Katana-Braut Michonne ohne Katana

Mit Episode 1 der dreiteiligen Serie "The Walking Dead: Michonne" bekleckerte sich Telltale Games weder mit Ruhm, noch mit dem erstaunlich spärlich fließenden Blut. Hauptkritikpunkte waren die kurze Spieldauer, der uninspiriert wirkende Plot und die größtenteils uninteressanten Charaktere. Was die Spieldauer anbelangt, hat sich wenig geändert: Nach gut anderthalb Stunden – gemächliche Spielweise und gründliche Erkundung der Spielwelt vorausgesetzt – flimmert der Abspann über den Bildschirm. Immerhin wurde der Action-Anteil erhöht, auch wenn dieser oftmals darin besteht, Infizierten die Rübe abzuhacken.

Mit der Machete, nicht mit Michonnes ikonischem Katana, was das Äquivalent zu Batman im Spiderman-Kostüm darstellt, um auf Telltales aktuelles Projekt zu sprechen zu kommen. Denn bei aller Sympathie für das unabhängige Entwicklerstudio kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass "The Walking Dead: Michonne" bestenfalls halbherzig als Cash Cow nachgeschoben wurde, während sämtlicher Fokus auf die 2016 erscheinende "Batman"-Adaption gelegt wurde. Anders lässt sich die einfallslose Story kaum erklären: Michonne flüchtet mit der jungen Sam an ihrer Seite vor dem psychopathischen Geschwisterpaar Randall und Norma.

Überraschungsfreie Überraschungen

Natürlich soll und wird an dieser Stelle nicht gespoilert. Das Erstaunliche ist aber: Man kann Episode 2 von "The Walking Dead: Michonne" gar nicht spoilern, da es die aus den ersten beiden Staffeln berühmt-berüchtigten Twists schlichtweg nicht mehr gibt. Vielmehr hat man das alles schon zig Mal gesehen, nur spannender und besser aufbereitet. Schlimmer noch: Die "überraschenden Momente" lassen sich meilenweit vorhersehen. Nun möchte der Rezipient nicht unfair erscheinen, weshalb er in Betracht zieht, gewissermaßen Dank der genialen ersten beiden Staffeln "abgestumpft" gegenüber den "Überraschung!"-Szenen geworden zu sein.

Keine Ausrede möchte er jedoch für die flachen Charaktere gelten lassen, die allesamt lediglich wie Staffage für die große Michonne-Show wirken. Wer ins Gras, Blei oder was auch immer beißt, bleibt unerheblich, nachdem die Figuren eindimensional abgehandelt werden. Was für ein Riesenunterschied zu den ersten beiden Staffeln, als man um Clem, Lee, Kenny & Co. bangte und alles daran setzte, sie zu retten. Natürlich zieht Telltale Games die "trauernder Elternteil"-Karte, aber das Manöver ist zu durchschaubar. Interesse für eine Figur sollte durch ihre Handlungen geweckt werden, nicht durch emotionales Hijacking.

The Walking Dead: Michonne: Redundaz reloaded

Insgesamt betrachtet kann man selbst als Fan der Serie Episode 2 von "The Walking Dead: Michonne" die Überhand nehmende Redundanz nicht mehr leugnen: Von den überraschungslosen "Überraschung!"-Momenten angefangen über die nach Schema F gestrickten Wegwerfcharaktere der Marke: "X trauert um Y und ist deshalb zynisch geworden" bis hin zu sich wiederholenden Mustern wie einer Szene, in der eine Wunde behandelt werden muss, dreht sich die Serie im Kreis, wobei der Abrieb leider immer größer wird, sodass der Kern kleiner und kleiner gerät.

Kurzum: Episode 2 ist weder die erhoffte starke Steigerung gegenüber der enttäuschenden Auftakt-Episode, noch der schweißtreibende Cliffhanger zur abschließenden dritten Folge, die im April 2016 erscheinen soll. Falls man sich darüber ärgerte, dass es nur drei Episoden von "The Walking Dead: Michonne" geben wird, muss man diese Meinung revidieren: Ganz offensichtlich investierte Telltale Games keinen Funken Kreativität und Herzblut in seine einstige Parade-Serie und serviert einen dahinplätschernden Aufguss ohne Höhepunkte. Manche Dinge sollte man einfach ruhen lassen und besser in guten Erinnerungen schwelgen. "The Walking Dead: Michonne" ist der unrühmlichste Beweis dafür

rainerinnreiter, am 02.04.2016
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Bildquelle:
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