Fast alle Schüler der Schule in der DDR wurden mit Beginn der Schule auch Mitglied in der Pionierorganisation. Was von vielen als "freiwilliger Zwang" bezeichnet wurde, machte aber genauso viele auch stolz. Endlich gehörte man zu den Großen und konnte ein Pionierhalstuch zum dazugehörigen weißen Hemd tragen. Das weiße Hemd trug außerdem das Emblem der Pionierorganisation. Von der ersten bis dritten Klasse bekam man ein blaues Pionierhalstuch. Das wurde mit einem komplizierten Knoten, der einige Übung erforderte, unter den Kragen der weißen Pionierbluse gebunden. In der vierten Klasse war man dann reif genug für das rote Pionierhalstuch. In der achten Klasse durfte man in die FDJ eintreten.

Viele Schüler trugen mit Stolz ihr Pionierhalstuch

Ich kann mich noch genau an den feierlichen Akt der Übergabe der roten Pionierhalstücher erinnern. Wir waren mit der ganzen Klasse zu einer Gedenkstätte für Wilhelm Pieck gereist. Dort fand ein richtiger kleiner Festakt zur Übergabe der Halstücher statt. Wir waren sehr stolz, dass wir jetzt groß genug waren und nicht mehr das blaue Halstuch tragen mussten. Schließlich waren wir jetzt dem blauen Hemd der FDJ-Organisation wieder ein Stück näher gekommen. Das Pionierhalstuch wurde nur zu festlichen Anlässen getragen, manchmal auch ohne die weiße Pionierbluse. Festliche Anlässe waren zum Beispiel der Neubeginn eines Schuljahres, zu dem immer ein Fahnenappell stattfand oder besondere Nachmittagsveranstaltungen. Zu einem Fahnenappell fand sich stets die gesamte Schule an, meist trugen alle die Uniformen der Pionierorganisation oder der FDJ. Die Schüler nahmen klassenweise Aufstellung. Fahnenappelle fanden nur zu besonderen Anlässen statt, wie Eröffnung oder Beendigung des Schuljahres, Ehrentage von bestimmten Persönlichkeiten oder bei besonderen schulischen oder sportlichen Leistungen, die in großem Rahmen gewürdigt wurden. Wenn in Manchen Berichten von wöchentlichen Fahnenappellen berichtet wird, dann wollte man die Sache wohl wieder etwas aufbauschen. Ganz so schlimm war es nie. Wenn man ab der 8. Klasse dann die blaue FDJ-Bluse tragen durfte, hat man sich ganz besonders toll gefühlt.

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Viele Veranstaltungen im Rahmen der Pionierorganisation

An jeder Schule gab es einen Pionierleiter, der die Aktivitäten lange im Voraus plante. So fanden zum Beispiel solche Veranstaltungen wie Kino-, Theater- und Museumsbesuche, Buchbesprechungen, Arbeitseinsätze, Sportveranstaltungen oder Radwanderungen regelmäßig nachmittags statt. Mindestens einmal im Monat führte jede Klasse Pioniernachmittage durch, bei denen es neben lockeren Freizeitaktivitäten auch mal um politische Themen ging. Dazu wurden Vertreter aus Politik oder aus Betrieben eingeladen, die den Kindern die sozialistische Wirtschaft nahebringen sollten. Solche Veranstaltungen waren für die Kinder oft langweilig, sind aber auch nicht weiter in Erinnerung geblieben. In Erinnerung geblieben sind dagegen neben den ungezwungenen Ausflügen oder Spielnachmittagen der gegenseitige Zusammenhalt. Bei den Pioniernachmittagen wurde nämlich auch über die Leistungen gesprochen und gemeinsam überlegt, wie man sich gegenseitig helfen kann. Daraus entstanden oftmals Patenschaften von leistungsstärkeren über leistungsschwache Schüler, wovon beide profitieren konnten. In Erinnerung geblieben sind auch die zahlreichen Wertstoffsammlungen, bei denen die Pioniere von Haus zu Haus zogen und Altpapier, Altglas und Alttextilien sammelten. Diese Sachen wurden dann zu Aufkaufstellen gebracht und der Erlös für Hilfsaktionen gespendet oder für eigene Freizeitaktivitäten verwendet. Die Tätigkeit eines Pionierleiters lässt sich heute etwa mit dem eines Sozialarbeiters vergleichen, denn die Kinder konnten mit ihren Problemen jederzeit auch zu ihm kommen.

Leider fehlt heutzutage das Geld, um jede Schule mit einem Sozialarbeiter auszustatten, obwohl der vielerorts dringend benötigt wird.

Pionierorganisation und FDJ war straff organisiert

Der Klassenverband wurde von einem Gruppenrat vertreten. Der Gruppenrat bestand aus einem Gruppenratsvorsitzenden (etwa wie heute der Klassensprecher), seinem Stellvertreter, einem Schriftführer, der zu jeder Veranstaltung ein Protokoll oder Bericht schrieb, einem Kassierer, einem Agitator und einem Freundschaftsratsmitglied. Der Freundschaftsrat bestand aus Vertretern aller 4.-7. Klassen einer Schule und ist etwa mit einer heutigen Schulkonferenz vergleichbar. Die gleiche Organisation gab es dann weiterführend in der FDJ.

Der FDJ-Ausweis mit Beitragsmarken

FDJ-Ausweis

Viele unvergessliche Freizeiten

Neben den Pioniernachmittagen in der Schule bestand auch noch die Möglichkeit des Besuchs eines der in der DDR vorhandenen 150 Pionierhäuser, in denen es Spielmöglichkeiten, Platz für Diskotheken oder eigene Theateraufführungen gab. Außerdem gab es etwa 200 Stationen junger Naturforscher und Techniker, in denen die Kinder ihren Neigungen nachgehen konnten.

 

Auch in den Schulgebäuden gab es zahlreiche Möglichkeiten, seine Interessen zu verwirklichen. Vielerorts wurden die verschiedensten Arbeitsgemeinschaften angeboten, in denen man kostenlos Fähigkeiten und Kenntnisse auf vielen naturwissenschaftlichen, sozialen, sportlichen und künstlerischen Gebieten erlangen konnte. Ähnlich bauen sich die heutigen Ganztagsschulen auf. Nur wurde zu DDR-Zeiten viel mehr Wert darauf gelegt, dass sich der Klassenverband auch durch zahlreiche außerschulische Unternehmungen festigte.

 

Auch die FDJ bot ihren Mitgliedern eine Vielzahl an Freizeitmöglichkeiten. Als Beispiel seien hier nur Jugendklubs, Möglichkeiten der künstlerisch-kreativen Betätigung, Jugendreisebüros und Jugendherbergen genannt.

 

Die DDR gibt es inzwischen nicht mehr. Aber eines muss man deutlich hervorheben. Zu jedem Zeitpunkt hatten in diesem Staat die Kinder oberste Priorität. Es gab für jedes Kind die Möglichkeit der sozialen Integration ab dem Kleinkindalter, Schule und Ausbildung war nicht an die finanziellen Möglichkeiten der Eltern gebunden, Kinderbekleidung war staatlich gestützt. In der Bundesrepublik sind Kinder und Bildungswesen oft genug der erste Bereich, in dem der Rotstift angesetzt wird obwohl es tausend andere Möglichkeiten für den Staat gibt, Geld zu sparen. Wie lässt es sich sonst erklären, dass zum Beispiel in unserer Region seit zwanzig Jahren kein junger Lehrer mehr eingestellt wurde? Wie lässt es sich sonst erklären, dass Schulämter taub für die Probleme an der Basis sind? Man könnte fast glauben, in der Bildungspolitik wurde bei soviel Differenzierung und länderinternen Vorgehensweisen schon lange der Überblick verloren.

Autor seit 12 Jahren
99 Seiten
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