Tag des Buches und Don-Quijote-Jahr
Der diesjährige Welttag des Buches stellt vor allem Shakespeare und Cervantes in den Mittelpunkt.Ehrungen zum Welttag des Buches 2016 für Shakespeare und Cervantes
Der 23. April ist also auch der 400. Todestag von William Shakespeare. Er wird zur Zeit dominiert von der Diskussion darüber, wer er nun wirklich war und ob er seine Stücke selbst verfasst habe? Oder war es nur ein Pseudonym für Christopher Marlowe, der sich damit vor Verfolgung schützen wollte? Egal, geehrt und gefeiert wird er jedenfalls ausgiebig: Shakespeare-Festivals finden nicht nur in England, sondern auch in Deutschland, Serbien, Polen, Ungarn, Spanien, Dänemark und zahlreichen weiteren Ländern statt.
Cervantes' Geschichte von Don Quijote gilt als das bedeutendste literarische Werk
Diesen William Shakespeare halten viele für den bedeutendsten Dichter aller Zeiten mit seinem gewaltigen Werk. Aber als man vor etlichen Jahren 100 Feuilletonredakteure nach dem wichtigsten Werk der europäischen Literatur befragte (Quelle: keine geringere als die Wochenzeitung DIE ZEIT), da gewann nicht eines der blutigen Dramen des Dichter aus Stratford on Avon, sondern der Roman " El ingenioso hidalgo Don Quixote de La Mancha" (wie er im Original heißt) von Miguel Cervantes. Im übrigen ist es nach der Bibel das meist veröffentlichte, übersetzte und kommentierte Buch der Welt.
Einer der besten Kenner des Don-Quijote-Themas ist der Lehrstuhlinhaber für Französisch und Spanisch an der Universität von Tetuan, Marokko, Professor Ahmed Oubali. Für ihn ist in Kurzfassung Don Qujjote vor allem eine Parodie auf die Ritterschaft, die im ausgehenden 15. Jahrhundert ihren Höhepunkt überschritten und im Abschwung war. Er weist übrigens auch eine arabische Vorlage dazu nach.
Hier der Ritter auf einer Brandmauer in Estepona, Costa del Sol (Bild: Gemeinde Estepona)
Wie modern ist Don Quijote?
Professor Ahmed Oubali sieht zwei Gesichter des "Ritters von der traurigen Gestalt": ein komisches und ein tragisches. Diese zwei Seelen in unserer Brust, die durch eigene Figuren symbolisiert werden, kennen wir ja bestens aus Doktor Faustus von unserem größten deutschen Dichter, Johann Wolfgang von Goethe.
Bei Cervantes ist es also der idealistische Don Qujote, der Visionen hat und nicht so sehr auf dem Boden der Realität steht, während sein einfacher Begleiter Sancho Panza der bodenständige Typ ist, den eigentlich nur seine Grundbedürfnisse wie Essen und ein Dach über den Kopf interessieren. Letzterer wird aber nach Oubali in Band 2 der eigentlich Intelligentere, der die Wirklichkeit richtig einschätzen kann. Im Zweiten Band kommt es übrigens auch zu ersten Verfremdungseffekten - weit vor Brecht also, dem Protagonisten dieser dramaturgischen Technik schlechthin!
Meister der Anagramme
Oubali deckt auch die Anagramme (Buchstabenversetzrätsel) des Cervantes in diesem Buch auf: Dulcinella, die Angebetete, die vom Helden überhöht wird, obwohl der praktisch denkende Sancho Panza im zweiten Band deutlich sagt, das sie hässlich sei und nach Knoblauch stinke, ist ein Anagramm von "Aldonza", ein Schimpfwort für eine Fau, denn es reimt sich auf "Verguenza", das heißt Schande.
Ähnlich verfährt er mit dem Ross des Ritters, der Rocinante, denn es kommt von "Rocin", was eher Schandmähre bedeutet. Cervantes überhöht es durch die Silbenanfügung ins Literarische. Don Qujote selbst leitet er her aus dem Französischen von "Gigot", was sexuell stürmisch bedeutet, zusätzlich mit einer Mischung aus Schafott. Und so gibt es noch einiges mehr.
Dies alles dient Cervantes dazu, Kritik an der Monarchie und ihren Gefolgsleuten zu üben nach der Wiedereroberung Spaniens und der Vertreibung der Mauren. Das konnte er damals in Zeiten der Inquisition, die das Werk übrigens für drei Jahrhunderte auf den Index setzte, nur mit diesen Allegorien ausüben. Damit ist das Werk aber nicht rein spanisch oder individuell zu sehen. Dieses Thema der Auseinandersetzung mit der Obrigkeit und den Armen in der Gesellschaft ist ein existentielles Thema des intellektuellen Europas.
Dulcinella in Eisen (Bild: Gabriele Hefele)
Sind wir mehr Quijote oder Sancho Panza?
"Du bist ein echter Qujote", sagt man in Spanien leicht spöttisch aber nicht böse gemeint zu einer Person, die sich vehement für etwas einsetzt, Visionen hat und ihnen nacheilt, die idealistisch ist, eben im übertragenenen Sinne auch aussichtslose Kämpfe gegen Windmühlen nicht scheut. Aber wie stünde es dann mit den Sancho Panzas? Das sind eben die bodenständigen Typen, die sich vor allem dafür interessierten, dass sie immer einen vollen Magen und ein Dach über dem Kopf hätten, gutmütig zwar die Quijotes begleitend, aber innerlich den Kopf schüttelnd über ihre Herrschaft.
Aber sind wir uns da nicht einig? Dass ein Mensch in der Regel von beiden Typen etwas in sich vereine, also zwei Seelen in unserer Brust schlügen. Und da wären wir ja auch wieder bei unserem deutschen "Faust". Hat nicht jeder etwas vom strebenden, suchenden, besessen arbeitenden Doktor Faustus in sich, aber auch vom lockeren, genießenden, schlitzohrigen Mephisto? Der eine mehr von jenem, der andere mehr von diesem.
Gehören Sie also mehr zu den Quijotes oder den Sancho Panzas?
Quelle:
Wer Spanisch kann, dem sei die hier verwendete Quelle der Vorlesung "La Inversion de los signos en el Quijote" von Ahmed Oubali empfohlen: https://culturaenabierto.com/2016/03/24/conferencia-en-tetuan-sobre-la-inversion-de-los-signos-en-el-quijote-por-el-profesor-ahemed-oubali/
Tipp:
Die spanische Nationalbibliothek Madrid bietet auf ihrer Website unter anderem zum Herunterladen die ersten Ausgaben beider Teile von "Don Quijote" an bis hin zu den jüngsten Neuauflagen, Übersetzungen in andere Sprachen und "Quijote-Landkarten", die die Reisen dieser berühmten Figur nachvollziehen.
Bildquelle:
Gabriele Hefele
(Wie schreibt man eine Glosse, Anekdote, Satire?)