Alte Garde noch ganz frisch

Walter Plathe gibt den ehemaligen gestrengen Schuldirektor mürrisch, ungeduldig und aufbrausend. Aber immer mit diesem humorvollen Funkeln in den Augen, dass verrät, dieser scheinbar so störrische alte Herr nimmt seine Mitmenschen nur allzugerne auf den Arm und fordert sie immer wieder heraus. Er braucht jemanden an dem er sich reiben kann. Und er unterrichtet noch immer gern. Sonntags versammeln sich seine Mitbewohner Norbert (Philipp Sonntag), Franz Josef (Siegfried Kadow) und die vitale Elisabeth (sehr charmant Brigitte Grothum) in seinem Zimmer zum Trivial-Pursuit-Spiel. Eine Herausforderung für alle Beteiligten. Denn Norbert kann mit seinen schwachen Augen, kaum die Fragen vorlesen und Franz Josef kann sie nicht beantworten, weil er die Fragen in dem Augenblick, in dem sie vorgelesen werden schon wieder vergessen hat. Aber er ist überzeugt davon, dass er jeden Sonntag seine Mitspieler um Längen schlägt. Einzig Ludwig kennt auf jede Frage die Antwort. Regisseur Marcus Ganser, weiß die Figuren perfekt in Szene zu setzen. Jeder Figur gibt er ihre ganz persönliche Macke. Ob es nun das ständige Kopfwackeln von Franz Josef ist oder der bayerische Dialekt, den Norbert immer wieder selbst übersetzen muss, damit seine Freunde ihn auch verstehen können.

Den Senioren steht Konstanze Proebster als etwas spröde und unnahbare Schwester Isolde gegenüber. Von den Bewohnern der Altersresidenz auch gerne Panzerkreuzer genannt.

Ganser hat ein Ensemble zusammengefügt, dass aus rundweg erfahrenen alten Hasen besteht, die sich aber über all die Jahrzehnte ihre unbändige Spielfreude erhalten haben. Genau das steckt an. Mit starken Pointen und leisen Zwischentönen stellt Stefan Vögels Komödie auf humorvolle Art und Weise das Aufeinandertreffen zweier Generationen und Lebensweisen dar und räumt dabei spielerisch mit eingefahrenen Vorurteilen auf.

Joanna Semmelrogge bringt Schwung in die Altersresidenz

Und mitten hinein in den Alltag der Senioren platzt plötzlich, geradezu wirbelsturmartig, die junge Paula. Der Medizin-Student, der Ludwig sonst immer mit Essen und anderen Bestellungen belieferte hat seinen Nebenjob an den Nagel gehängt. Nun hält sich Paula damit über Wasser. Sie hat keinen Schulabschluss, aber ein Kind. Sie kann nicht rechnen, aber rappen. Ihr Redeschwall ist kaum zu stoppen. Joanna Semmelrogge gibt diese ungestüme Paula mit schier unbändigem Temperament und Talent. Sie fliegt förmlich über der Bühne.

Paula lässt sich von dem autoritären Ludwig nicht so schnell beeindrucken. Obwohl sie das zusätzliche Geld von Ludwig dringend gebrauchen könnte, besteht sie darauf, dass sie Extra-Botengänge zunächst nur zur Probe macht. Genau damit beeindruckt sie. Paula und Ludwig nähern sich schließlich an. Ludwig unterrichtet Paula, diese wiederum versorgt ihn mit Essen, Zeitungen und Medikamenten. Und irgendwie scheint sich das Leben für alle, auch für Ludwigs Freunde, zu bessern. Regisseur Marcus Ganser ist mit seiner Inszenierung ein rundum herzerfrischender und sehenswerter Abend gelungen.

"In alter Frische" wird noch bis zum 22. Mai 2016 in der Komödie Winterhuder Fährhaus, in Hamburg gespielt.

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