Ekel als Behandlungsprinzip

1945 nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auch in Deutschland gehungert. Die Erfindungsgabe bei der Beschaffung von Nahrungsmitteln waren keine Grenzen gesetzt und so wurden mineralische Fette - Nähmaschinenöl, Stearinkerzen und Schmierstoffe - beispielsweise zum Braten der wenigen noch vorhandenen Kartoffeln verwendet. Mineralisches Fette sind für den Organismus hochgiftig und so kam es zu Entzündungen der Gallenblase mit der Folge ihres Verschlusses. Dabei verfärbt sich zunächst das Weiße im Auge gelb und danach die Haut am ganzen Körper. Zu dieser Zeit waren Medikamente ebenso Mangelware wie Ärzte und so kam man auf die Idee, den Ekel als Therapeutikum einzusetzen. Es wurde empfohlen, den "Gelbsüchtigen" anzuspucken. Vermutlich wird der eine oder andere Leser, allein schon bei dieser Beschreibung Ekelgefühle empfinden, wie viel stärker müssen diese Empfindungen jedoch bei derartig "Behandelten" gewesen sein?

Um Einwänden entgegenzutreten, muss ich an dieser Stelle erwähnen, dass dieses Vorgehen in einem Fall in meiner Umgebung wirksam war. Die Frage ist, was der Ekel bewirkte? Die Erklärung dafür lässt sich aus der alten chinesischen Medizin ableiten. Nach dieser Hypothese ist es die Lebensenergie, 'Chi" genannt, die alle Lebensfunktionen steuert. Sie durchfließt in einem speziellen Kreislauf den Körper und es entsteht Krankheit, wenn der Fluss ins Stocken kommt. Ziel einer Akupunkturbehandlung ist es, den Energiefluss wieder herzustellen.

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Der Begriff Chi wird gerne von Esotheoretikern verwendet, die mit verklärten, himmelwärts verdrehten Augen verzückt darüber reden, er ist aber dennoch praktisch nachvollziehbar. Das Chi-Gefühl kann mit einem schnell sich durch den Körper bewegenden Kribbeln, Rauschen oder Schaudern beschrieben werden. Es lässt sich durch folgende Situationsvorstellung verdeutlichen:
Stellen Sie sich vor, Sie als ohnehin ängstlicher Mensch befinden sich ganz hinten im Keller einer großen Mietskaserne. Plötzlich erlischt das Licht! In totaler Dunkelheit überkommt Sie das Gefühl, dass hinter Ihnen ein großer, sehr aggressiver Mann mit einem langen Messer stehen würde und zustechen will. Die Schauer, die dabei durch den ganzen Körper laufen, werden vom (in diesem Fall extrem stark) fließenden Chi ausgelöst. 
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Diese Schauer könnten mit den Empfindungen der Angespuckten vergleichbar sein, deren Energiekreislauf dadurch in Bewegung geriet und so Heilung bewirkte. Weiter halte ich es für vorstellbar, dass das eine oder andere Behandlungsvorgehen ebenfalls Ekel als Heilungsprinzip nutzte.

Quelle Pixelio - Miroslaw

Salze in der Therapie

Der Ursprung allen Lebens ist das Meer, an das 0,8 % Salz in unserem Blut erinnern. Salz ist lebensnotwendig, denn es ist zur Bildung nervlicher Impulse unabdingbar. Nerventätigkeit ist die Auswirkung elektrischer Ströme. Diese Ströme liegen im Mykroamperbereich, sind also unendlich schwach aber dennoch lebensnotwendig. Sofern Salz in Körperflüssigkeiten oder auf die Körperoberfläche gebracht wird, wird der elektrische Widerstand vermindert und nervliche Impulse können ungehinderter fließen. 

Ferdinand Hunecke (* 1891, † 1966), Begründer der Neuraltherapie hatte beispielsweise für die Begründung einer Migräneattacke die bildliche Vorstellung, dass sich eine isolierte "Migräne-Insel" im Kopf gebildet hätte. Das mit einem Spannungspotenzial von 100 Volt gegenüber der normalen Umgebung von 10 Volt. Durch die intravenöse Injektion eines lokalen Betäubungsmittels (Prococain, Anästhetikum z. B. beim Zahnziehen) verbesserte er die elektrische Leitfähigkeit im Körper und konnte so die Migräne-Insel abbauen. Denselben Effekt hätte er, und dazugab es später erfolgreiche Behandlungsversuche, durch Injektion einer ebenfalls intravenösen Kochsalzlösung erreichen können.

Ferdinand Huneckes Vorstellung einer Migräne

Wichtig bei diesem Vorgehen war die entfernt von der Migräne vorgenommene Einbringung des Medikamentes. Hätte er, und diese Vorstellung ist natürlich rein hypothetisch, den Wirkstoff ins "Zentrum der Migräne" gespritzt, dann hätten die Beschwerden wegen der damit verbundenen örtlichen Spannungserhöhung, noch zunehmen müssen.

Totes Meer-Salz gibt Auftrieb - Quelle Wikipedida

Psoriasisplaque (Bild: Wikipedia)

Um die Wirkung der Salze zu nutzen, bedarf es nicht der Injektion. Es genügt, sie auf die Haut zu bringen. Darauf basiert die Wirkung des Toten Meeres und die der deutschen Solbäder. So ist beispielsweise das Tote Meer mit einem Salzgehalt von durchschnittlich 28 % dafür bekannt, die Schuppenflechte (Psoriasis) positiv zu beeinflussen. Bei dieser Hauterkrankung sind unterschiedlich viele Stellen des Körpers von Ausschlägen befallen. Zwischen diesen Hautausblühungen, die sich beispielsweise an der Ellenbeuge, dem Haaransatz, einzelnen Stellen des Rücken, den Kniekehle etc. befinden können, liegen Abschnitte mit normaler Haut. Auch hier bietet sich der hypothetische Spannungsvergleich Hunekes an. Dabei haben die krankhaften Hautpartien das Spannungspotenzial von 100 Volt, während die unbetroffenen Stellen mit 10 Volt belegt sind. Durch das Baden im Salzwasser werden auch hier diese Spannungsunterschiede ausgeglichen und die Haut normalisiert sich relativ schnell.

Und hier kriegen Sie Ihr Fett

Nutzen wir das im Zusammenhang mit den Salzen entwickelte elektrische Modell weiter zur Wirkungserklärung der Fette. Ihre Wirkung ist denen der Salzlösungen entgegengesetzt. Sie sind elektrisch nicht leitfähig. Man findet sie deshalb u.a. in Überlandstransformatoren, in denen Ströme mit Spannungen von mehreren tausend Volt auf das verhältnismäßig niedrigere Haushaltsnivau umgesetzt werden. Die beiden Spulen in einem solchen Umsetzer werden durch Öl von einander getrennt, isoliert. Entzündliche Zustände im Körper können sinngemäß durchaus mit Hochspannungsquellen gleichgesetzt werden.

Auf die Körperoberfläche aufgebracht, behindern Fette nervliche Aktivitäten. Diese Eigenschaft wurde seit Jahrhunderten in der Volksheilkunde genutzt. Da wurde bei entzündlichen Prozessen Pferdemark, Murmeltier - und Melkerfett verwendet. Deren Wirkung wurde auch in letzter Zeit für eine apothekenpflichtige Salbe genutzt. Arthrosenex enthielt ursprünglich nur Fett - es sah aus wie Kugellagerfett, es roch wie Kugellagerfett, es war Kugellagerfett. Heute enthält diese Salbe allerdings noch Hydroxyethylsalicylat als zusätzliche entzündungshemmende Komponente.

Die Indikationen der Fette sind entzündlich-rheumatische Erkrankungen und Venenentzündungen. Ich halte dabei die Wirkungen der Fette für sehr gut und in Kombination mit Kälteanwendungen lässt sich dadurch die Menge der (meist nebenwirkungshaltigen) Medikamente vermindern.

Bei der Verwendung von Fetten gegen Entzündungen wird jedoch ein sich möglicherweise gravierend auswirkender Fehler begangen. Es wird geglaubt, dass sie einmassiert werden müssen. Es wird nicht bedacht, dass jegliche Reibung der entzündlich veränderten Areale, der isolatorischen Wirkung der Fette sich entgegengesetzt auswirken muss.

Vorsicht, Ensalada mista - der gemischte Salat

Ich hoffe die Wirkungsweisen der Salze und Fette nachvollziehbar dargestellt zu haben. Ich hoffe weiter, dass mit diesen Erkenntnissen einige alte Rezepte nachvollziehbarer werden und es auch möglich sein wird Überlieferungsfehler zu erkennen. So haben früher Großmütter den Kindern bei Bronchialinfekten oder gar Lungenentzündungen beispielsweise Gänsefett auf den Brustkorb aufgetragen. Nachbarinnen mögen bei den chronischen Erkrankungen ihrer Kinder damit keine guten Erfahrungen gemacht haben. Sie erreichten dann mit Salzwickeln Besserung. Da die Überlegungen dieses Aufsatzes ihnen unbekannt waren, schworen die einen auf Salz und die anderen auf Fett. Frei nach dem Motto, es kann nichts so gut sein, dass es nicht noch verbessert werden könnte, wurden dann wahrscheinlich die guten Dinge kombiniert und deshalb kam vielleicht dazu, dass schwer gesalzenes Fett zur Behandlung fieberhafter Atemwegserkrankungen verwendet wurde.

Diese Überlegungen sind ja auch heute noch längst nicht Allgemeingut und so kommt es auch bei professionellen Mitteln zu derartigen, möglicherweise wirkungsbehindernden Denkfehlern. Gemeint ist damit vicks vaporub. Grundsätzlich handelt es sich hier um die Übernahme eines Großmutterrezeptes von der Industrie. Es besteht vornehmlich aus Vaseline (Fett) und um angeblich die Wirkung zu steigern, enthält es ätherische Öle. Und genau darin liegt der Denkfehler.

Die Fette isolieren entzündliche Reaktionen zurückdrängen, ist nun bekannt. Noch bekannt sein dürfte, dass ätherische Öle als Inhalate reizend auf die Atmungsorgane wirken. Sie sind keineswegs schlecht, ihre Verwendung muss aber dem Zustand angepasst sein. 

Als Leser dieses Textes wissen Sie nun fast alles und würden den Fehler derartige Kombinationspräparate zu verwenden, nun nicht mehr machen.

Doch auch hier wieder, keine Regel ohne Ausnahme.

Angenommen Sie stellen Kräutersalben selber her, dann werden Sie zur Behandlung frischer Verletzungsfolgen eine dementsprechende Kräutersubstanz mit einem Fett, wie z.B. Vaseline mischen. Das macht Sinn, denn die fettige Salbengrundlage reduziert die Entzündung und wird durch die Wirkung des Krautes unterstützt. Was aber geschieht, wenn Sie eine alte und chronische Gelenkarthrose mit einer Salbe behandeln wollen? Der Fettanteil der Salbe hebt die durchblutungsfördernde Wirkung der Heilpflanze auf. Die Leitfähigkeit der Salbengrundlage kann in diesem Fall durch Zugabe von 3 - 5% Kochsalz hergestellt werden.

Klaus_Radloff, am 25.07.2010
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