Daniel Zillmann

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Das Pferd verblutet innerlich

Bei Troja handelt es sich fast um ein Rockkonzert mit schauspielerischer Begleitung. Nicht umsonst erwähnt der energiegeladene Maximilian Brauer die Namen von Rockbands. Wer auf gute Drum-Rhythmen, eigenwillige, dicht pulsierende und pumpende Basslinien und schräge Gitarrenläufe steht, die zuweilen einen furiosen Klangteppich erzeugen, wird den Abend nicht bereuen. Das Bühnenbild ist typisch Volksbühne. Es steht da ein großes Holzpferd, putzig und gewaltig zugleich, in dessen Innern immer wieder Zillmann zu sehen ist. Die Vorgänge im Pferdebauch werden auf eine Wand projiziert. Die Seitenwände sind mit Blut verschmiert, als hätten intensive Kampfhandlungen unter Hinzuziehung von Stichwaffen stattgefunden. Nun, damals hat man sich noch ganz konventionell und rückständig die Säbel in den Leib gerammt, ein unblutiger, rein technischer Gegenwartskrieg mit Einsatz von autarken, unbemannten Luftfahrzeugen und zielgenauen Raketen hat es noch nicht gegeben. Übrigens steht das fulminante Trojapferd nicht einfach so rum, mit ihm passiert etwas. Zu Beginn werden Holzlatten an die Vorderfront genagelt. Gegen Ende wird alles abgebaut, das Pferd wird radikal dekonstruiert, bis eine Art Sarg übrigbleibt. Der Einfall ist gut, das ist schön anzusehen. Castorf & Company in Reinkultur, unverwechselbar. Und auf der Bühnenwand prangt übergroß etwas Schmückendes, das an einen asiatischen Fächer gemahnt.

 

Entertainment, Schnaps und Rock n' Roll

Überhaupt fühlt man sich sehr an alte Zeiten erinnert. Genauer: Die Zeit der Sitzsäcke. Die Zeit nach dem Auseinanderfallen des großen Ensembles mit Hübchen, Schütz, Peschel, Wuttke und Minichmayr und anderen. Eine neue Phase brach an, mit Leuten wie Christoph Letkowski, Andreas Frakowiak, Trystan Pütter, Axel Wandtke, Mandy Rudski – und anderen. Damals wurden Castorf-Inszenierungen und Arbeiten seiner Kollegen von jenen Großkritikern, die heute wieder jubeln und den baldigen Untergang einer Ära diagnostizieren, gnadenlos heruntergeschrieben, übrigens völlig zu unrecht. Die Zeit der nach nassem Handtuch riechenden, verschwitzten Sitzsäcke war auch eine Experimentierküche, in der viel Ersprießliches zustande kam. Diese Aufführung der sogenannten Schwarzen Serie erinnert wohltuend an - die künstlerisches Neuland erkundende - Umbruchsphase, nicht nur, weil in "Troja" seit langer Zeit mal wieder saftige Schnäpse auf dem Tablett dargereicht werden und das schwerfällige Spendiergesicht von Volker Spengler vor dem geistigen Horizont auftaucht. Im Laufe des Abends spielt sich Maximilian Brauer, der ein kleines Warm-up benötigte, in die Entertainer-Rolle hinein, bis er glüht. Die Musik, zu deren Hauptakteur er sich singend und sprechen emporschwingt, scheint ihn aufzuputschen, und nicht nur ihn: Ein Großteil des Publikums ist begeistert, als habe man ihm, abgesehen vom kleinen Schnaps, eine zugleich entspannende und enthusiasmisierende Droge verabreicht. Andere hingegen, die eine nachempfundene Darstellung des Trojakrieges erwarteten, wenden sich enttäuscht ab. Immerhin: Wer diese Veranstaltung verfolgt, zieht selbst ein fragwürdiges Fest einem Krieg vor. Eine mythisch aufgeladene Jahrtausendschlacht wird unerbittlich degradiert, Esther Preußler inszeniert einen Krieg zum Abgewöhnen. Letztlich ist es eine schlichte Aufführung, die aber dennoch ihre Größe hat. Man ist leicht beschwingt wie nach einem guten Rockkonzert.

Troja

Von Esther Preußler, Nina Peller und Thilo Fischer.

Regie: Esther Preußler, Bühne: Nina Peller, Kostüme: Sasha Thomsen, Licht: Hans-Hermann Schulze, Video: Mathias Klütz, Cemile Sahin, Dramaturgie: Thilo Fischer.

Es spielen: Daniel Zillmann, Maximilian Brauer, Konrad Krenzlin, Dennis Latwat, Richard Lucius, Leonard Neumann.

Premiere war am 22. März 2016

Dauer: ca. 90 Minuten

 

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