(Bild: © Jenny Fitz)

Überdeterminiert und unauthentisch

Anfangs war es eine leere Bühne, doch durch den Einzug wird sie mit schmucklosen Gegenständen und billigem Mobiliar aufgefüllt. Das Zelebrieren der neuen Behausung läuft recht schlicht ab, sie meditieren und tragen dazu passende Kleidung, die aus einem sich um Ästhetik nicht kümmernden Esoterik-Laden stammen könnte. Die Phase der Innerlichkeit und des Zusichselbstfindens ist leider nur kurz, denn grundsätzliche Probleme harren der Bewältigung, etwa das Arrangement der Möbel, was immerhin eine Grundsatzdebatte erfordert. Der Mann (Rowan Blockey), lässig und zögerlich zugleich, redet von einer Steuerung der Dinge und verstellt eigenmächtig die Möbel, schließlich kann die Lage des Bettes von ausschlaggebender Bedeutung sein. Da im Leben nur einer triumphieren kann, gewinnt sie (Ronja Klatt) und wirft sich auf ihn. Ganz leise geht es dabei nicht zu, die Vermieterin (Bettine Beer) erscheint wegen Lärmbelästigung auf der Bildfläche und hört immer die Worte 'überdeterminiert' und 'unauthentisch'. Die gehören zum Vokabular seiner Lebensphilosophie, die sein ganzes Leben bestimmt, auch die Gestaltung der bescheidenen Zufluchtsstätte, die als letztes Refugium vor den Anfechtungen der Außenwelt gilt. Mitunter will es scheinen, als habe der Mann einen leicht pathologischen Charakter, der aber durch den Regisseur Rudolf Krause mit Hilfe von Humor zurückgedrängt wird. Sie streiten sich und küssen sich, ihre Beziehung ist ein Wechselspiel von Zuneigung und Abstoßung. Bei einem solchen Thema lässt sich wohl das Abgleiten in Psycho-Gespräche nicht vermeiden, unterbrochen gelegentlich von etwas bizarren Extravaganzen: Er zieht sich ein Schränckchen über den Kopf, sie spielt mit einem Seifenblasengerät.

 

Sie küssen und sie streiten sich

Die Frage, wer denn nun der Boss sei und die Entscheidungen trifft, war nur eine Frage der Zeit. Eigentlich müsste die Entscheidungsfindung in einem paritätisch besetzten Raum demokratisch ablaufen, aber das gelingt nicht. Die Frau beispielsweise möchte ihm den Gebrauch des Wortes 'logischerweise' verbieten, dem Mann geht es neben der Verwirklichung seiner Lebensphilosophie, zu der jedes noch so kleine Objekt gehört, um seinen Anteil am Bett und er setzt eine imaginäre Linie, um sein Eigentum zu markieren. Die Zumutung, in einem Zimmer gemeinsam zu wohnen und das Alleinsein unmöglich zu machen, führt konsequenterweise in die Brüllerei – und zu in die Luft gesprochenen Liebesbekundungen. "Wir haben uns verändert", wird trocken festgestellt, aber es sind nur die Umstände, die den Traum von der Schönheit zerplatzen lassen. Ihnen ist zum Heulen zumute, doch sie umarmen sich in hysterischer Verschlingung. Der häusliche Mikrokosmos kann nicht die Züge der großen Welt draußen annehmen – daran scheitert der Mann, der hier eher zur Posse gerät. Michael Frayn hat eine absurde Komödie mit einem im Grunde simplen Inhalt geschrieben, die der Regisseur in viel zu großer Bandbreite entfaltet (Dauer: 150 Minuten). Und was machen die beiden am Ende? Selbstverständlich, sie packen – und ziehen um!

 

Hier

von Michael Frayn

Regie Rudolf Krause, Raum Hanna Zimmermann, Eine Produktion von Rudolf Krause und dem TD, Musik Mathias Hainke

Es spielen: Rowan Blockey, Ronja Klatt, Bettine Beer

Theaterdiscounter Berlin, Premiere vom 8. Februar 2018

Dauer: 150 Minuten, eine Pause

 

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