Ist das „VroniPlag Wiki“ politisch neutral?

Sechs der sieben auf "VroniPlag Wiki" bislang untersuchten Dissertationen stammen von Politikern der CDU/CSU und  FDP oder aus deren Umfeld – Zufall? Dabei gibt es auch in anderen Parteien genügend promovierte Politiker. Die Kriterien, nach denen eine Dissertation zur Durchsicht im "VroniPlag Wiki" ausgewählt wird, sind undurchsichtig. Die Betreiber von "GuttenPlag Wiki" weisen auf Ihrer Internetseite ausdrücklich darauf hin, dass es sich um keine politische "Schmutzkampagne" handele. Ziel sei es, die "wissenschaftliche Integrität eines Doktortitels in Deutschland zu sichern". Eine entsprechende Erklärung sucht man im "VroniPlag Wiki" vergebens.

Hätte man den Eindruck politischer Parteilichkeit vermeiden und Neutralität demonstrieren wollen, hätte man sich nicht derart auf Politiker – insbesondere konservativer und liberaler Parteien – beschränken dürfen.

Dass im Juni 2011 mit der Doktorarbeit von Uwe Brinkmann erstmals ein SPD-Politiker ins Visier der Plagiatjäger geriet, kann die Zweifel nicht beseitigen. Im Gegensatz zu den übrigen Politikern war Brinkmann als Nachwuchshoffnung der Hamburger SPD bis vor kurzem weitgehend unbekannt. Musste ein ehemaliger Vorsitzender der Hamburger Jungsozialisten (Jusos) als Bauernopfer herhalten, um kritische Stimmen verstummen zu lassen und von prominenteren linken Politikern abzulenken? Brinkmann hat Konsequenzen aus den Vorwürfen gezogen. Seine Promotionsurkunde hat er an die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Hamburg zurückgeschickt.

Öffentliche Prüfung der Doktorarbeit von Veronica Saß ist fragwürdig

Von Anfang an fragwürdig waren Sinn und Zweck der Untersuchung der Doktorarbeit von Veronica Saß, Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) und Namenspatronin des "VroniPlag Wiki". Saß hatte in ihrer Dissertation in unzulässiger Weise abgeschrieben und verlor ihren Doktortitel. Zwar gilt auch für sie: Jeder Doktor, der seinen Titel nicht verdient, ist einer zu viel. Mit Ausnahme der Saß'schen Dissertation beschränkte sich die Überprüfung im "VroniPlag Wiki" aber in der Folge zu Recht auf Doktorarbeiten von Politikern. Als Politikerin ist die Rechtsanwältin nicht in Erscheinung getreten und stand auch sonst vergleichsweise selten in der breiteren Öffentlichkeit – wenn, dann vor allem als Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten. Was wollten die Betreiber des "VroniPlag Wiki" mit der Durchsicht ihrer Doktorarbeit bezwecken? War die Prüfung der Doktorarbeit von Veronica Saß nur Mittel zum Zweck, weil man es auf Edmund Stoiber und dessen Umfeld der CSU abgesehen hatte? Die öffentliche Überprüfung der Dissertation von Veronica Saß war unnötig. Für Politiker mögen – insbesondere in Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht – eigene Gesetze gelten. Ansonsten sind vor allem die Universitäten gefragt, die Redlichkeit in der Wissenschaft besser zu schützen.

Dass es auch anders geht, beweist das Internet-Projekt "Doktorarbeiten-Domino" – ins Leben gerufen von einer Gruppe Informatikstudenten. Auf der Website heißt es: "Wir möchten keine Hexenjagd, wir möchten dieser entgegenwirken. Wir möchten die Plagiatsdiskussion objektivieren, indem wir die zugrundeliegende Datenmenge nun systematisch, anlassunabhängig, nach parteiunabhängigen Kriterien und so wissenschaftlich wie unter vertretbarem Aufwand möglich untersuchen." Überprüft werden sollen alle Doktorarbeiten von Abgeordneten des Bundestages und des Europaparlaments, die seit 1996 angefertigt wurden. Bravo!

Weblinks

VroniPlag - kollaborative Plagiatdokumentation
Das Wiki dokumentiert Plagiate in Dissertationen. Bislang wurden fast ausschließlich Arbeiten von Politikern überprüft.

GuttenPlag - kollaborative Plagiatsdokumentation
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Dissertation von Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg: Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU.

Doktorarbeiten-Domino - Eine freiwillige Studienarbeit über die Verteilung von Plagiaten in Parlamentarierdissertationen
Von drei Informatikstudenten gegründetes Wiki zur Überprüfung von Doktorarbeiten von Abgeordneten des Bundestages und des Europaparlaments.

Der „Plagiatsskandal“ als politische Strategie?

Es lohnt ein Blick zurück auf den Auslöser des "Plagiatskandals" um zu Guttenbergs Doktorarbeit. Der Bremer Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano hatte zu Guttenberg im Februar 2011 in einer Rezension in der juristischen Fachzeitschrift Kritische Justiz des Plagiats bezichtigt – zu Recht, wie sich herausstellte. Der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg hat in seiner Doktorarbeit vorsätzlich getäuscht. Die Öffentlichkeit erfuhr die Wahrheit von ihm nur scheibchenweise – Aussitzen statt Aufdecken. Das hat ihn verdientermaßen sein Amt gekostet.

Doch auch die Rolle des politischen Gegners scheint unrühmlich. Die Rezension von Fischer-Lescano, u.a. neben Andrea Ypsilanti (SPD) Gründungsmitglied der linken Denkfabrik Institut Solidarische Moderne (ISM), hat ein Gschmäckle. War es allein fachliches Interesse, das den Rechtsprofessor aus Bremen antrieb, oder auch politisches Kalkül? Was gab den Ausschlag, zu Guttenbergs Doktorarbeit zu rezensieren? Was war der Grund dafür, die Dissertation intensiver zu prüfen als gewöhnlich? War es Zufall, dass die Veröffentlichung des Beitrags mit einer gewissen Ratlosigkeit der Opposition ob der astronomisch hohen Umfragewerte des damaligen Verteidigungsministers zusammenfiel? Das Aufspüren von Plagiaten hat sich seit der Guttenberg'schen Plagiatsaffäre als politische Wunderwaffe bewährt – gerichtet auf einen stark angeschlagenen Gegner. Selten hat eine Regierung ein schwächeres Bild abgegeben als Schwarz-Gelb. Die beschuldigten Doctores auf Abruf aus den Reihen von CDU/CSU und FDP können sich nicht wehren. Ist doch bislang so gut wie alles wahr gewesen, was gegen sie vorgebracht wurde. Doch nicht allein die Blender und Möchtegerns, auch diejenigen, die aus der Misere politisches Kapital schlagen möchten, sind moralisch diskreditiert. Die Wissenschaft retten und politische Ziele verfolgen, das geht nicht zusammen.

Autor seit 13 Jahren
60 Seiten
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