Christiane von Poelnitz (die ...

Christiane von Poelnitz (die Mittlere), Stefanie Reinsperger (die Junge), Elisabeth Orth (die Alte) (Bild: © Georg Soulek)

Das Pflichtbewusstsein einer Unpolitischen

Die Alte ist aktuell 96 Jahre alt, obwohl im Programmheft 90 Jahre angegeben ist. Sie ist etwas dement, starrsinnig und bäumt sich gegen ihr Schicksal auf, obwohl sie für ihr Grab schon im Voraus gezahlt hat. Eigentlich eine sympathische Alte, die trotz abnehmender Kräfte mit Würde weiterringt und ein spontanes Gefühl der Empathie wachruft. Aber die Vergangenheit lässt sich nicht vergessen machen, und Vergangenheit bedeutet konkret der Mai 1945, als Wien schon gefallen war und sich Hitler noch ein paar Tage Gnadenfrist gönnte. Da begab es sich, dass die Alte einen jungen Soldaten am Telefon belauschte und seine Absicht "abzuhauen" sofort der zuständigen Behörde meldete. War das nur das österreichische Pflichtbewusstsein einer angeblich Unpolischen – oder gar unmotivierte, reine Boshaftigkeit? Egal wie weit die Mittlere und die Junge in sie dringen, eine innere Blockade oder die mürbe werdende Konsistenz ihrer Gehirnfasern hemmen ihre Aussagen. In diesem Stück dreht sich fast zu viel um ein Geheimnis, das nie ein offenes sein wird. Was soll man nun mit dieser Figur anfangen? Den Alterskampf bewundern oder die gräuliche Tat verabscheuen? Dank der Leistung von Elisabeth Orth wird aus einer verlebten Schabracke ein Mensch, der trotz seiner widerlichen Kollaboration mit den Restbeständen des NS-Staates immer noch etwas Seelengröße besitzt. Obwohl keine Heilige, scheint sie zumindest geläutert.

 

Stefanie Reinsperger, Elisabeth Orth

© Georg Soulek

 

Wie surreale Geschöpfe

Die Hundsmäuligen (Petra Morzé, Sylvie Rohrer, Sabine Haupt, Alexandra Henkel), neugierig, derb zuweilen, ohne Gefühl für Distanz und geschwätzig wie alte Waschweiber, wechseln häufig die Einheitskostüme und haben einmal dermaßen gestylte Frisuren, dass man sie für surreale oder futuristische Geschöpfe halten könnte. Sie steigern das Tempo, kommentieren die Ereignisse und sorgen dafür, dass sich die drei Frauen nicht bis zur Erschöpfung zerreiben. Im Grunde hat Palmetshofer nur ein dünnes Textgerüst abgeliefert, das Borgmann quasi auffüllen muss. Manche Passagen sind schlichtweg schwach, wenn z.B. die Junge sagt, "Wer ‚A' sagt muss auch ‚B'/ der muss auch ‚B' muss der..." dann hört man nicht mehr, man sieht nur noch die überkompakte Stefanie Reinsperger, wie sie ihre Lippen bewegt und ihre Gesichtsmuskeln einsetzt. Ohnehin ist Robert Borgmann ein generöser Regisseur: Er lässt seinen Schauspielerinnen ausreichend Freiraum für die Entfaltung ihres Könnens. Skurril und etwas befremdlich wird es beispielsweise, wenn die erhitzte Mittlere mit der Axt auf einen Tisch schlägt oder die Junge das Akkordeon mit der Schnapsflasche vertauscht und über einen nächtlichen Quickie schwadroniert. High-Heels auf Dreck: Der Boden ist mit Erdhaufen bedeckt, als befinde man sich in einem umarrangierten Viehschuppen. Am Ende fühlt sich die Mittlere wie Elektra, um zu verbrennen ihre Herkunft, ihren Mutterstamm. Aber verbrannte Erde hat sie nicht hinterlassen. Wer nie ganz in das Drama reinfindet und nicht mit ihm warm wird, kann sich wenigstens an den Schauspielerinnen delektieren.

die unverheiratete
von Ewald Palmetshofer
Regie und Bühne: Robert Borgmann, Kostüme: Janina Brinkmann, Musik: Webermichelson, Licht: Peter Bandl, Dramaturgie: Klaus Missbach
Mit: Stefanie Reinsperger, Christiane von Poelnitz, Elisabeth Orth, Petra Morzé, Sylvie Rohrer, Sabine Haupt, Alexandra Henkel.

Inszenierung vom Burgtheater Wien

Theatertreffen 2015

Aufführung vom 6. Mai 2015
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, keine Pause

 

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