Bühnenanfänge mit dem Parsen-Theater

Dass Modi durch sein Auftreten und seine Stimme für die Bühne prädestiniert war, hatte schon sein Schuldirektor festgestellt, der allerdings auch den Beruf des Politikers als Alternative genannt hatte. Doch Sohrab Modi hatte nicht nur die besten natürlichen Voraussetzungen für ein Leben auf und mit dem Theater. Er wurde als Parse auch in eine Religion und Kultur mit der passenden Tradition hineingeboren.

Die Parsen, wie die Anhänger des Zarathustrismus in Indien genannt werden, haben einen erheblichen Teil zur Entwicklung des indischen Theaters und dann auch des indischen Kinos beigetragen. Das Parsen-Theater sorgte durch seine Mischung aus traditionellem, indischem Theater und westlichen Einflüssen für eine entscheidende Modernisierung.

Auch Sohrab Modi hatte ab 1924 mit der Arya Subodh Theatrical Company eine Theatergruppe. Der Einstieg ins Kinogeschäft begann geschäftlich. Er und sein Bruder besaßen Kinos. Fürs Filmemachen wurde 1935 die "Stage Film Company" gegründet, deren erster Film "Khoon ka Khoon" eine indische Version von Shakespeares "Hamlet" war. 1936 folgte eine "King John"-Verfilmung. Wie der Name der Filmgesellschaft sagt, handelte es sich um reine Bühnenfilme, um abgefilmtes Theater.

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Sohrab Modi
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Parsen in Bombay

Parsees at Bombay (Bild: Baron De Montalemert)

Das eigene Studio Minerva Movietone

1936 fand in Bombay die Gründung des eigenen Studios Minerva Movietone statt. Das Logo war ein Löwe auf einer Weltkugel. Der erste Film "Atmatarang" (1937), ein katastrophaler Misserfolg, wäre fast auch Modis letzter Film gewesen. Doch gab es prominente Aufmunterung durch hohe Richter. Dies bestärkte ihn noch in seiner Auffassung der gesellschaftlichen Bedeutung seiner Arbeit. Seine nächsten Filme waren "Socials", Filme über wichtige gesellschaftliche Fragen wie Alkoholismus und die Hindu-Scheidung.

Ab 1938 drehte er dann drei große klassische Filme, die zeigten, dass historische Filme bedeutsam für die Gegenwart sein können. Diese drei immens erfolgreichen Filme sind durch ihre Tendenz zum Deklamatorischen und ihre vielen Dialogen sehr theaterhaft, was das Publikum nicht störte. Der indische Film hat ja überhaupt seine Verwandtschaft mit dem Theater nie geleugnet, sondern immer mit ihr gearbeitet, nicht zuletzt durch einen Schauspielstil, der auf westliche Zuschauer manchmal befremdlich wirkt. Im Übrigen wird das statisch Theaterhafte ausgeglichen durch Modis Hang zur historischen Präzision bei Dekors und Kostümen.

"Pukar": Recht und Gesetz

Auch "Pukar" ("The Great Mughal", 1939) hat eine prachtvolle Ausstattung, aber es sind keine Schauwerte an sich. Modi zeichnet der Glaube an die Figuren und vor allem den Dialog aus. Es wird viel geredet über das Wesen des Rechtes und dessen Notwendigkeit, weil sonst alles auseinanderbricht. Individuelles muss da hinten anstehen, wobei sich im Film dann die Frage stellt: Wo beginnt die Unmenschlichkeit?

Großmogul Jahangir regiert in "Pukar" nach dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Als der Sohn eines hohen Beamten den Vater und den Bruder seiner Geliebten tötet, flieht er in Panik, wird verhaftet und zum Tode verurteilt. Es wird trotz eindringlichen Flehens keine Gnade gewährt. Die Rechtsgrundsätze werden auf die Probe gestellt, als die Königin Noorjehan aus gedankenloser Leichtsinnigkeit einen Mann tötet. Dabei hatte sie vorher noch gesagt, dass es kein unwertes Leben gibt, auf das man einfach so schießen darf: "Jedes Leben ist wertvoll."

Trotz der Theaterhaftigkeit handelt es sich keinesfalls um abgefilmtes Theater. Sodi hat auch rein filmische Ideen. Einmal sieht man eine Uhr im Zeitraffer. Die Lieder sind schön photographiert, hier wird auch gerne eine sich bewegende Kamera eingesetzt. Einmal sitzt eine Frau allein im Garten am Teich und die Kamera fährt, hinter Pflanzen, einmal um den Teich herum.

Mughal Painting of the Emperor Jahangir

Mughal Painting of the Emperor Jahangir (Bild: 10525477)

Portrait of Emperor Jahangir (1569-1627)

Portrait of Emperor Jahangir (1569-1627) (Bild: 10072890)

"Pukar" (Song)

"Sikandar": Widerstand um jeden Preis

Alexander der Große, gespielt vom damaligen Star Prithviraj Kapoor, tritt in "Sikandar" (1940) auf als optimistischer, leichtsinniger Held, der die Welt erobern will. Er ist charmant, aber restlos egomanisch. Das Hauptinteresse des Films gilt aber nicht der imposanten Figur Alexanders, sondern dem kolonialisierten Volk und dessen König Porus, verkörpert von Modi selbst, der es wagt, sich Sikandar entgegenzustellen. Es gilt, Widerstand um jeden Preis zu leisten, auch wenn man nicht weiß, ob man gewinnt. Der Kampf ist wichtig. Denn das Leben sei wie der Tod und der Tod sei wie das Leben. Aus dem Mund eines anderen Volkes würde das seltsam klingen, doch geht es hier einzig und allein um Widerstand gegen Invasionen und Angriffe von außen. Und solche musste Indien oft erleiden. Am Schluss ist Alexander von Porus so beeindruckt, dass er mit seinen Truppen abzieht.

The Troops of Alexander the Great ...

The Troops of Alexander the Great Meet the Elephants of Porus on the Hydaspes (Bild: Andre Castaigne)

King Porus of India Surrenders to ...

King Porus of India Surrenders to Alexander the Great, 326 Bc (Bild: 4233446)

"Prithvi Vallabh": Askese gegen Lebensfreude

In "Prithvi Vallabh" ("Beloved of the World", 1943) trifft lebensfroher, entspannter und angstfreier Heroismus auf sadistischen, asketischen Hass. Da sind zwei gegensätzliche Herrscher und dazwischen die Schwester des Tyrannen, die sich plötzlich in den Lebenslustigen verliebt. Am Schluss fehlt ihr aber das Vertrauen und sie verrät ihn. Doch sie hat die Liebe entdeckt und stirbt schließlich mit dem Geliebten, der dazu verurteilt wurde, von einem Elefanten zu Tode getrampelt zu werden.

Auch hier wie in anderen Filmen findet man eine gewisse Misogynie. In "Pukar" ging es auch darum, dass ein Krieger, der sich verliebt, keiner mehr ist, weil er plötzlich am Leben hängt. Und "Sikandar" entlockt eine Frau dem König Porus das Versprechen, Sikandar nicht zu töten. In "Jailor" wird ein von einer Frau enttäuschter Mann zum Tyrannen. Den Stoff hat er gleich zweimal, 1938 und 1958, verfilmt.

"Jhansi ki Rani": Ein unerwarteteter Misserfolg

"Jhansi ki Rani" ("The Tiger and the Flame", 1953) ist ein teurer, ehrgeiziger Film über die Königin von Jhansi, die sich Mitte des 19.Jahrhunderts in einem mutigen Aufstand gegen die Engländer stellte. Trotz technischer Perfektion in Technicolor - erreicht durch teure ausländische Mitarbeiter - visueller Opulenz und überzeugenden Schlachtenszenen wurde der Film ein kommerzieller Misserfolg. Als Ursache wird oft genannt, dass Hauptdarstellerin Mehtab zu alt war für die Rolle der jungen Königin. Doch solche historischen Ungenauigkeiten sind nicht nur im indischen Film nichts Ungewöhnliches. Vielleicht lag es eher daran, dass er zu ernst war und nicht mit der üblichen Menge an Liedern aufwartete. Das Publikum wollte lieber einen Film wie den im selben Jahr produzierten "Aan" sehen, in dem der sonst für tragische Rollen bekannte Superstar Dilip Kumar sehr überzeugend zeigte, wie ein indischer Errol Flynn auszusehen und zu agieren hat.

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Tanzszene aus "Jhansi ki Rani"

"Mirza Ghalib" und andere Rettungsversuche

Ein privates Studio ohne staatliche Subvention kann derartige Verluste schwer auffangen. Gute Kritiken und staatliche Filmpreise können das auch nicht wieder ausgleichen. Dennoch drehte Modi unter ständig steigenden Schwierigkeiten weiter Filme. Inzwischen setzte sich das teure Starsystem immer mehr durch. Modi aber war es gewohnt, das Geld in Ausstattung und filmische Präzision zu stecken. Doch Stoff, Regisseur und Drehbuch waren nicht mehr primär ausschlaggebend bei der Finanzierung.

Vielleicht Modis schönster Film ist "Mirza Ghalib" (1954), ein historischer Künstlerfilm über den berühmten Urdu-Poeten des 19.Jahrhunderts, der lyrische Individualität mit Erfolg bei der großen Masse verbinden konnte. Der Film zeigt einen Dichter, der weiß, wie gut er ist und dies auch sagt, aber schnell beleidigt ist und verzweifelt, wenn er keinen Erfolg hat. Mirza Ghalib ist in diesem Film ein Mann zwischen zwei Frauen. Er liebt zweifellos seine Ehefrau, die immer für ihn da ist, aber gleichzeitig erinnert ihn das häusliche Leben daran, wie sehr er als Haushaltsvorstand versagt, weil kein Geld hereinkommt. Da ist es schnell passiert, dass er sich in eine Kurtisane verliebt, die ihn als Dichter glühend verehrt und wunderschön seine Gedichte singt. "Mirza Ghalib" ist ein wehmütiger Film voller Poesie, voller Rezitationen und Liedern. Als die Kurtisane erfährt, dass er verheiratet ist und seine Frau sehr leidet, zieht sie fort und stirbt. Mirza Ghalib kann sie am Schluss nur noch begraben.

Auch "Mirza Ghalib" war ein kommerzieller Misserfolg, was umso trauriger ist, als dass Modis Filme inzwischen längst nicht mehr theaterhaft waren, sondern zeigen, wie subtil er das Visuelle beherrschte. Ein anderes Beispiel hierfür ist "Kundan" (1955), seine Verfilmung von Victor Hugos "Les Misérables" ("Die Elenden"), die sich vollauf messen kann mit den beiden klassischen Hollywood-Versionen von Richard Boleslawski (1935) und Lewis Milestone (1952).

1964 war es vorbei mit Minerva Movietone und 1968 wurde das Studio endgültig verkauft.

"Mirza Ghalib" (Song)
"Mirza Ghalib" (Song)

Familie und Ehe

Sohrab Modi hatte zehn Geschwister. Die Mutter starb, als er erst drei Jahre alt war, und der Vater hielt sich oft in Afrika auf. Daher wurde er von einer Tante mütterlicherseits großgezogen. Modi war eine Zeitlang als Mitglied der Ramakrishna-Mission Anhänger des Zölibats. Dann traf er doch die Richtige und heiratete die zwanzig Jahre jüngere moslemische Schauspielerin Mehtab, die sich für ihre Karriere hatte scheiden lassen. Die Eheschließung fand 1949 statt, doch sie lebten bis 1950 getrennt, da es Modis Familie schwerfiel, sie zu akzeptieren.

Sein ganzes Leben hat er dem Film gewidmet. In Amrit Gangars schönem Buch über Modi wird Ehefrau Mehtab zitiert: "Er pflegte Tag und Nacht zu drehen und zu schneiden, selbst, wenn er hohes Fieber hatte. Wenn er sehr früh morgens drehen musste, legte er sich gar nicht hin, da er immer vorzeitig im Studio oder an den Drehorten war. Er hatte kein anderes Hobby als Filme. Nur Filme, Filme und Filme."

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Kaufhinweis

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