Ein Zeitreise zu den sich blümerant fühlenden Damen

Manchmal ist ein Wort wie ein Schlüsselloch, durch das man in vergangene Jahrhunderte blickt: Bei blümerant findet man sich unversehens in den vornehmen Salons des 18. und 19. Jahrhunderts wieder. Eine Besucherin gerät – infolge einer Unpässlichkeit – ins Wanken und lässt sich mit einem Seufzer niedersinken. Natürlich in der Hoffnung, dass ihr ein galanter Herr gerade noch rechtzeitig einen Stuhl unterschiebt oder – noch besser – sie in seinen Armen auffängt. Weitere Accessoires dieser Szenerie: Fächer, Riechfläschchen und eine Chaiselongue. Ob es an dem zu eng geschnürten Mieder oder an der stickigen Luft lag? Egal: Das sterbende Blau bezieht sich auf die Gesichtsfarbe der sich ach so blümerant fühlenden Dame.

Bleu mourant: Was es mit dem sterbenden Blau auf sich hat

Im 18. Jahrhundert hatte in Frankreich jeder vor Augen, wie ein sterbendes Blau aussieht. Dort war die Farbe groß in Mode. Bleu mourant ist ein blasses Blau oder genauer: ein Weiß mit einem bläulichen Schimmer. Friedrich der Große, der ein Faible für Porzellan hatte, ließ in seiner Porzellanmanufaktur Geschirr in diesem Blau verzieren.Der Begriff bleu mourant taucht heute noch in der Beschreibung des Dekors auf. In manchen Gegenden hat sich auch das Wort blaublümerant gehalten. 

Aber wie das so ist mit Moden: Angeblich hatten die Franzosen diese Trendfarbe irgendwann so satt, dass ihnen schon elend wurde, wenn sie nur daran dachten. Das ist eine Erklärung, wie es zur Bedeutung der Verballhornung blümerant kam. Die zweite Herleitung bezieht sich auf die unter Atemnot leidenden Damen, die regelmäßig sterbend blau um die Nase herum waren.

Frankreich war viele Jahrhunderte Trendsetter in Europa. Wer etwas auf sich hielt, bediente sich gerne französischer Moden – und Wörter. Beispiele gibt es viele: Trottoir für Gehweg (wenn es so etwas in deutschen Städten überhaupt schon gab), Portemonnaie für Geldbeutel, Rendezvous für ein Date (oder Stelldichein...), Concombre für Schlangengurken. Last but not least, und das finde ich besonders charmant: das Potschamperl für Nachttopf, abgelauscht von pot de chambre

Warum blümerant doch irgendwie mit Blumen zu tun hat

VergissmeinnichtIn deutschen Wörterbüchern finden sich noch weitere Versuche, die Farbe des sterbenden Blaus möglichst treffend zu beschreiben. Eine besonders netter: Bleu mourant, das ist die Farbe von Milch, in der Vergissmeinnicht gekocht wurden. Allen etymologischen Erkenntnissen zum Trotz hat blümerant dann also doch mit Blumen zu tun. Wenn auch nur mit Vergissmeinnicht. Obwohl: Veilchen würden's ja vielleicht auch tun...

Egal, was Sprachwissenschaftler davon halten mögen: Im wirklichen Leben ist blümerant nicht von Blumigem zu trennen: In Hamburg gibt es ein Blumengeschäft mit Namen Blümerant. Und selbst ein lila Sommerkleid mit Blümchen wird mit blumig-blümerant betitelt. Der Sprachgebrauch hat eben seine eigenen Gesetze. Foto: Heimo Cörlin

In Erinnerung an Christiane Rattinger

Mondstein, am 03.08.2013
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Bildquelle:
Lauterbrunnen Tourismus (Wie Klöppeln Männer an den Herd brachte)

Autor seit 12 Jahren
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