Wie das Stiefmütterchen zu seinem Namen kam
Kein Frühling ohne Stiefmütterchen - aber woher kommt diese genügsame Pflanze? Ist sie mehr als nur ein Lückenfüller im Garten? Und wo kommt der Name her?Viola tricolor (Bild: a.sansone)
Botanisches zum Stiefmütterchen
Das wilde Stiefmütterchen gehört in die Gattung Veilchen (Viola) und damit zu der Familie der Veilchengewächse (Violaceae). Eine nahe Verwandte ist also das bekannte blauen Veilchen (Viola odorata).
Neben den herzförmigen wechselständigen Blättern ist besonders die Blüte charakteristisch. Sie ist 5-blättrig und zygomorph, das heißt, die Blüte lässt sich nur an einer Schnittebene spiegeln. Das breite unterste Kronblatt bedeckt teilweise die seitlichen, und diese wiederum die beiden obersten. Die oberen Kronblätter sind aufwärts gerichtet, das unterste gespornt. Die Frucht ist eine 3-klappige Kapselfrucht. In Europa und den gemäßigten Zonen Asiens ist es weit verbreitet.
Die verschiedenen Veilchen-Arten lassen sich leicht miteinander kreuzen, daher stammt auch der vielfältige Formenreichtum des Gartenstiefmütterchens (Viola x wittrockiana).
Info-Tipp:Botanische Begriffe und ihre Bedeutung
Wie kam die Pflanze "Stiefmütterchen" zu ihrem deutschen Namen?
Auffälligstes Merkmal sind die Blüten, die aus 5 Segmenten bestehen und an einem langen Stiel sitzen. Das mittlere, untere Blütenblatt (A) ist besonders groß und wird von zwei weiteren (B) umrahmt. Meist sind sie zweifarbig. Oben befinden sich, ein wenig zurückgesetzt, zwei weitere Blütenblätter (C), die sich überlappen.
Die Namensherkunft erklärt sich aus dieser Blütenform dann so: Die Stiefmutter (A) hat es sich auf einem breiten Stuhl gemütlich gemacht. Ihre Töchter (B), die seitlichen Kronblätter, haben je einen eigenen Stuhl über ihr, aber die Stieftöchter (C) müssen quasi im Hintergrund bleiben. Richtig stiefmütterliches Verhalten eben.
Na bitte. Eh klar, oder?
Das wilde Stiefmütterchen Viola tricolor allerdings hatte noch vielerlei nette Bezeichnungen: Ackerveilchen, Mädchenauge, Muttergottesschuh, Schöngesicht, aber auch Ackerdenkeli und wegen der drei Farben Dreifaltigkeitsblume. In Italien heißt es "flammola", kleine Flamme, aber auch "Viola del pensiero", in Frankreich "pensée"= Gedanke. Nach alten Vorstellungen regte der Genuss von Stiefmütterchentee das Gehirn, also die Gedanken, an, in Großbritannien heißt es "heart's ease"= Herzensfreude. Nur in New York ist es seltsamerweise zur "footballflower" geworden.
Stiefmütterchen, die wilden Vertreter - Die Ahnen unseres Gartenstiefmütterchens
- Acker-Stiefmütterchen (Viola arvensis), 5 bis 20 cm groß, Blüten meist cremefarben, Blätter rundlich. Es gedeiht an Äckern und Wegrändern. Die Blütezeit ist Mai bis Oktober.
- Wildes oder Gewöhnliches Stiefmütterchen (Viola tricolor); wie schon der Name besagt, trägt es drei Farben, gelb, weiß und blauviolett. 10 bis 40 cm hoch, kommt es von Äckern, Wiesen bis zu Dünenbereichen vor. Blütezeit ebenfalls Mai bis Oktober. Beim Wilden Stiefmütterchen sind gewöhnlich die oberen zwei Kronblätter blauviolett, das untere gelb und die beiden seitlichen weiß oder auch blauviolett – also blüht es dreifarbig ("tricolor"). Gleichzeitig kann man zum Blütenzentrum hin eine dunkle, strichförmige Aderung sehen, die den Insekten – vor allem Hummeln und Bienen – als Orientierungshilfe bei der Nektarsuche dient.
- Sie möchten wilde Arten besser kennen lernen? Hier finden Sie ein Album vieler im Alpenraum vorkommender Blumen.
- Gelbes Stiefmütterchen (Viola lutea) auch Vogesen-Stiefmütterchen genannt. Man findet mehrere Unterarten auch in England, Frankreich bis in die Pyrenäen sowie im Alpenraum.
- Felsen-Stiefmütterchen (Viola saxatilis), meist ganz gelb.
- Galmeiveilchen oder Galmei-Stiefmütterchen (Viola calaminaria)
Das Gelbe Galmei-Veilchen, Gelbes Galmei-Stiefmütterchen ist eine äußerst seltene Art, die nur auf schwermetallhaltigen Böden in der Umgebung von Aachen vorkommt.
Das Gartenstiefmütterchen (Viola x wittrockiana)
Neben der Primel ist es die beliebteste Frühlingsblume, die millionenfach in Gärtnereien gezogen und verkauft wird. Das Garten-Stiefmütterchen Viola x wittrockiana, entstanden aus einer Kreuzung von Viola arvensis und Viola lutea und deren zahlreiche Hybriden haben unsere Gartentöpfe erobert.
Gab es früher nur Sorten in den typischen Farben gelb, blauviolett oder weiß, gibt es heutzutage von Orange bis mehrfarbig alle Farbspiele. Auch krause, gefüllte oder orchideenblütige Formen sind vorhanden.
Blütezeit: Ab März bis Oktober.
- Imperial Serie: Stiefmütterchen mit besonders großen Blüten
- Joker Serie: kontrastreiche Färbungen, wie Orange und Rotviolett
- Accord Serie: alle Farben mit einem dunklen Fleck in der Mitte
- Eine besonders bemerkenswerte Züchtung ist die fast schwarze samtige Viola tricolor "Bowles Black".
Oh Schreck, die Pflanze hat keinen wissenschaftlichen Namen!
Stiefmütterlich wurde es behandelt, das reizende Blümchen. Man vergaß es ordnungsgemäß zu taufen - sprich ihm einen botanischen wissenschaftlichen Namen zu verpassen.
Info-Tipp: Woher kommen Namen wie Dahlie, Gerbera?
111 Jahre lang merkte kein Botaniker, dass das Stiefmütterchen zwar beschrieben, aber nicht getauft worden war. So ein Sakrileg. Der schwedische Botaniker Veit Brecher Wittrock beschrieb die Kreuzung aus Ackerstiefmütterchen (Viola arvensis) und Gelbem Stiefmütterchen (Viola lutea) 1896. Leider verpasste er dem Pflänzchen keinen Artnamen.
Der Grund, warum Wittrock der Blume 1896 keinen Artnamen gegeben hat, war einfach: weil es sich um eine Bastardform (Hybrid) aus Kreuzungen handelte. Allerdings bezeichnete man es seither als Viola wittrockiana.
Auch der österreichische Botaniker Helmut Gams befasste sich 1925 mit dem Gartenstiefmütterchen und wieder übersah er die fehlende ordentliche Namensgebung. Erst Johannes Nauenburg, der 1986 über wilde Stiefmütterchen promoviert hatte, erkannte den Fehler. "Ich fand keine gültige Diagnose, kein Zitat einer ersten Veröffentlichung." Zusammen mit seinem Kollegen Buttler fügte er dann ein Puzzle aus Arbeiten in Schweden, Dänemark, Österreich, England und Deutschland zusammen. Nun passt alles wieder. Fast.
Raten Sie, wie die Blume seit 2007 nun korrekt heißt. Nein, nicht doch! Sie ahnen es? Oh, doch.
Die korrekte Fachbezeichnung ist: "Viola wittrockiana Gams ex Nauenburg & Buttler".
Stiefmütterchen im Garten - Tipps
Man kann das Stiefmütterchen als blühendes Pflänzchen kaufen und bereits zeitig aussetzen, da es vor Nachtfrösten keine Angst hat.
- Stiefmütterchen anpflanzen, aussäen, ziehen -
Wer es selbst aussäen will, sollte die Töpfe mit den Samen am besten auf eine Fensterbank im Osten oder Westen stellen, damit es ihm nicht zu heiß wird. Sät man es im Freiland aus, muss man darauf achten, dass das Beet mittags nicht zu sonnig ist, es herrscht Gefahr, dass der Keimling vertrocknet.
Ins Freiland ausgepflanzt verlangt es wenig Pflege. Halbschattig bis mäßig sonnig auspflanzen, ein wenig Dünger von Zeit zu Zeit, das genügt. Zupft man die abgeblühten Blüten ab, blüht es lange. Wer einige Blüten abblühen und die Samen ausreifen lässt, kann diese wiederum aussäen, außer es handelt sich um Hybridsorten, die steril sind.
Im Winter kann man die Pflanzen locker mit Reisig abdecken, dann gucken im Frühling die frischen Pflänzchen zeitig hervor.
Die Heilpflanze Stiefmütterchen - Viola tricolor
Im Mittelalter galt das Wilde Stiefmütterchen Viola tricolor als Heilpflanze für Kinderkrankheiten. In der Renaissance wurde Stiefmütterchenaufguss gegen Hautausschlag, Geschwüre und Milchschorf verwendet. Der Tee wirkt harntreibend und blutreinigend, außerdem hilft er bei Rheumatismus, aber auch Atemwegserkrankungen..
Verwendet werden vom Stiefmütterchen die Blüten, frisch gepresster Saft aus der ganzen Pflanze oder getrocknet als Tee.
Enthaltene Heilstoffe von Viola tricolor sind Saponine, Rutin,Violanin, Flavonglykosid, Salicylsäure, Schleim- und Gerbstoffe.
Wer war zuerst? Das Stiefmütterchen oder das Veilchen?
Nach Ansicht des deutschen Botanikers Heinrich Ludwig Hermann Müller (1829 -1883) Kürzel: ("H.Müll.", ist das blaue Veilchen durch Selektion quasi von den Bienen aus dem Stiefmütterchen gezüchtet worden.
Die Bienen bevorzugen beim Blütenbesuch blau und violett, wodurch diese Farbe immer mehr in den Vordergrund trat. Die ursprünglich vorhandene gelbe Farbe wurde immer mehr zurückgedrängt und eine neue Art entstand. (Quelle. Bardorff. Blick ins Buch der Natur.)
Die heutigen Genetiker können diese interessante These sicher bereits bekräftigen oder verwerfen.
Anm:- Müller war ein hochangesehener Biologe und der wichtigste Erforscher der Bestäubungsbiologie im späten 19. Jahrhundert, Verfechter des Darwinschen Evolutionsgedankens.
Quellen
- Teufelsgeige und Witwenblume, Pichler, Geiser, Zuber, Christoph Merian Verlag, 2010 Bern
- Die Weltgeschichte der Pflanzen, Seidel,, Eichborn, 2012 Köln
Bildquelle:
a.sansone
(Wie macht man einen Frühlingsgarten?)
a.sansone
(Wildtulpen, botanische Tulpen, Gartentulpen - Wer ist was?)
a.sansone
(Dahlien - Korbblüten im Spätsommer und Herbst)