Der ehemalige Rodeostar als ...

Der ehemalige Rodeostar als Werbeprodukt - Stephan Möller-Titel (Bild: Lars Krüger)

Ein kotzendes Pferd wird gerettet

An der Bühnenwand prangt eine Firmenschild: ampo industries. Ein hurtig herumsprengendes Pferd ist abgebildet, ganz in Magenta gehalten. Eine in Mode gekommende Farbe, von der mittlerweile auch die FDP Besitz ergriffen hat. Wir sehen Musikinstrumente und Cowboys, hören ein themenentsprechendes Gedudel mit authentizitätsverheißendem Banjo. Das Pferd Rising Star erklimmt die Bühne. Es ist der Schauspieler Christopher Weiß, der mit nacktem Oberkörper und Pferdemaske auftritt und ein kurzes Interview führt. Das Vorzeigetier macht Anstalten, auf die Bühne zu kotzen. Sunny Steele (Stephan Möller-Titel), ein anscheinend empfindsamer Mensch, kann es nicht mit ansehen und überführt das unter Vertrag stehende Pferd in seine fühlige Machtvollkommenheit. Ein bisschen Ästhetik liefert ein Wand-Schattenspiel mit Pferdekopf. Die unermüdliche, aufstiegsfreudige Fernsehreporterin Hallie Martin (Fritzi Oster) begleitet leidenschaftlich Steels Aktionen, doch nicht unbedingt aus humanistischen Gründen. Eher aus öffentlichkeitsgierigen Karrieregründen. Fritzi Osters Minenspiel: Plump übergestülpte Nettigkeitsmasken, jederzeit fernsehgerecht reproduzierbar. Damit sich auch der Zuschauer daheim und erst recht der Theaterzuschauer selbst bei zweifelhaften Geschichten wohlfühlt. Das Fernsehen als fassadäre Unterhaltungsshow, spannender als die Sportschau, auch wenn die Protagonisten darunter leiden. Der Regisseur Vierhuff inszeniert eine Umarmung vom barmherzigen Steele mit Pferd – vor laufender Kamera. Offensichtlich ein gewaltiges Ereignis für die Nachrichten. Automatisch wird man dazu verführt, an umgekippte chinesische Reissäcke der quotenfixierten Tagesschau zu denken. Immerhin geht es auch ums Geld, um die monetäre Inkompetenz von Teilen der Wirtschaft.

 

Christopher Weiß, Stephan Möller-Titel, Fritzi Oster

© Friedericke Schulz

 

Das Gefühl als Opfer der Unterhaltung

Während ein Pferderennen inklusive Reportage stattfinden, befinden sich drei als Podeste gedachte Sockel, ein Barhocker und eine teilweise abgebrochene Wand auf der Bühne. Visuell ausreichend genug, um ein wenig bei der Philosphie des spartanisch lebenden Kant Halt zu machen. Etwa fünf Sätze über die in Königsberg ausgebrütete Moral, mit dem Ergebnis, dass es auch des Individuums Pflicht ist zu entscheiden. Dieses kurze Intermezzo ist dazu angetan, die Inszenierung geistig aufzuwerten – tut es aber nicht. Weil es oberflächlich und übertrieben unterhaltsam weitergeht. Letzlich kommt es zu einer Knutschszene, bei deren Darstellung das Seelische zu kurz kommt, als habe die beiden nur die Gier angetrieben. Der Pferdedieb und die dynamische Pressefrau haben zueinander gefunden und wollen nur noch privat weiterleben. Wenn die bei Halbpromis gern herumschnüffelnde Konkurrenzpresse sie lässt. Angesichts des durchaus interessanten Themas ist es ein Werk, das mit unpräzisen, flatterhaften Pinselstrichen arbeitet, ohne klare Konturen zu setzen. Eventuell anvisierte Anklagen bezüglich der Öffentlichkeit verschwinden unter einer Oberfläche, die auf pure Unterhaltung setzt. Für den durchaus kritikfähigen Theaterdiscounter ein verschenkter Abend. Zum Schluss hört das Publikum: Konsum macht unfrei. Ein Schlagwort der damaligen westlichen linken Szene. Da ist man – angesichts eines Films aus dem Jahr 1979 – ungewollt zeitgemäß.

Der elektrische Reiter

Von Gero Vierhuff

Regie: Gero Vierhuff, Bühne/Kostüm: Marcel Weinand, Dramaturgie: Laura Jakschas.

Es spielen: Christopher Weiß, Stephan Möller-Titel, Fritzi Oster.

Theaterdiscounter, Aufführung vom 2. März 2017

Dauer: ca. 80 Minuten

 

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