Wie entsteht Verbitterung?

Nach außen hin wirken die Betroffenen tatsächlich wie depressiv. Lässt man sie zu Wort kommen, stellt man fest, dass sich bei Verbitterung und Verbitterungsstörungen andere Gefühle als die für Depressive typische Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit dahinter verbergen, ihre Gedanken sind nämlich vielmehr von Wut, Trauer und Verbitterung dominiert. Die Menschen können zugefügte Ungerechtigkeiten nicht vergessen und auch lange Zeit später haben sich die negativen Gefühle nicht abgebaut. Erst seit wenigen Jahren findet dieses Krankheitsbild in der Forschung Beachtung. Posttraumatische Verbitterungsstörung heißt es in der Fachsprache.

Jeder verbitterte Mensch reagiert anders

Verbitterte Menschen sind missmutig und ohne Freude, sie sind oft pessimistisch und tragen einen mehr oder minder stark ausgeprägten Hass in sich, auch Vergeltungs- und Rachegedanken sind häufig.

Wer eine Ungerechtigkeit erfährt, reagiert normalerweise zuerst mit Protest, manchmal auch in recht aggressiver Form. Anschließend machen sich Wut und Enttäuschung breit. Letztendlich resignieren die Betroffenen und ziehen sich zurück, wobei sie meistens die Schuld nur bei anderen suchen. Für sie zählt nur die eigene Perspektive, die Sichtweise von anderen Beteiligten wird gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Gerade eine Beschäftigung mit einer anderen Perspektive wäre aber nötig, um die Situation bewältigen zu können. Verbitterte Menschen stehen sich also mit ihrer beengten und beengenden Sichtweise selber im Weg.

Posttraumatische Belastungsstörung und posttraumatische Verbitterungsstörung

Die Belastungsstörung kann entstehen, wenn eine Person ein Erlebnis mit besonders katastrophalen Ausmaßen hatte, das die meisten Menschen in eine tiefe Krise stürzen oder zumindest stark belasten würde, zum Beispiel Vergewaltigung, Krieg oder Naturkatastrophen. Eine Verbitterungsstörung hingegen kann von vergleichsweise harmlosen Erlebnissen ausgelöst werden, die andere Menschen nicht unbedingt als so belastend empfinden würden oder über die man normalerweise nach kurzer Zeit hinweg wäre. Wie man eine stressige Situation bewertet, hängt von der persönlichen Empfindlichkeit gegenüber Belastungen ab und auch von der seelischen Widerstandskraft. Jemand, der empfindlich auf Belastungen reagiert bei gleichzeitiger geringer Widerstandskraft ist anfälliger für eine posttraumatische Verbitterungsstörung als jemand mit einem vergleichsweise dicken Fell und höherer seelischer Widerstandskraft.

Voraussetzungen und Kriterien für eine posttraumatische Verbitterungsstörung

Voraussetzungen und Kriterien für eine posttraumatische Verbitterungsstörung

- negatives Ereignis

- Verbitterung war die Folge dieses Ereignisses

- Ungerechtigkeitsgefühl oder eine andere emotionale Erregung beim Gedanken an das Ereignis

- Symptome lassen sich nicht durch andere Störungen erklären

- Hilflosigkeit

- Gefühl, in der Opferrolle zu sein

- manchmal Schuldgefühle

- Erinnerungen kommen immer wieder, gleichzeitig wird ein Vergessen gewünscht

- Gleichgültigkeit gegenüber sich selber, Antriebslosigkeit

- Niedergeschlagenheit, manchmal auch Aggression, Suizidgedanken, Rachegedanken

- manchmal körperliche Symptome wie Schlafprobleme oder Appetitlosigkeit

- dauert mindestens 6 Monate

- der Alltag wird eingeschränkt

Hilfe aus der Verbitterungsstörung

Es gibt eine Reihe von Bewältigungskompetenzen, die im Hinblick auf schwierige Situationen eine Rolle spielen. Zunächst einmal ist es sinnvoll, sich ein möglichst breites Wissen über die problematische Situation anzueignen, im Beispiel einer als ungerecht empfundenen Kündigung also etwa über die Funktionsweise des Unternehmens. Die Probleme sollten in ihrem Kontext betrachtet werden, in dem sie stehen. Oft sind verschiedene Lebensbereiche miteinander verbunden und es gilt, diese Verbindungen zu erkennen. Ein Stück Selbstdistanz hilft auch weiter. Hierbei kann man höherwertige Ziele finden und dabei auch neutraler beurteilen, ob sie es wert sind, individuelle Ziele dahinter zurückzustellen. Eigene und die Werte anderer werden somit in Relation gesehen, man ist eher in der Lage, die Perspektive auch mal zu wechseln und eine Situation aus der Sicht anderer Beteiligter zu betrachten. Trotz eines offenen Geistes der Umwelt gegenüber ist auch ein kritischer Blick auf das eigene Innere notwendig. Man hört in sich hinein und versucht, eigene Emotionen wahrzunehmen und sie auch im Hinblick auf ihre Angemessenheit zu beurteilen. Weiterhin hilft, sich vor Augen zu halten, dass es in den meisten Fällen eine gewisse Unsicherheit gibt. Macht man sich das klar, hilft das durchaus dabei, die eigene Unsicherheitstoleranz zu erhöhen. Wichtig ist aber vor allem die Erkenntnis, die daraus resultieren sollte: Es ist nicht mehr das längst vergangene Ereignis, das den verbitterten Menschen belastet, sondern die Konsequenzen, die im Laufe der Zeit daraus entstanden sind und die es schwer machen, von der Auslösersituation loszulassen.

Sonja, am 14.02.2012
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