Warum die Bezahlung von Hausfrauen überfällig ist
Ein Gespräch mit Klaus-Dieter Hermeling über Fürsorgearbeit, gesellschaftliche Blindstellen und die Notwendigkeit eines Umdenkens – kommentiert von Gerlinde Ahrend.Ein Beruf ohne Berufsbild und ohne Bezahlung
Hausfrau sein heißt Spitzenmanagement ohne Gehalt.
Sozialpädagoge und Wissensmanager Klaus-Dieter Hermeling fordert Anerkennung und ein staatlich finanziertes Hausfrauengehalt.Er weist darauf hin, dass Frauen berechtigterweise stolz darauf sind, ihre vielfältigen Aufgaben gut zu bewältigen. Er tröstet: "Die angelernte Hausfrau braucht nicht zu verzweifeln, wenn irgendetwas auf Anhieb nicht so perfekt ist. Selbst einer ausgebildeten, gelernten Haushaltskraft oder einer geschulten Erzieherin unterlaufen Fehler. Die leider liegengebliebene Schmutzwäsche signalisiert Männern oft, dass ihre Ehefrau an ihnen nicht mehr interessiert ist.
In den meisten Fällen haben solche Versäumnisse nichts mit kaltgestellter Liebe zu tun, sondern damit, dass die Hausfrau / der Hausmann aus ganz praktischen Gründen Prioritäten setzen musste: Das Unwohlsein des Jüngsten oder Ähnliches hatte vielleicht Vorrang."
Bild: Gerlinde Ahrend
Erwartungen, Überforderung und das Idealbild
Die Technik im Haushalt versprach einst mehr Zeit für die Familie doch sie hat die Notwendigkeit menschlicher Unterstützung nicht ersetzt.
"Junge Frauen stehen heute unter dem Druck, alles richtig machen zu wollen", beobachtet Klaus-Dieter Hermeling. Er kritisiert Werbebilder, die alltägliche Aufgaben als spielerisch leicht darstellen – als könne selbst ein Kind sie mühelos bewältigen. Diese Darstellung vermittelt Außenstehenden die Illusion, dass Haushaltsführung keine professionelle Unterstützung erfordert.
Unterschwellig entsteht dabei eine irritierende Frage: Wenn alles so einfach ist, was macht die haushaltsführende Person dann mit ihrer eingesparten Zeit?
Praktiker wissen es besser. Eine durchdachte Haushaltsführung umfasst weit mehr als Putzen und Kochen: Sie bedeutet Vorsorge für Jahreszeiten, kluge Vorratshaltung, Gesundheitsförderung, frühkindliche Bildung, finanzielle Absicherung und die Vermittlung zentraler Lebenskompetenzen.
"Natürlich ist die heutige große Wäsche nicht mehr mit dem Kraft- und Zeitaufwand vergangener Jahrhunderte zu vergleichen", räumt Hermeling ein. "Doch ideal sind die Bedingungen auch heute nicht."
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Ist Haushaltsführung heute wirklich einfacher?
"Es ist klar ersichtlich, dass kein Beruf der Welt so vielseitig und zugleich so wenig geachtet und vergütet wird wie der einer Hausfrau oder eines Hausmannes", sagt Klaus-Dieter Hermeling. Das bislang nicht gefasste Berufsbild umfasst eine nahezu endlose Liste an Fähigkeiten und Kenntnissen, Lernfähigkeit und Lernwilligkeit eingeschlossen.
Er führt aus: "Wie in einem Unternehmen gibt es Einkauf, Buchführung, eine jahreszeitlich bedingte Lagerhaltung für Kleidung, Nahrungsmittel und viele andere haushaltsbezogene Aufgaben. Ohne besondere Ausbildung ist eine solche Unternehmung zum Scheitern verurteilt."
Doch die Erwartungen gehen noch weiter: "Frauen sollen dem Ganzen ein Sahnehäubchen aufsetzen.
Selbst wenn ihre berufliche Qualifikation in einem völlig anderen Bereich liegt, erwartet man von ihnen, perfekte Mütter zu sein, bei finanziellen Engpässen beruflich einzuspringen und nach getaner Arbeit selbstverständlich als gut aussehende, erotisch anziehende Partnerin zu erscheinen."
Das Gegenbild des Hausmannes sei bislang kaum entworfen, so Hermeling.
"Wen wundert es da, wenn sich manche Frau von diesen Erwartungen überrollt fühlt und vom fahrenden Ehezug abspringt?"
Zwischen Spott und struktureller Ignoranz
Die gesellschaftliche Debatte ist gespalten. Während einige die Hausfrauenrolle als überholt betrachten, äußern andere offen Abwertung:
- Kunibert967, Nutzer auf gutefrage.net, schreibt:
- "Ich kann nicht verstehen, wie man daran Spaß haben kann, den ganzen Tag nur zuhause zu putzen und Kinder zu betreuen. Wie kann man denn so wenig Selbstwertgefühl haben?"
- In einer FOCUS-online-Kolumne heißt es provokant:
- "Ist es besonders fortschrittlich oder sehr dämlich, Hausfrau zu sein und dabei nicht verheiratet, heißt: absolut nicht abgesichert zu sein?"
- Die Schweizer Hausfrau Christina, aktiv auf TikTok, berichtet:
- "Ich werde ständig als altmodisch, nicht emanzipiert und faul betitelt."
Diese Stimmen zeigen: Die Rolle der Hausfrau ist nicht nur unterbezahlt, sondern Frauen die als Hausfrau tätig sind stehen zusätzlich unter einem hohen gesellschaftlichen Rechtfertigungsdruck.
Spitzenmanagerin ohne Titel, das Burn-out der Hausfrau
Hermeling widerspricht diesen Bewertungen deutlich. Er vergleicht die Belastung von Hausfrauen mit dem Burn-out-Syndrom von Führungskräften:
"Hausfrauen sind Köchinnen, Erzieherinnen, Ratgeberinnen, Taxifahrerinnen, oft gleichzeitig. Ihr Krankheitsbild ähnelt dem eines überlasteten Managers. Die Frage nach gerechter Bezahlung ist mehr als berechtigt."
Er erinnert daran, dass viele Aufgaben früher gemeinschaftlich erledigt wurden, heute hingegen sind Frauen oft Einzelkämpferinnen im Alltag.
Symptome wie Erschöpfung, Reizbarkeit, Rückzug haben Parallelen zu Führungskräften. Hermelings Aussagen zur Komplexität der Haushaltsführung liefern die Grundlage.
Vom Familienverbund zur Einzelkämpferin
Im 19. Jahrhundert war die westfälische Frau zum Beispiel, eingebunden in ein patriarchalisches Gefüge: rechtlich unmündig, ökonomisch abhängig, gesellschaftlich auf Fürsorge und Repräsentation reduziert. Ihre Arbeit galt als selbstverständlich, nicht als Leistung.
Ein Beispiel dafür ist die Familie Hermeling, ein regional bedeutendes Adelsgeschlecht mit Besitz im Niederstift Münster. Ihre weiblichen Angehörigen waren Teil eines Systems, das Fürsorge, Haushaltsführung und familiäre Repräsentation verlangte ohne rechtliche Stimme und ohne ökonomische Anerkennung.
Wenn eine solche Familie durch Misswirtschaft verarmte, fiel die Verantwortung oft auf die älteste Tochter, jung, ohne Ausbildung, aber mit der Erwartung des Vaters, nach dem Tod der Mutter,, den Haushalt zu führen und die Geschwister zu erziehen. So wie jene junge Frau, deren Vater mit der Wirtschafterin nach Paris durchbrannte und das Vermögen verlor: Sie hielt den Haushalt zusammen, übernahm die Erziehung, während eine ihrer Schwestern später Nonne in Brasilien wurde.
War früher ein Haushalt, im ländlichen Bereich, im Verbund von Angehörigen, Knechten und Mägden getragen, liegt er heute oft auf den Schultern Einzelner.
Mit der Industrialisierung und den sozialen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts wandelte sich das Bild: Aus der eingebundenen Mitträgerin wurde eine Einzelkämpferin, verantwortlich für Familie, Erwerbsarbeit und gesellschaftliche Erwartungen zugleich.
Gerlinde Ahrend kommentiert:
Diese historischen Begebenheiten sind keine Randnotizen. Sie spiegeln eine gesellschaftliche Haltung, die heutige Fürsorgearbeit entwertet und Frauen in einen Rechtfertigungszwang drängt, selbst dann, wenn sie sich bewusst für diese Rolle entscheiden.
Die Abwertung trifft nicht nur die Einzelne, sondern das Fundament unseres Zusammenlebens.
Mütterlichkeit als Luxus?
Noch in den 1950er Jahren mobilisierte die Großfamilie ihre Kräfte: Frühjahrsputz, Einmachen, Kinderbetreuung, all das wurde gemeinschaftlich getragen. Schwangerschaft war keine private Belastung, sondern eingebettet in ein unterstützendes Umfeld.
Heute hingegen ist Mütterlichkeit zu einem Luxus geworden, den sich viele Familien kaum noch leisten können. Der mütterliche Instinkt wird gesellschaftlich vorausgesetzt, aber kaum gefördert.
Klaus-Dieter Hermeling warnt:
"Es ist höchste Zeit, die Tätigkeit im Haushalt und für die Familie anzuerkennen, zu stärken und endlich auch staatlich zu entlohnen. Im Tierreich würden Biologen aufmerksam, wenn Mütter ihre Jungen nicht mehr versorgen können oder wollen. Warum nicht beim Menschen?"
Die Folgen einer unausgewogenen Emanzipation sind spürbar. Frauen übernehmen weiterhin selbstverständlich die Hausarbeit, pflegen Angehörige, betreuen Kinder, halten soziale Bindungen aufrecht – oft ohne Unterstützung, oft ohne Schutz.
Hermeling zieht den Schluss:
"Frauen brauchen in bestimmten Lebensphasen die Hilfe der Gemeinschaft. Großeltern, Kitas, Nachbarschaft, sie alle können entlasten. Doch von einem Idealzustand sind wir weit entfernt. Frauen und Kinder müssen heute oft sehen, wo sie bleiben."
Warum Gleichberechtigung nicht bedeutet, dass Frauen alles alleine stemmen müssen
Im Idealfall ergänen sich bei einem Paar dass Zusammenleben will, die Vorstellungen eines gemeinsamen Lebens und wie sich jeder einzeln entwickeln darf.
Nicht immer sind Fähigkeiten vorhanden, die einer traditionellen Lebensführung entsprechen. Was ist wenn sich beide nicht darüber einigen können, wie die gemeinsamen Bedürfnisse nach einem funktionierenden Haushalt und nach der Aufzucht der Kinder, gleichberechtigt,erledigt werden kann?
Oft wird die soziale Entwicklung von Frauen ausgebremst und ihre Kapitulation als fehlende Liebe zum Partner bemängelt.
Gerlinde Ahrend resümiert:
Die Hausfrau ist keine Figur aus vergangenen Zeiten, sondern eine stille Leistungsträgerin unserer Gegenwart. Zwischen familiärer Fürsorge, organisatorischer Höchstleistung und emotionaler Präsenz leistet sie Arbeit, die unser soziales Gefüge zusammenhält oft unbeachtet, nie bezahlt. Es ist Zeit, ihr die gesellschaftliche Bühne zu geben, die sie verdient.
Schlusswort
Das Gespräch mit Klaus-Dieter Hermeling zeigt: Die Hausfrau ist keine Reliktfigur aus vergangenen Zeiten, sondern eine tragende Säule unserer Gesellschaft oft überfordert, selten gewürdigt. Zwischen familiärer Fürsorge, organisatorischer Höchstleistung und emotionaler Präsenz leisten Hausfrauen täglich unbezahlte Arbeit, die unser soziales Gefüge zusammenhält. Es braucht mehr als Dank: Es braucht strukturelle Anerkennung, finanzielle Wertschätzung und ein neues gesellschaftliches Bewusstsein. Denn wer den Wert der Hausfrau erkennt, erkennt auch den Wert von Fürsorge, Gemeinschaft und menschlicher Nähe.
Hermeling appelliert an Politik und Gesellschaft, Reformen nicht nur zu denken, sondern praktisch zu unterstützen, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen.
Dieser Artikel ist Teil einer Reihe über unsichtbare Fürsorgearbeit und gesellschaftliche Blindstellen – verfasst von Gerlinde Ahrend.
Biografischer Hintergrund: Klaus-Dieter Hermeling
Klaus-Dieter Hermeling ist Diplom-Sozialpädagoge (FH) mit dem Schwerpunkt Psychiatrie, und Wissens- und Informationsmanager. Nach seinem Studium an der Fachhochschule Emden arbeitete er in Ostfriesland mit arbeitslosen jungen Erwachsenen und engagierte sich für deren soziale Stabilisierung und berufliche Entwicklung.
Später war er im Wohnbereich der Oberschwäbischen Beschützenden Werkstätten (OWB) in Scheer tätig und wirkte in Sigmaringen in Kooperation mit den Mariaberger Heimen am Aufbau des Konzepts "Mobiles Wohnen". Darüber hinaus initiierte er eigenständig die Vorbereitungen zur Gründung einer lokalen Tafel, ein Projekt, das praktische Hilfe und soziale Teilhabe miteinander verbindet.
Als Vater von vier Kindern und sechs Enkelkindern bringt Hermeling eine breite Lebens- und Berufserfahrung mit, die seine sozialpädagogische Arbeit prägt. Sein Engagement ist gekennzeichnet durch ein tiefes Verständnis für gesellschaftliche Zusammenhänge und eine klare Haltung gegenüber sozialen Herausforderungen.
Die Autorin Gerlinde Ahrend
... schreibt regelmäßig zu sozialen, psychologischen und gesellschaftspolitischen Themen. Sie verfügt über fundierte Kenntnisse in den Bereichen Kommunikation, Bildung und Familienarbeit. Ihre Texte verbinden fachliche Tiefe mit einem Blick für das Alltagsnahe, immer mit dem Ziel, komplexe Zusammenhänge verständlich und berührend darzustellen.
Ihre Texte sind eine Einladung zum Umdenken und ein Plädoyer für die stille Stärke derer, die unsere Gesellschaft zusammenhalten.
Bildquelle:
Monika Hermeling
(Die umfassende Fürsorge der Pflanzen)
Foto: Patrick Lipke
(Homefarming -Das Kochbuch von Judith Rakers)
Bundesamt für Bevölkerungsschutz
(Wie bereite ich mich auf eine Katastrophe vor?)



