Skandal im Kaiserreich: Die Eulenburg-Affäre
Anfang des 20. Jahrhunderts wollte ein übereifriger Journalist seine politischen Ziele durch Enthüllungen und Beschuldigungen erreichen. Am Ende gab es keine Sieger...Die Protagonisten der Eulenburg-Affäre
Nicht anders als heute auch, diente der Vorwurf der (damals strafrechtlich verfolgten) Homosexualität in der Eulenburg-Affäre lediglich als Mittel zum Zweck. Zu den zentralen Figuren des Skandals entwickelten sich der Publizist Maximilian Harden sowie Philipp Fürst zu Eulenburg und Hertefeld, ein Diplomat des kaiserlichen Hofes. In eher passiver Rolle fand sich auch Kaiser Willhelm II. in die öffentliche Schlammschlacht einbezogen.
Maximilian Harden sah sich selbst als Bewahrer preußischer Tugenden. Er war ein Verfechter der konfrontativ ausgerichteten Politik Bismarcks, welcher unter Kaiser Willhelm II. seinen Posten als Reichskanzler eingebüßt hatte.
Fürst Eulenburg hingegen gehörte zur sogenannten Hofkamarilla, einer Adelsclique, welche den Kaiser (nicht immer zu dessen Vorteil) politisch beriet, Intrigen spann und Ränke schmiedete. Allerdings bewirkte dieser Beraterkreis auch eine moderate Außenpolitik Deutschlands und verhinderte vermutlich militärische Konflikte mit Frankreich und England. Der Einfluss der kaiserlichen Freunde war indessen so groß, dass selbst der amtierende Reichskanzler von Bülow politisch nur eingeschränkt agieren konnte.
Famose Kerle: Eulenburg - eine wilhelminische A... | Die Akte Kachelmann - Anatomie eines Skandals | Traumfabrik Hollywood: Stars, Filme und Skandale |
Maximilian Harden löst einen handfesten Skandal aus
Bereits seit der politischen Entmachtung Bismarcks 1890 schwelte zwischen den beiden politischen Lagern ein unterschwelliger Konflikt. Harden soll sehr frühzeitig durch Bismarck selbst pikante Details über die sexuellen Neigungen seiner Gegner erfahren haben. 1897 kommt es mit recht unterschiedlichem Erfolg zu ersten Verleumdungen und Anklagen gegen kaiserliche Vertraute. Das öffentlich erregte Aufsehen ist zwar enorm, jedoch nicht von Dauer. Dennoch ist Fürst Eulenburg dadurch gewarnt. Angeblich erpresst ihn Maximilian Harden 1902 mit drohenden "Enthüllungen". Fürst Eulenburg gibt nach und zieht sich aus dem Diplomatenleben zurück, bis ihm das Jahr 1906 ein politisches Comeback beschert.
Zur gleichen Zeit startet Maximilian Harden eine Serie von Enthüllungsartikeln, welche die ihm unliebsamen Personen im kaiserlichen Umfeld schwer diskreditieren. Er kann sich dabei auf belastendes Material stützen, welches ihm offenbar jahrelang aus höchsten Kreisen zugespielt wurde. Der Kaiser ist empört und verlangt, ebenso wie die Öffentlichkeit, umfassende Aufklärung. Es folgen zwei Jahre voller gerichtlicher Auseinandersetzungen, Falschaussagen und Intrigen. Auch Fürst Eulenburg gerät in den Strudel der Auseinandersetzungen.
Ein Mord, der keiner sein durfte: Der Fall Uwe ... | Verlorene Töchter: Historische Skandale aus Bad... | Der geplünderte Staat und seine Profiteure |
Nach dem Skandal: Alle haben verloren
Der Fürst ist mittlerweile schwer krank und muss während der Prozesse mehrfach auf seine Verhandlungsfähigkeit untersucht werden. Im Endeffekt stellt man die Ermittlungen gegen ihn ein, da ihm keine homosexuellen Beziehungen nachgewiesen werden können. Ein Prozess wegen Meineides endet ebenfalls ohne Ergebnis. Dennoch distanziert sich der auf die eigene Reputation bedachte Kaiser nun deutlich von seinem väterlichen Berater. Politisch vernichtet, zieht sich der Fürst in seinen Geburtsort Liebenberg zurück, wo er 1921 gesellschaftlich isoliert und verbittert stirbt.
Maximilian Harden geht aus den Prozessen mehr als einmal als Verlierer hervor. Er muss wegen Verleumdung eine Haftstrafe verbüßen und wird zudem mit Strafzahlungen und den Gerichtskosten in vierstelliger Höhe belastet. Dennoch hat der eigenwillige Publizist und Verleger sein Ziel erreicht. Durch die öffentliche Schlammschlacht ist das Ansehen der kaiserlichen Berater dauerhaft geschädigt. Die "Hofkamarilla" zerfällt. Ihr bis dato mäßigender Einfluss auf den Kaiser fehlt nun, was möglicherweise den Ausbruch des Ersten Weltkrieges begünstigt hat.
Der konservativ-militärisch denkende Harden erkennt dies erst nach Kriegsende und wendet sich nun sozialistischem Gedankengut zu. Doch dadurch brüskiert er seine bisherige Leserschaft und muss geschäftliche Verluste hinnehmen. Das von ihm verlegte Blatt stellt 1922 sein Erscheinen ein. Im gleichen Jahr wird Harden Opfer eines Attentats, welches er jedoch überlebt. Er siedelt daraufhin in die Schweiz über und damit ausgerechnet in jenes Land, welches zwanzig Jahre zuvor auch Fürst Eulenburg nach seiner Erpressung durch Harden als Exil wählte. Harden, der die durch ihn erzeugte Affäre später als politischen Fehler angesehen haben soll, verstirbt 1927 an den Folgen einer Lungenentzündung.