Sophiensäle Berlin: Kritik von "Slime Dynamics" - Siegmar Zacharias
Eine Kunstperformance mit leichten Theaterelementen. Drei Schauspielerinnen spielen mit Kunstfarben.Fleisch und Kunstschleim (Bild: © David Eckelmann)
Großflächige Schnitzel
Obwohl die meisten des Englischen kundig sind, fehlen mitunter ein paar Vokabeln, und es ist schade, dass es keine deutsche Übersetzung auf einer elektronischen Tafel gibt. Immerhin sind viele Briten anwesend, ein Triumph des Internationalismus für die Freie Szene – Stadttheater schaffen das gar nicht. Die Frauen legen los, eine lässt einen grünen Kunstschleim an sich herunterquellen. Eine andere baut Schlangenbahnen, die an den letzten Bankok-Urlaub erinnern. Wie wir erleben, kann man mit Kunstfarbe dermaßen arbeiten, dass Müllsäcke wie aus dem Nichts entstehen. Oder großflächige Schnitzel und Hähnchenbrustfilet, das sich als rohes Fleisch wunderbar kunstvoll verarbeiten lassen. Schleimspuren werden sogar an der Wand angehängt, als solle man das Wunderwerk niemals vergessen. Nun gut, gut geschleimt wird genug in der Republik, aber es geht mit der unabhängigen Kunstschleimerei weiter. Frau wälzt sich gerne herum und schafft damit neue Formen und Freizeitdimensionen. Die "Grüne" wirft sich in eine Teersoße und wiederaufersteht als neuer Mensch. Sie hat eine neue Uniform, sie ist eingehüllt in eine Latexhose inklusive Leder, bestens präpariert für die nächste SM-Party. Aber die wird nie kommen. Besser ist es, sich dem Spirituellen anzupassen. Die Frauen greifen sich in einer meditativen Sitzung an die Arme und Hände, als würden dadurch die Kriege abgeschafft werden und sich die Menschen in einem Schulterschluss vereinigen. Geisterbeschwörung oder Anbetung des Himmels? Wir wissen es nicht. Es ist dies eine spirituelle Vereinigung, die nur durch kaum beachtete Kunst in die Öffentlichkeit eintreten will.
Neue Kleider werden geformt
Die Inszenierung gehört mehr in eine Vernissage als in ein Theater. Es gibt auch eine Art Leichen-Mystik, die aber nicht lange funktioniert. Zu vital sind die Akteurinnen. Sie machen im Liegen Sex-Bewegungen, ohne erotisch zu sein. Es ist eine flüssige und trockene Angelegenheit. Man fühlt sich an Rentner-Gymnastik erinnert mit dem Ziel, sich frisch zu erhalten. Inzwischen erreicht die Musik ein Niveau, das den Gedanken an alte Silvester-Knaller wachruft. Immerhin: Die Performance zeigt, wie man durch Kunst aus alten Kleidern neue macht. Die Formlosigkeit wird zur Form gebracht. Der Kaiser kleidet sich nicht neu – es ist das Volk, das sich immer wieder neu entwerfen will, um sich nicht sinnlos anzupassen. Ein Kunstexperiment – aber nicht das schlechteste.
Slime Dynamics
von Siegmar Zacharias
KONZEPT Siegmar Zacharias,
Es spielen: Julia Rodriguez, Mirjam Sögner, Sandra Blatterer, Giulia Paolucci.
Sophiensäle Berlin, Kritik vom 8. Dezember 2017.
Dauer: 70 Minuten
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)