Wenn Schinken und Gummibärchen tabu sind

Spätestens dann, wenn Kinder in der Kita merken, dass einige ihrer Spielkameraden, zum Beispiel weder Schinken noch Gummibärchen essen dürfen, brauchen diese Kinder eine Antwort auf ihre Fragen nach dem warum.

In einer Befragung gaben über 80 Prozent der Erzieherinnen an, dass sich in ihrer Gruppe Kinder mit einem Migrationshintergrund befinden und die überwiegende Anzahl von ihnen eine andere Religionszugehörigkeit, als die katholische oder evangelische Kirche, haben. Über die Hälfte der Erzieherinnen berichteten, dass die meisten dieser Kinder, aus religiösen Gründen, bestimmte Lebensmittel nicht essen dürfen.

Kulturelle Bildung wird eher akzeptiert

Das bundesweite Forschungs- und Entwicklungsprojekt ermittelten erstmals, durch eine deutschlandweite Befragung von über 2.800 Erzieher und Erzieherinnen, an fast 500 Kitas, die Wünsche und Vorstellungen von Eltern und Fachpersonal in Kindertagesstätten. Demnach wünschen sich Eltern eine bessere religiöse und interkulturelle Bildung ihrer Kinder. Es stellte sich heraus, dass die Notwendigkeit einer kulturellen Bildung, von der Bevölkerung eher anerkannt wird.

Eine Reaktion der Bildungspolitiker wird gefordert

Kita KarlsruheWenn Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenleben wollen oder müssen, kann ein Alltag nur dann funktionieren, wenn sie Respekt voreinander haben und sich mit Toleranz begegnen. Besonders in einer Kita, wo Kinder vorurtelsfrei miteinander aufwachsen, kann dazu ein wesentlicher Beitrag geleistet werden. Kinder, egal welcher kulturellen oder religiösen Herkunft, brauchen Vertrauen in eine gute Zukunft, um zu bodenständigen Menschan aufwachsen zu können

Die Stiftungsvorsitzende Dorothee Hess-Maier betont bei der Stuttgarter Fachtagung dass die Umsetzung einer Bildung in den Kitas, die die kulturellen und religiösen Bedürfnisse intensiver berücksichtigt, auch beim Ausbau und der einrichtung von kommunalen und konfessionellen Kitas, mit allen politischen Möglichkeiten  berücksichtigt werden muss.

Welche Lösungen bieten Politiker an?

Kita MainzDr. Frank  Mentrup MdL, Staatssekretär im Ministerium für Kultur, Jugend und Sport, legt, wie er bei der Fachtagung äußert, Wert darauf, dass besonders Kinder in der Kita sich vorurteilsfrei begegnen sollen und Unterschiede, auch im religiösen Bereich, als Bereicherung erleben sollen. Es gelte generell, Kinder für eine lebenswerte Zukunft zu stärken. Dazu gehöre es, dass Eltern, Erzieherinnen und Erzieher und Tageseltern, so der Staatssekretär, den Wert ihrer Vorbildfunktion erkennen. Im Bezug auf eine religiöse Bildung müssten die Fachkräfte, mit passgenauen Ausbildungsinhalten,  auf die Praxis vorbereitet werden. Er regte die Bildung von Teams aus Erzieherinnen und Erziehern mit unterschiedlichen Konfessionen an. Diese sollten den beteiligten erwachsenen dabei helfen, auch in religiöser Hinsicht, Vorbild die Kinder zu sein. Diese könnten sich über andere Religionen informieren um dann einen eigenen weg beschreiten zu können.

Diese Empfehlungen stehen im Katalog zur interreligiösen Bildung in Kitas

Diese Inhalten sollen zukünftig in der Praxis dabei helfen, Kinder in Kitas interreligiös zu bilden:

  • Eine interreligiöse und interkulturelle Bildung muss ein fester Bestandteil der Ausbildung von Fachkräften werden
  • Im Eltern Erstgespräch sollten die Eltern auf religiöse Fragen und familiäre Prägungen angesprochen werden
  • Wenn eine religiöse Kompetenz bei den Eltern vorhanden ist, macht es Sinn diese zu nutzen
  • Fachkräfte, die in keiner konfessionellen Kita arbeiten, brauchen eine klare Zielbeschreibung bezüglich der religiösen Bildung der Kinder
  • Eine mit Vorurteilen belastete Einordnung der Kinder, nach Religionszugehörigkeit, muss vermieden werden
  • Es sollen religiöse Feste, wie Ostern, Advent, Weihnachten, Ramadan, Opferfest und Chanukka, in der Kita gefeiert werden
  • Sinnvoll ist es Geschichten aus Bibel und Koran zu erzählen;
  • Es förderd das Verständnis, wenn gemeinsam herausgefunden wird, welche Personen in der Bibel und im Koran erwähnt werden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sollen sichtbar gemacht und erklärt werden
  • Zur Information sollen mit allen Kindern Kirchen, Moscheen, Synagogen besichtigt werden
Das ist Religionspädagogik

Ein Religionspädagoge bemängelt, dass Kitas benachteiligt werden

Grundschüler besuchen im Religionsunterricht oft eine Moschee. Der katholische Religionspädagoge Professor Dr. Albert Biesinger regt an, da nur ein verschwindend geringer Teil von Kindergartenkindern dies tun dürfen, neben den Ausflügen zum Beispiel zur Feuerwehr, der Polizei und zum Bäcker, auch gemeinsam in eine Kirche, Synagoge oder Moschee zu gehen.

Es gehe nicht an, so der evangelische Religionspädagoge Professor Dr. Friedrich Schweizer, dass aus Angst vor möglichen Konflikten, die Religion aus den Kitas verbannt werde. Religion sei eine Ressource und kein Problemfaktor. Für ihn ist es unverständlich, warum Fachkräfte und Eltern immer noch nicht auf eine interreligiöse Bildung ihrer Kinder vorbereitet werden.

Seine Forschungstheamkollegin, die Akademi­sche Rätin Dr. Anke Edelbrock, ergänzte mit dem Hinweis und der Frage: Grundschulkindern, egal mit welchem religiösen Hintergrund, wird eine diesbezügliche Begleitung in ihrem Leben garantiert. Warum wird dies im Elementarbereich verweigert?

So wurde in Mönchengladbach Personal für Kitas gewonnen

Wie Fachleute im Jahr 2019 ermittelten, fehlten zu diesem Zeitpunkt, um eine ausreichende Kinderbetreuung in den Kitas zu gewährleisten, in Mönchengladbach etwa 723 Fachkräfte.
Es stellte sich für die Personalverantwortlichen der Stadt die Frage, wie der Bedarf gedeckt werden könnte.
Im Rückblich gesehen war es, wie Klaus Röttgen, Leiter des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie der Stadt Mönchengladbach, erklärt:
"Ein Bündel von Maßnahmen mit denen die Stadt Mönchengladbach den Personalmangel in den Kitas erfolgreich bekämpfte, denn Ende 2024 konnten mehr als 700 elementarpädagogische Fachkräfte eingestellt werden."

Wie konnte der Erfolg erreicht werden?

"Wir suchten mit unterschiedlichen Methoden Mitarbeitende für einen wichtigen Bereich, in dem es Spaß macht zu arbeiten.
Die Maßnahme die die meiste Aufmerksamkeit erregte, war die Anwerbung von 32 gut ausgebildeten spanischen Erzieherinnen die 2020 von der iberischen Halbinsel nach Mönchengladbach kamen.
Sie hatten in ihrer Heimat kaum Chancen auf eine Anstellung, erklärt Röttgen. In Mönchengladbach waren sie herzlich Willkommen und wurden sofort in den Kitas dreier Träger eingestellt.
Um ihnen die Eingewöhnung in eine neue Umgebung zu erleichtern, wurde ihnen in den ersten sechs Monaten eine Wohnung zur Verfügung gestellt."
Offensichtlich ist die Eingliederung gelungen, denn: 18 der 32 Erzieherinnen arbeiten fünf Jahre später immer noch in Mönchengladbach.

Eine weitere Maßnahme die Fachkräfte für die Arbeit in Kitas interessieren soll: Mönchengladbach beteiligte sich ab 2024 am Landesprojekt QiK (Quereinstieg in die Kinderbetreuung).

Was erwartet die Interessenten?

  • Die Teilnehmenden an QiK können in einer zweijährigen fachpraktischen Ausbildung in einer Kita, plus theoretischem Unterricht, ein Zertifikat erwerben.
  • Anschließend können sie in das zweite Ausbildungsjahr Kinderpflege einsteigen und sind nach erfolgreicher Abschlussprüfung stattliche geprüfte Kinderpfleger.

"Wir sind die einzige Kommune, die an diesem Projekt teilnimmt, weil es eine gute Kooperation zwischen Trägern und Arbeitsagentur voraussetzt und wir diese bieten, "sagt Klaus Röttgen.

Das Projekt spricht Menschen an, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, sich bisher zu Hause um ihre Kinder gekümmert haben und jetzt in den Beruf einsteigen wollen.

Die zahlenmäßig erfolgreichste Maßnahme zur Fachkräftegewinnung ist die Weiterqualifizierung von langjährigen in Kitas Mitarbeitenden.

Bisherige Ergänzungskräfte bekommen die Möglichkeit, sich in einem 160 Stunden umfassenden Intensivkurs zur Fachkraft zu qualifizieren.

Wurde die Qualifizierung angenommen?

In den vergangenen vier Jahren haben bisher trägerübergreifend, 85 langjährige Ergänzungskräfte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Zusätzlich wird bei der Suche nach Fachkräften für Kitas über die Branche hinausgeblickt: Berufsfremde wie ehemals Beschäftigte im Verkauf oder in der Gastronomie werden im Rahmen der vergüteten praxisintegrierten Ausbildung (PIA) in drei Jahren zu Erzieherinnen und Erziehern ausgebildet.
Das PIA-Konzept erinnert an die duale Ausbildung: die Teilnehmenden arbeiten 20 Stunden pro Woche in einer Einrichtung und besuchen zusätzlich ein Berufskolleg. Bei diesem Projekt hat die Stadt Mönchengladbach die Information und Koordination übernommen. "

Wir bieten Infoveranstaltungen in allen Bezirken an, betreiben eine Hotline und vermitteln Praktikumsplätze", beschreibt Christoph Cleophas, Teamleiter Personalgewinnung, den ungewöhnlich serviceorientierten und zeitintensiven Ansatz der Stadt.

Doch die Mühe lohnt sich: 65 Personen haben sich seit 2021 zu Erzieherinnen und Erziehern umschulen lassen.
All diese Maßnahmen führten dazu, dass die 2019 prognostizierte Zahl an Fachkräften tatsächlich gewonnen werden konnte.

Die Maßnahmen wurden von einer umfangreichen Öffentlichkeitsarbeit mit YouTube-Video und Kurzfilm, Plakataktion und Webseite, Info-Hotline und Präsenz auf Berufsmessen und Businesstagen flankiert, so dass der Arbeitsbereich Kita stets positiv im Blick bleibt.
Klar ist, dass die Aufgabe der Personalgewinnung für den Kita-Bereich nicht abgeschlossen ist. "Wir müssen dranbleiben", sagt Röttgen. "Wir brauchen auch weiterhin neue und motivierte Erzieherinnen und Erzieher."

Foto: Klaus Röttgen, Leiter des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie der Stadt Mönchengladbach©Stadt MG

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