Wissen Sie eigentlich, wie unfassbar grauenvoll die Wohnverhältnisse früher waren? Es mag ja sein, dass die modernen Probleme wie Schimmel im Haus oder Flugschneisen über dem Großhirn störende Angelegenheiten sind. Aber derlei Dinge machen sich doch gegen die Schwierigkeiten der Vergangenheit eher lächerlich aus.

Oder wie würden Sie es finden, wenn sie Ihrem Hund am Abend "Gute Nacht" sagen und der Nachbar im Haus gegenüber antwortet: "Daaaaanke, Ihnen auch!”

Das gibt es nicht, sagen Sie?

Dann haben Sie noch nie die Waltons besucht und dort eine Nacht im Gästezimmer verbracht. Ich meine, es ist nachvollziehbar, dass 11 Menschen sich auch vor dem Einschlafen noch eine Menge zu erzählen haben, wenn sie zusammenleben. Dagegen ist nun wirklich nichts einzuwenden. Aber dass sie dabei in verschiedenen Zimmern liegen und nicht einmal die Stimme erheben müssen, um sich zu verstehen, das spricht nicht gerade für gute Isolierung im Haus. Eher für Leichtbauweise, vermute ich. Und wenn alle ihre Weisheiten von sich gegeben haben, dann stimmt auch John-Boy noch mit ein. Und zwar aus seinem Haus nebenan. Verstehen Sie, der wohnt nicht mal im selben Haus und mischt mit, als würde er auf einem Sessel inmitten seiner Lieben sitzen.

Also nein, wirklich, das muss ich nicht haben. Im Übrigen habe ich die Vermutung, dass die Waltons überhaupt gar nicht so arm waren, wie sie immer taten. Haben Sie sich einmal die Titelmelodie der Waltons angehört und direkt danach die vom Denver-Clan? Müssen Sie mal machen, die Ähnlichkeiten sind verblüffend.

 

Pa lebt!

 

Da setzt sich Bonanza doch ganz klar ab. Und wir alle haben Bonanza geliebt, vielleicht nicht zwingend wegen Pa, der irgendwie immer alles wusste, streng war, verdammt gut aussah und trotzdem nie eine Frau fand. Aber es hätte auch keine zu ihm gepasst, denn Frauen werden älter. Pa nicht!

Nein, wir liebten Bonanza hauptsächlich wegen Little Joe. Little Joe, der zwar nie Pickel hatte, aber auch keinen Bartwuchs. Little Joe, der immer völlig unsinnig aus dem Bauch heraus entschied und uns damit klar machte, dass die Pubertät etwas ganz Normales ist. Auch wenn sie zu Entscheidungen führt, die so viel Sinn ergeben wie der Versuch, eine Buchstabensuppe mit Messer und Gabel zu verzehren. Little Joe, der im Grunde viel bescheuerter als Hoss war, aber das Ganze mit seinen tollen Klamotten überspielen konnte. Und das Beste daran: Später konnten wir auch noch sehen, wie er sich als Familienvater machte. Und er machte sich gut, richtig gut. Sie erinnern sich nicht, Sie denken, auch Little Joe konnte nicht altern, genau wie Pa oder zum Beispiel der Highländer? Oh doch, er konnte. Denn in "Unsere kleine Farm” war er älter, das weiß ich noch genau. Und im Gegensatz zu Bonanza gab es da haufenweise Frauen. Von Little Joe mit seinem wunderschönen langen Haar einmal abgesehen.

 

Bei Bonanza muss ich sofort ans Bonanzarad denken. Ich hatte eins. Meine Schwester nicht. Bonanzaräder waren etwas für Jungs, sie waren unser Statussymbol, und ein eindeutiges dazu. Man stelle sich nur dieses Bild vor, wie man auf dem Rad sitzt, die Hände umklammern den Lenker, und dann der Sattel, der zwischen Beinen hervorlugt wie ein... wie ein... wie ein Sattel eben, was haben Sie denn gedacht?!

Was mir mein Bonanzarad war, das war für meinen Vater sein Renault 19. Er liebte diesen Wagen. Ich nicht, denn mir wurde immer kotzübel in der Kiste. Wir haben alles probiert damals. Tabletten gegen die Autokrankheit, spezielle Kaugummis (die schmeckten wie alte Tierhaare oder etwas ähnliches), sogar KO-Tropfen, ganz der Logik meiner Eltern folgend: "Wenn der Junge schläft, kann er nicht kotzen.”

Er konnte aber doch! Kurz wach werden, kotzen, weiterschlafen, geht alles.

Die Lösung damals war ganz einfach. Einmal fuhr ich mit einem Nachbarn mit. In seinem 190er Mercedes. Keine Übelkeit, keine Kotzerei, ich konnte die Fahrt sogar genießen. Als ich meinem Vater diese an sich simple Lösung vorschlug, nickte er kurz und sagte mir, dass er niemals etwas anderes als Renault fahren würde. Dass der Neupreis auch eine gewisse Rolle gespielt haben mag, war mir damals noch nicht klar.

 

Oskar, der Staubsaugervertreter

 

Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal der Sesamstraße einen Besuch abgestattet? Sie erinnern sich doch sich an das Krümelmonster, Ernie und Bert und natürlich Oskar aus der Mülltonne, der immer so unfreundlich war. Das waren noch Persönlichkeiten damals! Wissen Sie, was das Krümelmonster heute am liebsten frisst?

Gemüse!

Im Ernst, Gemüse! Die Pädagogen im politischen Berlin (und davon gibt es eine ganze Menge dort) waren der Meinung, dass Kekse einfach nicht mehr zeitgemäß sind im Zeitalter von Fastfood und dicken Kindern. Jetzt heißt es also Gemüsemonster. Das klingt irgendwie nach Genmanipulation in meinen Ohren. Und Oskar ist nicht mehr unfreundlich, er ist der netteste Kerl, den man sich vorstellen kann. Im Prinzip ein völlig nervtötendes Weichei, das mit seiner Freundlichkeit wirkt, als wolle er jeden Abend eine halbe Stunde lang Staubsauger und Tupper-Ware verkaufen. Ob das pädagogisch wertvoll ist, sei einmal dahin gestellt.

Ich jedenfalls guck die Sesamstraße schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Vor gut zwei Jahren hab ich damit aufgehört.

 

Entspannung im Gard-Haarstudio

 

Und überhaupt: Früher war irgendwie alles besser. Man nahm sich mehr Zeit füreinander. Ich erinnere mich jedenfalls nicht mehr so genau, wann ich das letzte Mal endlich einmal die Muße hatte, mich in aller Ruhe ins Gard-Haarstudio zu setzen und ein bisschen mit dem ausgebildeten Fachpersonal zu plauschen. Man kommt einfach nicht mehr dazu, obwohl es doch so wichtig wäre.

Auch die Gespräche mit Tilly vermisse ich. Es hatte so etwas Beruhigendes, wenn Sie auf mich einredete und währenddessen meine rechte Hand in eine Schüssel mit Spülmittel drückte, als wolle sie sie ertränken.

Oder der Hustinetten-Bär. Selbst 40 Gard Fieber, Nasen, die schneller liefen als Geparden und Hustenattacken mit einer Heftigkeit, die sogar zu Krämpfen in den Waden führten, waren nicht mehr so schlimm, wenn man die treuen Augen des giftgrünen Bären vor sich hatte.

Und wenn Überschwemmungen im Keller dazu führten, dass einem das Wasser bis zum Hals stand, kam Herr Kaiser vorbei und sagte, dass er sich darum kümmern würde. Sein Nachfolger, der erfreulicherweise auch den Namen Herr Kaiser trägt, hat sich bei mir jedenfalls noch nicht gemeldet.

 

Der kleine Mann in der Luft

 

Am meisten allerdings fehlt mir das Abendprogramm mit Hans Rosenthal. Dieser kleine Mann, der so gut rechnen konnte und immer so lustig in der Luft hängenblieb, wenn er "Spitze" rief. Ich hab nie begriffen, wie der Rosenthal das gemacht hat. Also, das Hängenbleiben in der Luft.

Später habe ich erfahren, Hans Rosenthal sei ein Perfektionist und Despot gewesen, der nur zufrieden war, wenn alles, aber auch wirklich alles haargenau so ablief, wie er es vorgesehen hatte. Ich weiß nicht, ob da was dran ist, es interessiert mich auch nur bedingt.

Denn eines ist mal sicher: Ich bin der Meinung, der kleine Mann war …. SPITZE!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Laden ...
Fehler!