(Bild: © Kay Sievers)

Adam hält sich für privilegiert

Gegen Gott wird Anklage erhoben, und zwar von seinem ersten Geschöpf, dem Menschensohn Adam (Aniol Canet Kirberg). Adam ist eine schlanke, beinahe dürre Erscheinung, er tritt nackt auf und trägt ein gestutztes Buschwerk als Lendenschutz. Angesichts des zerbrechlichen Körperbaus kein Wunder, dass er nicht auf dem Acker als Bauer arbeiten möchte. Da es noch keine Sozialhilfe gibt, verklagt er Gott auf Unterhaltszahlungen, schließlich ist Adam ja privilegiert, quasi ein Adliger, und ein solcher war in späteren Jahren von der Arbeit befreit. Irritiert von seinem arbeitsscheuen Produkt verweigert Gott jegliche finanzielle Unterstützung. Ausgerechnet der Teufel (Volksbühnen-Urgewächs Silvia Rieger) ist Gottes Verteidiger und Anwalt. Dabei ist doch Jesus der alleinige Nachfolger auf Erden, der als Nachlassverwalter eingesetzt ist. Kenan Abouaasi sieht aus, wie man sich Jesus schon immer vorgestellt hat. Die Handlung wird begleitet von einem gewaltigen Instrumentarium, bei dem selbst exotische Musikgeräte kunstvolle Klangfarben erzeugen, assistiert von Chören, die ungewöhnliche Musikwelten aufsteigen lassen. Ein Spektakel, das ein wenig zu berauschen vermag. Im Hintergrund gibt es Videos, insbesondere kriegsbedingte Stadtruinen (Köln) und Ausschnitte aus den Nürnberger Prozessen. Nein, so etwas darf nie mehr vorkommen, wir brauchen eine Erneuerung, fernab von zerstörerischen Mächten und einem grassierenden Materialismus.

 

Kenan Abouaasi, Margarita Breitkreiz

© Kay Sievers

 

Der starke Hammer des Klassenkampfes

Als die Aufführung schon vorbei scheint und die Zuschauer*innen sich ausgeklatscht haben, kommt es noch zu einem Nachspiel, bei dem Rosa Luxemburg (Margarita Breitkreiz) eine Hauptrolle einnimmt. Sie achtet auch darauf, dass der hinterbliebene Rest des Publikums im Saal bleibt und schließt zuweilen die Tür. Folgendermaßen lässt sie sich vernehmen: "Uns hat der Erlöser des Sozialismus den starken Hammer des Klassenkampfes und der Erkenntnis in die Hände gedrückt und zugerufen: Erlöset euch selbst". Mit der Rückbesinnung auf katholische Werte hat das freilich nicht viel zu tun. Es wird viel skandiert und geschrien, man bemüht Zitate von Dostojewski, linken Denkern und Komikern. Was die laute Bühnenpräsenz anbelangt, setzt sich hier die ungebändigte Forderung nach dem Klassenkampf durch. Die Inszenierung liefert einen inhaltlichen Mischmasch, bei dem man schnell den Überblick verliert, und Welttheater ist das schon gar nicht. Der überambitionierte Christian Filips will zu viel auf einmal und scheitert an seinen hohen Ansprüchen. Das große trojanische Holzpferd auf der Bühne hat keine besondere Bedeutung und dient mehr dem Dekor. Und doch wirkt das Ganze wie eine leichte Droge.

 

Des Menschen Unterhaltsprozess gegen Gott
Ein Funkoratorium von Bernd Alois Zimmermann nach Calderón

Szenische Uraufführung
Regie: Christian Filips, Musikalische Leitung: Kai-Uwe Jirka, Bühne: Nina Peller, Kostüme: Marwa Younes Almokbel, Christian Filips, Kostüm-Abteilung und Dramaturgie: Sabine Zielke. Mitarbeit an Buch / Konzeption: Luise Meier.
Mit: Margarita Breitkreiz, Hubert Wild, Mex Schlüpfer, Kenan Abouaasi, Susanne Bredehöft, Samia Dauenhauer, Aniol Canet Kirberg, Ariel Nil Levy, Ali Nawras, Silvia Rieger, Elias Schockel, stefanpaul.

Ensemble PHØNIX16, Haupt- und Mädchenchor der Sing-Akademie zu Berlin, Männer des Staats- und Domchors Berlin, Kammersymphonie Berlin.

Volksbühne Berlin, Uraufführung vom 26. November 2018.
Dauer: 2 Stunden, hinzu kommen Vor- und Nachspiel, keine Pause

 

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