Sufismus - die Tanzenden Derwische von Konya
Mevlana Rumi, Gründer der Tanzenden Derwische in der Türkei.Die Musik im Sufismus
Mich hat die Musik immer berührt. Wer ihr neu begegnet, mag sie vielleicht langweilig und eintönig finden. Ich verbinde mit ihr den Anblick vieler mystischer Tänze. Sufimusik wird nicht nur von den Derwischen in Konya benutzt. Ich habe auch schon mehrfach Frauen den Drehtanz ausführen gesehen, so z. B. auf dem Weltmusikfestival Horizonte in Koblenz oder bei einer der vielen orientalischen Shows.
Wesentlicher Bestandteil der Sufimusik ist die Flöte, daneben sind auch die Rubab, die orientalische Laute, die Saz, die türkische Langhalslaute sowie verschiedene Trommeln zu finden.
Tanzende Derwische (Bild: Reisefieber)
Das traurige Lied der Rohrflöte
Ein bekanntes Gedicht von Rumi, dem Gründer des Ordens, ist das Lied der Rohrflöte:
Hör auf die Flöte- wie sie erzählt, wie sie klagt, über Trennung und spricht:
"Seit man mich aus dem Röhricht schnitt, weinen Mann und Frau bei meiner Klage. Ich suche die Herzen derer, die von Einsamkeit gequält sind - nur sie verstehen den Schmerz meiner Sehnsucht. Wer weit entfernt ist von seiner Heimat, der sehnt sich nach dem Tag seiner Rückkehr..." (Auszug)
Wer die Flöte hört, spürt förmlich die tiefe Trauer und Sehnsucht in der Melodie.
Die Ney oder Nay
Die Ney ist in der Türkei, Persien und Arabien seit dem 3. Jahrhundert vor Christi bekannt. Sie wird aus einem Schilfrohr im Röhricht geschnitten. Ihre neun Abschnitte symbolisieren die neun Monate bis zur Geburt eines Menschen. Für die Sufis gilt sie als verlängerter Atem Gottes. Ihre Klage verkörpert die Sehnsucht des suchenden Menschen, dessen Seele sich wieder mit Gott vereinen will. Bei der Geburt vom göttlichen Prinzip getrennt, versucht er verzweifelt die Einheit wieder zu finden.
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Wer war der Mystiker Rumi?
Er wurde als Maulana Dschalaluddin Rumi (Mevlana Celaleddin-i Rumi) am 30. September 1207 in Balkh, Region Horasan, geboren. Der Ort gehörte damals zu Persien, heute liegt er in Afghanistan). Sein Vater war bereits ein berühmter Religionsgelehrter. Die Familie floh vor den Angriffen Dschingis Khans und der Mongolen, die Balkh im Jahre 1220 zerstörten. Da war Rumi gerade 12 Jahre alt. Auf der Pilgerreise über Damaskus nach Mekka wurde er von den verschiedensten islamischen Religionslehrern unterrichtet. Er studierte türkisch, arabisch, persisch und griechisch sowie die Religionen neben dem Islam.
Unter dem Seldschuken-Herrscher Aladin Kai-Qubad wurde sein Vater auf den Lehrstuhl der Stadt Konya, damals Regierungssitz ihres Reiches Rûm, gerufen. Als dieser starb, übernahm Rumi für 22 Jahre sein Amt.
Bereits sein Vater liebte die sufische Mystik. Im Jahre 1244 erfolgte die schicksalhafte Begegnung Rumis mit dem Wanderderwisch Shams aus Täbris (Schamsuddin Tabrizi), der sein Leben veränderte. Der Einfluss des mystischen Religionslehrers war so groß, dass er seinen Beruf, die Familie und Freunde verließ, um sich fortan nur den Studien zu widmen.
Als Shams verschwand, begab er sich verzweifelt auf die Suche und begann poetische Gedichte für ihn zu schreiben, die uns heute in der Gedichtsammlung Diwan - i - Schamsi Täbrizi erhalten sind. Er soll rund 25.700 Verse in seinem Lehrbuch für Sufis "Matnavi" in Persisch verfasst haben. Die sieben Weisheiten des Rumis sind in viele Sprachen übersetzt.
Portrait of Gialal Al-Din Rumi (Bild: 12066019)
Mittels Meditation, Askese und rituellen Kreistänzen versuchte Rumi die menschliche Individualität aufzugeben, um eine gereinigte Seele zu erhalten.
Als der bedeutende Mystiker Rumi am 17. Dezember 1273 in Konya starb, wurde er von Muslimen, Sufis, Juden und Christen gleichermaßen beweint. Seine Grabstätte, das Mausoleum in Konya, ist heute ein wichtiges Pilgerziel.
Das Mevlana-Museum in Konya
Die meisten Rundreisenden werden auf einer Fahrt durch Anatolien bzw. dem Weg nach Kappadokien in der Stadt Konya haltmachen, um dem berühmten Mevlana-Kloster einen Besuch abzustatten. Das Mevlana Tekkesi ist Museum und Wallfahrtsstätte zugleich.
Im Innenhof des Klosters können sich die Gläubigen am Reinigungsbrunnen waschen. Rund um den Hof sind die ehemaligen Derwischzellen, in denen historische Gegenstände, Musikinstrumente und Schriften aufbewahrt sind. Zwei Mausoleen neben dem Hauptgebäude bergen die Sarkophage der Emire von Karaman.
Durch einen Vorraum gelangt man, nachdem man die Schuhe ausgezogen hat, in den Hauptraum. Durch die andächtige Stille erklingt Sufimusik. Gläubige beten vor den großen Sarkophagen hinter dem silbernen Gitter auf der rechten Seite, in denen der Mevlana (Meister) und sein Vater aufgebart sind.
Auf der linken Seite finden sich die Gräber seiner Nachfolger. In den Vitrinen liegen handgeschriebene Korane mit Goldverzierungen aus dem 13. Jahrhundert. Kopfbedeckungen und Gewänder des Mevlanas sind als Reliquie ausgestellt.
Das Wahrzeichen Konyas sollte man auf einer Rundreise nicht verpassen!
Das Mevlana-Kloster in Konya (Bild: Reisefieber)
Was macht den Sufismus im Westen so beliebt?
Auf dem Islam basierend, sind die Lehren Rumis tolerant und weltoffen. Er ist nicht politisch und erhebt, im Gegensatz zu anderen aktuellen Strömungen, keine Machtansprüche. Seine Lehre basiert auf der Liebe. Der Mensch lernt in der Liebe zu Gott in Harmonie zu leben und seine Mitmenschen sowie alles von Gott geschaffene zu lieben.
Der Gründer der Türkischen Republik, Mustafa Kemal Atatürk, hatte im Jahre 1925 öffentliche religiöse Aktivitäten verboten. Auch die Tanzenden Derwische waren davon betroffen. Seit 1954 dürfen sie wieder tanzen. Die Tanzzeremonie des Mevlevi-Ordens wurde in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
Bei den orthodoxen Muslimen ist der Sufismus aufgrund seiner unpolitischen offenen Ansichten verpönt.
Seine schöne Sprache und die Mystik faszinieren auch Künstler im Westen. So veröffentlichte Madonna in einem Projekt von Deepak Chopra auf dem Album "A Gift of Love" Gedichte des berühmten Mystikers. Mit dabei sind Demi Moore, Martin Sheen, Goldie Hawn, Coleman Barks und einige andere.
Es finden sich mehr Werke zu Rumi im Westen als im Osten.
Der Derwischtanz
Derwischtänze können außerhalb Konyas in vielen Orten der Türkei bewundert werden. In Ürgüp findet eine sehenswerte 50-minütige Vorstellung statt. Fotografieren und Filmen ist dabei verboten. Die hohen braunen Hüte symbolieren den Grabstein, das weiße Gewand das Leichentuch und der schwarze Umhang alles Irdische, welches der Tänzer vorher ablegt.
Die Zeremonie wurde auf unserer Rundreise für 20 Euro angeboten.
A Gift of Love - Music Inspired by the Love Poe... | Maulana Rumi: Gedichte aus dem Diwan-e Schams-e... |
Lesenswert:
Sufismus - der unbekannte Islam. Ein Interview mit dem Autoren Gerhard Schweizer auf der Seite Quantara (Projekt der Deutschen Welle in Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut, dem Institut für Auslandsbeziehungen sowie der Bundeszentrale für politische Bildung. Herr Schweizer hat das gleichnamige Buch über den Sufismus herausgegeben.
Bildquelle:
Reisefieber
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