Falk Rößler, im Hintergrund: Nele ...

Falk Rößler, im Hintergrund: Nele Stuhler, Stephan Dorn (Bild: © Gabriela Neeb)

Spiellust wird zur Gewinnsucht

Fux, das sind Nele Stuhler, Falk Rößler und Stefan Dorn. Ihrer aktuellen Arbeit gehen Recherchen voraus, Vorprojekte, bei denen mit Beteiligung der Zuschauer Quize, Kreuzworträtsel und sonstige Wettbewerbe durchexerziert wurden. In der neuen Ausgabe präsentieren sie ihre fragwürdigen Geschenktrophäen, die immerhin einen gewissen Schrottwert besitzen und das Auge wegen der Minimaloriginalität augenblicksweise betören. Der Abend beginnt langsam und zögerlich, schlichter kann eine Performance wohl kaum starten. Die drei Akteur*innen sitzen an einem Tisch und reden weit unter Zimmerlautstärke, von Nele Stuhler ist nur der Rücken zu sehen. Erst als sie sich dem Publikum zuwenden, kommt kontrollierte Fahrt auf. Rößler trägt eine farbenfrohe Toga mit teilentblößter Brust, als sei er ein römischer, mythisch versierter Agent, der trotz partieller Flügellahmheit die Fähigkeiten eines Gewinnspiel-Augurs zu besitzen scheint. Ein neues Phänomen steigt an die Oberfläche: Das der Spielsucht. Man kennt derartige Erlebnisse aus der eigenen Erfahrung: Eine Freundin gewinnt bei einem Kreuzworträtsel einen Mini, absolviert deshalb mit 35 Jahren den einst verschlafenen Führerschein, was den nicht geringen Vorteil mit sich bringt, herumchauffiert zu werden. Bedauerlicherweise gerät sie in eine Gewinn- und Spielsucht, in die ihr näheres Umfeld zwangsweise eingespannt wird. Ähnlich geht es auf der Bühne zu: Hier stehen Addicts, Süchtige, für die das chronische Quiztreiben zum Selbstzweck wird und einen Rausch erzeugt, der schnell in Niedergeschlagenheit und Selbsthader umschlagen kann.

 

Die Allgemeinbildung wird angekurbelt

Die Bühnenidee mit der Quizleidenschaft ist nicht neu. Schon in den westlichen 80er-Jahren gab es einfallsreiche Formationen, die sich mit derartigen Fernsehshows kritisch und stark ironisch auseinandersetzten. Was Fux präsentiert, ist nicht gerade der dernier cri, aber der Reichtum an Esprit und die Leichtfüßigkeit vermögen bei der neuen Variante zu beeindrucken. Auch sickert eine unterschwellige Kritik an der Werbe- und Reklameindustrie durch, die Ende der 60er-Jahre von Horkheimer, Adorno und Marcuse angeprangert wurde. Die Suggerierung und Einhämmerung von künstlichen materiellen Bedürfnissen wird so lange praktiziert, bis sie als natürliche Bedürfnisse empfunden werden. Der Vorteil bei diesem Hobby ist zweifelsohne, dass das Wissensspektrum und die Allgemeinbildung dermaßen angekurbelt werden, um bei einem Quiz überhaupt gegen die Konkurrenz bestehen zu können: Manch ein Dorftrottel kennt sich mittlerweile besser in der Geographie aus als ein Wissenschaftler. Und wer beim Jahrmarkt an einem Schießstand einige Miniballons abknallt, um glorreich eine billige Attrappe zu erhalten, erweitert sein Jagdfähigkeiten und hat obendrein ein leises Triumphgefühl angesichts eines Schwächeren. Übrigens wird auch viel gesungen an diesem Abend. Der Gesang, bei dem die gut aufgelegte Nele Stuhler in höherer Tonlage mitschwingt, erzählt die Performance weiter und erreicht durch seine kitschigen Einlagen eine skurrile Qualität. Gruppenbewegungen entfalten einen leicht humoristisch angehauchten Sog. Ganz am Ende steht ein mit einem weißen Tuch umhüllter Großgegenstand auf der Bühne, wahrscheinlich ein Auto. Der Hauptpreis, endlich. Eine Wiedergutmachung nach all den zeitaufwändigen Rückschlägen. Nun gut, vielleicht hätte man sich den Hauptpreis durch einen gut honorierten Job auch verdienen können. Ohne die jahrelangen, an die Substanz gehenden Beschwernisse.

Flux gewinnt 3/3

Konzept/Texte/Musik/Performance: FUX (Stephan Dorn / Falk Rößler / Nele Stuhler), Technische Gestaltung/Bühne: Jost von Harleßem, Produktionsleitung: Franziska Schmidt (stranger in company), Koproduktion Theaterdiscounter Berlin / Münchner Kammerspielen / Mousonturm Frankfurt / Kaserne Basel.

Theaterdiscounter Berlin

Berlin-Premiere vom 29. Mai 2016

Dauer: ca. 90 Minuten

 

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