Die Familienfeier

Die Familienfeier (Bild: © JU_Ostkreuz)

Umkehrung der Verhältnisse

Rüping tut gut daran, das Thema Missbrauch nicht allzu sehr aufzubauschen, schließlich ist er kein Chefankläger eines schon oft dokumentierten Gesellschaftsproblems. Er verlegt sich lieber aufs spielerische Element, aufs freie Spiel der Kräfte. Als Spielwiese verfügt er über eine Bühne (Jonathan Mertz), die an ein Klassenzimmer oder einen Kindergeburtstag erinnert. Die Figuren agieren wie erhitzte Gymnasiasten, die ihre Aufgedrehtheit nicht mehr kanalisieren können. Da das Ensemble (Maja Beckmann, Paul Grill, Pascal Houdus, Matti Krause, Svenja Liesau, Christian Schneeweiß) ständig die Rollen wechselt und jeder jeden spielt, werden die Konturen einer Einzelfigur verwischt und die Grenzen zwischen ‚gut' und "böse" geradezu aufgelöst. Heißt das: Jedes Opfer ist auch ein Täter? In diesem Drama, das den Film von Thomas Vinterberg völlig anders variiert, geschieht das in der Tat: Der gedemütigte Christian begeht einen halben Vatermord, indem er Helge vom Familienthron stößt, und damit die Verhältnisse umkehrt. Das gelingt aber erst im zweiten Anlauf, durch einen gefundenen Zettel Lindas, der den Missbrauch quasi belegt. Bis dahin konnte der Patriarch mühelos seinen Chefposten halten und Christian als einen irrlichternden Spinner diskreditieren, der, so die Mutter, an einer überbordenden Phantasie leidet.

 

v.l. Svenja Liesau, Paul Grill, Christian Schneeweiß, Maja Beckmann, Pascal Houdus.

© JU_Ostkreuz

 

Skurrile Geistesblüten

Rüping macht aus der Inszenierung eine langwierige Karnevalsveranstaltung, die der Opulenz huldigt. Unablässig geht ein bunter Konfettiregen herunter und es fehlt nur noch, dass die ‚Reise nach Jerusalem' gespielt wird. Der Regisseur, den auch das Thema Rache nicht interessiert, mag es gern grell, glitzernd und zackig, temporeich und spritzig. Schrille Bilder sind ihm wichtiger als das Narrative, zuweilen hat es den Anschein, als würde die Inszenierung vor lauter Einfällen bersten. Leider geraten diese unablässig sprudelnden Einfälle mitunter flach und uninspiriert, weil der Regisseur mehr auf schrille Bilder, Hampeleien und Fülle setzt. Nicht das Ding an scheint ihn zu bewegen, sondern die Fülle an sich. Der Rumor aus dem Geist der Ulkkultur. Immer wenn man meint, Rüping werde nun endlich seine unsäglichen Verschmocktheiten und schrillen Verbrämungen einstellen, kommt schon wie ein neuer Spaß daher, aber auf tönernen Füßen. So entsteht der Eindruck, Rüping habe die filmische Vorlage nur als Vorwand benutzt, um das, was er unter skurrilen Geistesblüten versteht, hemmungslos ausagieren zu können. Die Quintessenz und der Kern des Dramas werden vom Tohuwabohu drumherum, vom Wegsaufen beinahe zugekleistert.

Das Fest
nach dem Film von Thomas Vinterberg und Mogens Rukov.

Bühnenfassung von Bo hr. Hansen, übersetzt von Renate Bleibtreu
Regie: Christopher Rüping, Bühne: Jonathan Mertz, Kostüme: Lene Schwind, Musik: Christoph Hart, Dramaturgie: Bernd Isele.
Mit: Matti Krause, Maja Beckmann, Pascal Houdus, Svenja Liesau, Paul Grill, Christian Schneeweiß, Norbert Waidosch (Piano).

Aufführung vom 11.Mai 2015

Theatertreffen Berlin 2015

Schauspielhaus Stuttgart
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

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