Im dunklen Wald wird scharf geschossen

Im dunklen Wald wird scharf geschossen (Bild: © Malte Schlösser Produktion)

Verbrecher haben auch Empathie

Der böse Kapitalismus und seine Verhältnisse also. Wer aber nun gedacht hat, dass zu einer umfassenden Kapitalismuskritik ausgeholt wird, sieht sich rasch getäuscht. Zwei junge Frauen erscheinen auf der Bildfläche, und mit ihnen ändert sich auch die Kulisse. Konnte man sich zuvor nur an einer blauen Vorhangattrappe delektieren, so ist es nun eine authentische grüne Gardine, die nach dem Wegziehen den Blick auf einen flirrenden Lametta-Hintergrund freigibt. Ein existentieller Diskurs entsteht, ausgeführt von besagten Frauen, deren Fundamentalerwartungen vom Leben nicht mit dem Realen zusammenfallen. Die eine trägt ein rosafarbenes Kleid nebst verbittertem Gesicht, die andere sitzt blutüberströmt in Straßenkleidung auf einem Stufenpodest. Beide reflektieren übers Leben und was es für Probleme aufwirft, Liebesunfähigkeit etwa und den unausgesprochenen Zwang zur Selbstoptimierung. Während sich mittlerweile einige Zuschauer darüber fragen, wie viel Pollesch in diesem Projekt drinsteckt, sind die Frauen bei Therapeuten angelangt, die auf Achtsamkeit und Loslassen setzen. Vielleicht Empathie? Nein, die haben auch Verbrecher mit ihren Opfern. Und immer trifft man/frau die falsche Wahl, weil es immer eine bessere Wahl gibt – ein Teufelskreis. Danach tauchen zwei präpubertäre Mädchen auf, die das Ganze etwas verspielter und vor allem entspannter sehen. Unbekümmertheit statt privater Defätismus.

 

Ganz unten besteht die Hoffung auf Anschlussfähigkeit

Das darauffolgende Video könnte eigentlich zum Höhepunkt des kurzen Abends avancieren, wenn es nicht gar zu sperrig-schräg wäre. Der Regisseur Schlösser taucht höchstselbst auf, mit einem vorgespannten Stoffpferd, da wo sich normalerweise das Genitalsystem befindet. Es gibt auch ein echtes Pferd, auf dem ein Kind sitzt, mit einer Pistole in der Hand. Die in einem grauen Grün-Ton gehaltene Bilderflut wird von Lars Rudolph dominiert, der bei seinen gelegentlichen Fernseh-Auftritten gewöhnlich die bizarre Abteilung repräsentiert und sich auch hier nicht lumpen lässt. Ausgestattet mit einem grotesken Militär-Sakko, lässt er eine schaurige, wie vom Grab herauftönende Stimme erklingen, die vom Leiden Bericht erstattet, aber auch geheime und weniger geheime Sehnsüchte impliziert. Lars Rudolphs Figur hört Chöre, die ihn zu Höherem berufen und sogar eine Machtposition in Aussicht stellen. Wenn das nichts ist. Auch der Ausdruck ‚Anschlussfähigkeit' fällt, und damit das Ringen darum: Es gibt also noch Hoffnung, ganz im Sinne des vorab veröffentlichten Pressetextes. Für Zuschauer, die sich gerne in dunklen chthonischen Welten und ähnlichen, von düsteren Wäldern inspirierten Genres heimisch fühlen, hat diese Episode einen durchaus akzeptablen Unterhaltungswert. Untermalt wird dieser Teil übrigens von einer jederzeit annehmbaren orchestralen Streichermusik, die, wie sich anschließend zeigt, von einem einzigen Musiker bewältigt wird. Den Rest erledigt die Musiktechnikmaschine. Allerdings ändert die musikalische Belebung nichts an der Tatsache, dass Malte Schlösser mit seinen aneinandergeklebten Episoden den Abend gänzlich verschleudert hat. Es ist eine Inszenierung, wie geschaffen für Rezipienten, die sich in Abständen in ihrem Lebensschmerz, in ihren unerfüllten Erwartungen wälzen. Trotzdem liefert der auf Theaterkunst keinen Wert legende Regisseur ein Palliativ, eine vage Zukunftsvision: Die Aussicht auf den Keim einer positiven Veränderung wird bereitgestellt. Man muss es nur wollen.

Es ist nicht deine Schuld, dass das Leben nicht gelingt
von Malte Schlösser
Regie: Malte Schlösser, Dramaturgie: Anna K. Becker, Bühne und Kostüm: Prisca Baumann, Filmcrew: Alexander Malecki, Patrick Burghenn, Konstantina Levi, Zine Lackner, Olivia Reber, Nihal Ünsal, Ivy Pepper Joi, Licht: Patrick Hunka, Ton: Benjamin Lemme.
Mit: Lars Rudolph, Marie Gramss, Martin Sommer, Carolin Wiedenbroeker, Ch. Mäcki Hamann, Pauline Deupmann, Cecily McKechnie.

Theaterdiscounter Berlin

Premiere vom 26. November 2015
Dauer: 70 Minuten

 

 

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