Gefahr erkannt

SPD und Grüne hatten das Thema auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages gesetzt, und da wurde es denn auch ordnungsgemäß diskutiert. Dabei gelang es dem Parlament schnell, den entscheidenden Punkt an dieser neuen Konvention auszumachen:

"Die Haftungs- und Prozessansprüche, die sich aus der Ratifizierung ergeben könnten, würden sich möglicherweise nachteilig auf Investitionen auswirken, die deutsche Unternehmen in Entwicklungsländern tätigen, erklärte eine Vertreterin der Unionsfraktion..." (Zitat: www.klimaretter-info)

In der Tat, da hat die Vertreterin der Unionsfraktion vollkommen recht. Genau das war der Grund, warum die Vereinten Nationen diese Konvention überhaupt erarbeitet haben. Sie sollte sich nachteilig auswirken auf diejenigen Investitionen in Entwicklungsländern, bei denen die Rechte der Ureinwohner mit Füßen getreten werden. Und als Mittel zu genau diesem Zweck hatten die Vereinten Nationen Haftungs- und Prozessansprüche vorgesehen.

Zusammenkunft in der Kalahari I (Bild: Okavango)

Prioritäten gesetzt

Ganz nebenbei bemerkt: Das haben Menschenrechte generell so an sich. Sie dienen dem Schutz des Schwächeren vor wirtschaftlichen oder politischen Interessen Stärkerer. Deshalb stellt sich in ihrer Diskussion auch immer ein wenig die Gretchenfrage: Wie hältst Du's mit dem Schutz der Schwachen? Bist Du bereit, Deine eigenen Interessen zurückzustellen?

Während der Zeit des Kalten Krieges waren auch die Menschenrechte fein säuberlich aufgeteilt. Der Osten kümmerte sich um die wirtschaftlichen Rechte, der Westen um die politischen. Auf diese Weise konnte man dem jeweils anderen bequem Vorwürfe machen, ohne selbst groß etwas zu ändern.

Nun, diese Zeiten sind vorüber, und der Deutsche Bundestag hat seine Prioritäten gesetzt und die Konvention nicht ratifiziert. Mit der oben genannten Begründung: Es könne der deutschen Wirtschaft schaden, wenn die letzten indigenen Völker der Welt geschützt würden.

Es handelt sich dabei um etwa 350 Millionen Menschen, verteilt auf über 70 Länder. Die Vereinten Nationen wollen, dass diese Menschen ihre Lebensgrundlagen behalten und ihre Religionen, Sprachen, Sitten und Weltanschauungen bewahren können.

Wirtschaft gestützt

Der deutsche Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel ist seines Zeichens ein Wirtschaftsfachmann. Dementsprechend sieht er sein Ministerium - das er im Wahlkampf noch hatte abschaffen wollen - als Schrittmacher deutscher Investitionen im Ausland. Bezeichnend für seine Einstellung ist der Spruch, der zu Beginn seiner Amtszeit von ihm kolportiert wurde, Deutschland sei "kein Weltsozialamt".

Jahrzehntelang vertrat Entwicklungshilfe die Devise, Wirtschaftsinvestitionen in arme Länder seien per se gut, und für die Hungernden der Welt werde irgendwann etwas von dem Segen "durchgesickert" kommen. Es hat sich inzwischen herausgestellt - zu Dirk Niebel aber noch nicht herumgesprochen -, dass dem nicht so ist. Viele kleine Landpächter zu verscheuchen und große Latifundien mit Monokulturen zu schaffen, gibt zwar einigen Landarbeitern Lohn und Brot, vertreibt aber gleichzeitig viele Menschen von ihrem Land. Von den ökologischen Folgen ganz zu schweigen. Fabriken, die Güter des täglichen Bedarfs herstellen, bringen ortsansässige Handwerker um ihre Lebensgrundlage, und nur wenige Fabrikarbeiter werden gebraucht.

Die Wirtschaft - auch die deutsche - ist eingebettet in ökologische und humanitäre Zusammenhänge, denen sie nicht entgehen kann, solange sie keine eigene Welt für sich alleine findet. Daran versuchen die Menschenrechte und andere Initiativen der Vereinten Nationen, wie der Global Compact, zu erinnern. Beim Deutschen Bundestag ist ihnen das nicht gelungen: Genau das, was die Vereinten Nationen mit ihrer Menschenrechtskonvention erreichen wollen, betrachten deutsche Politiker als Ablehnungsgrund.

Das ist dreist. Sie hätten sich schon die Mühe machen können, ihre Beweggründe ein wenig zu verschleiern, wie das so üblich ist. Ich erinnere da nur an einen Bundespräsidenten, der zurücktreten musste, weil er gesagt hatte, dass in Afghanistan "auch wirtschaftliche Interessen" Deutschlands verteidigt würden. Die Worte der CDU-Sprecherin stehen dem an unverblümter Offenheit in nichts nach.

Der Ahnen gedenkend (Bild: Tony Abeyta)

Das Titelbild dieses Artikels ging um die Welt. Es zeigt Akiaboro, den Häuptling der Kayapo-Indianer in Brasilien. Er hat soeben erfahren, dass auf dem Land seines Volkes - trotz allen Widerstands, trotz allen, auch internationalen, Protestes - der umstrittene Belo-Monte-Staudamm gebaut werden wird. 

 

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