Lajos Talamonti, Bettina Grahs

Lajos Talamonti, Bettina Grahs (Bild: © Michael Benett)

Intensivere Geschmacklosigkeiten mit Originalitätsanspruch

So geht das die ganze Zeit weiter, an die 90 Minuten. Die Absicht der Performer, die Gamifizierung der Gesellschaft als subtile Regierungsstrategie auszumachen, gelingt leider nicht. Klar, das Projekt soll eine Parodie sein über fragwürdige Freizeitvergnügungen und leicht konsumierbare Zerstreuungen – doch mitunter erscheint das Ganze als integraler Bestandteil einer Verspaßungsindustrie, die dem Volk gibt, was es braucht. Bei der Frage 'Ist das eklig?' gilt es, möglichst derbe Ekelstorys aufzutischen, und Talamonti erweist sich als besonders talentiertes Ekelpaket. Auch bei der Dummheit triumphiert er – Bettina Grahs muss sich zur Strafe in einen engen Karton setzen, bekommt eine Zahnspange und muss sich ein hässliches Papphütchen aufsetzen wie beim Kinderkarneval. Ein Teilzweck scheint es wohl zu sein, als müssten intensivere Geschmacklosigkeiten und Übertreibungen mit Originalitätsanspruch abgesondert werden. Beim Thema Schadenfreude ist Einfallreichtum gefragt, man freut sich über einen arroganten Menschen, der gegen einen Pfeiler rauscht, oder über einen weichen Hausbesitzer, der ausländische Schmarotzer bei sich wohnen lässt. Da das Publikum das Geschehen ausgiebig mit Betcoins belohnt, erhalten einige Auserkorene einen doppelten Whisky. Angesichts diverser Ängste wird es sogar etwas ernst: Die Angst, einander zu enttäuschen, die Erwartungen nicht zu erfüllen oder ein Lied falsch zu singen. Und besonders langweilig soll es sein, wenn Martin Walser über Durchschnittsopas aus höheren Wirtschaftskreisen redet.

 

Das Publikum macht begeistert mit

Was ist nur in Interrobang gefahren? Bei all dem Getriebe sollte man vermeinen, hinter all den Bemühungen müsste sich doch etwas denken lassen. Doch die Deutung, dass der Staat die Gesellschaft durch spaßhafte Einlullung betäuben will, um sie von umwillkommenen Einmischungen in hohe Regierungsgeschäfte abzuhalten, funktioniert nicht. Die vielleicht gemeinte parodistische Persiflage zweifelhafter Fernseh-Formate wird durch das sehr junge Publikum konterkariert – es fühlt sich hervorragend unterhalten und beteiligt sich mit lebhafter Aktivität am im Grunde abgeschmackten Spiel. Entlarvt wird hier gar nichts, ganz im Gegenteil, die Mechanismen billiger "Freizeitgestaltung" werden ohne Unterlass wiederholt. Gegen Ende wird die Gladiatorin zur Kaiserin gekrönt und empfängt einen Lorbeerkranz. Hurra, und ein doppelter Whisky.

 

Brot und Spiele

von Interrobang

KONZEPT Interrobang VON UND MIT Bettina Grahs, Lisa Großmann, Till Müller-Klug, Lajos Talamonti, Nina Tecklenburg BÜHNE, KOSTÜM Sandra Fox MUSIK Friedrich Greiling INTERAKTIVE VISUALISIERUNG Ricardo Gehn LICHTDESIGN, TECHNISCHE LEITUNG Dirk Lutz

Sophiensäle Berlin, Premiere vom 30. Januar 2018.

Dauer: 90 Minuten

 

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