Eva Hüster, Elwin Chalabianlou ...

Eva Hüster, Elwin Chalabianlou, Daniel Christensen, Raphaela Möst, Roland Riebeling (Bild: © Diana Küster)

Der rechte Mob mobilisiert

Der in Bochum Regie führende Schmidt-Rahmer, für viele Berliner Theatergänger*innen bislang kein Begriff, arbeitet mit Elementen, die mittlerweile in der rechtspopulistischen Szene geradezu virulent grassieren: Die verhasste Elite verwendet gegen das Volk angeblich betrügerische Mittel, um sich an der Macht zu halten, was nur durch eine Mobilisierung der medial in Aufruhr versetzten Massen verhindert werden kann. Der Agitator Akif Ripincci (Elwin Chalabianlou, in einem geschmacklosen rosafarbenen Anzug steckend), dessen Namen an eine reale Person erinnert, liefert dazu das geistige Rüstzeug, ergänzt durch den pseudo-neutralen Zeitungsredakteur Hovstadt (Daniel Christensen). Es ist eine etwas verschlafene Polemik, die Roland Riebeling als Dr. Stockmann da auftischt, im Gegensatz zu seiner aufgeweckteren Schwester Bürgermeisterin (Veronika Nickl). Doch ist der rechte Mob, der von einem umstürzlerischen Geist angetrieben wird, erst einmal ins Rotieren geraten, helfen auch die besten Argumente nichts mehr. Dr. Stockmann hat mit seinen fortwährenden Invektiven und Drohungen Erfolg – und ergreift die Macht. Das Wasser, ihm scheißegal, war nur der Vorwand. Die Mechanismen der Rechten sind primitiv, aber zielführend – insofern handelt es sich um ein verdammt aktuelles Stück, auch wenn die plakative Gegenüberstellung der beiden Lager sehr drastisch ist.

 

Veronika Nickl, Daniel Christensen

© Karl-Bernd Karwasz

 

Der Kapitalismus braucht keine Demokratie mehr

Zuweilen kommt man sich vor wie in einer Oper. Es werden Arien geschmettert, es gibt Gitarreneinlagen (Dennis Herrmann, der ein bisschen wie Hertha-Manager Preetz rüberkommt), Tanz und Slapstick und es wird geschrien wie zu besten Castorf-Zeiten. Dr. Stockmanns Frau Katherine (Raphaela Möst) und die reaktionäre Tochter Paula (Eva Hüster), beide zuweilen Brüll-Expertinnen, bedienen sich zum Teil an authentischem Material, das quasi in Chemnitz und an anderen Orten auf der Straße liegt. Auf der Leinwand erscheinen Trump und Obamas Gattinnen und einfache Leute und sonstige Bildeffekte. Aber dass der neue Bürgermeister in die Trump-Ecke gedrängt wird, ist ein Fehlgriff – Trump ist fast noch ein Leichtgewicht im Vergleich zu den vorgeführten fanatisierten Horden. Schmidt-Rahmer, der gern gegen den Strich bürstet und offensichtlich Überzeichnungen goutiert, bemüht sich um eine Bestandsaufnahme der aktuellen Verhältnisse, vergisst dabei aber die Kraft der Demokratie, die sich nicht so leicht erschüttern lässt. Die Okkupierung eines Ortes durch irregeleitete Propagandisten, die dem Kapitalismus eine neue Zukunft zuweisen, ist noch längst nicht der Untergang. Insofern ist die kampflose Übergabe nur ein Phänomen provinzieller Abgeschiedenheit, die von der Metropole abgekoppelt ist. Ein Menetekel, aber kein Fanal.Immerhin: Wehret den Anfängen. Zu begrüßen ist es, dass wieder etwas Erfreuliches und Spannendes geschieht in der Volksbühne, die vielleicht bald wieder zu einem Publikumsmagneten wird. Hurra, die Berliner*innen haben wieder ein Theater mehr.

 

Volksbühne Berlin

Volksverräter!!

nach Henrik Ibsen

Regie: Hermann Schmidt-Rahler, Bühne: Thilo Reuther, Kostüme: Michael Siebenrock-Serafimowitsch, Video: Adrian Ganea, Dramaturgie: Sascha Kölzow

Es spielen: Roland Riebeling, Raphaela Möst, Eav Hüster, Elwin Chalabianlou, Veronika Nickl, Jürgen Hartmann, Paula Kober, Armin Wahedi Yeganheh, Daniel Christensen, Klaus Weiss, Dennis Herrmann.

Übernahme vom Schauspielhaus Bochum

Volksbühne Berlin, Berlin-Premiere war am 17.11.18, Kritik vom 18.11.18

Dauer: ca. 3 Stunden, eine Pause

 

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