheinend aber wenig Interesse. Inzwischen haben engagierte junge Menschen die Umstände des Konzentrationslagers dokumentiert. Zum Kapitel Jugendwerkhof Sachsenburg herrscht hingegen weitgehend Schweigen. Akten darüber soll es nur wenige geben. Auch Zeitzeugenberichte sind aufgrund des weit zurückliegenden Zeitraums eher selten. Generell ist es für ehemalige Insassen der Jugendwerkhöfe schwierig, sich zu outen: Auch heutige Medien verbreiten bisweilen noch die linke Lüge von den schwererziehbaren Kleinkriminellen. Besonders makaber: Bereits mehrfach flossen so genannte PMO-Mittel (sichergestellte Gelder aus dem Vermögen der SED und ihrer Massenorganisationen) in die KZ-Gedenkstätte statt in die Erforschung des SED-Unrechts an Minderjährigen.

Die Schlossanlage selbst allerdings war von der allgemeinen Gleichgültigkeit anfänglich nicht betroffen. Zunächst erwarb ein westdeutsches Unternehmen die verfallende Immobilie. 1993 konnte jedoch die Gemeinde Sachsenburg das Anwesen erfolgreich zurückfordern. Einer Phase der Stagnation folgte 2001 die Gründung des Vereins "Kuratorium Schloss-Sachsenburg e. V.", welcher in mühevoller Kleinarbeit forscht und dokumentiert sowie Restaurierung und kulturelle Nutzung anregen möchte. Bausubstanz konnte gesichert werden, erste Sanierungsmaßnahmen begannen.

Während unterhalb des Burgberges immer wieder Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Schutzhaftlagers stattfinden, scheint die weitere Verwendung des Schlosses auch über 30 Jahre nach dem Ende der linken Diktatur noch nicht klar zu sein. Wie wäre es beispielsweise mit einer Gedenkstätte für die Opfer des Jugendwerkhofes?

Donky, am 02.03.2017
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