Was haben Adipositas, Morbus Crohn und Rheuma mit Bakterien zu tun?
Individuelle Bakterienflora könnte genetisch beeinflusst sein und Krankheiten verursachen. Es geht um Morbus Crohn, das IRGM-Gen und Prevotella-Bakterien u.a.m.DNA-Strang (Quelle: Karolinska Institutet Stockholm)
Individuelle Zusammensetzung der Bakterienarten im Körper
Bekannt ist, dass es große Unterschiede in der Zusammensetzung der Mikrobenflora im Magen-Darm-Trakt von Mensch zu Mensch gibt. Die Zeitung Die Welt berichtete am 09.10.2010 ("Bakterien fördern Krankheiten wie Rheuma"), US.Forscher hätten entdeckt, dass sowohl die Mund- als auch die Darmflora von Rheumakranken eine andere Mikrobenzusammensetzung aufwiesen als diejenigen von gesunden Menschen. Die Rheumakranken Menschen hatten ungewöhnliche viele Bakterien aus der Familie der Prevotella im Darm.
Allgemeine Informationen:
Die Mikroflora im Magen-Darm-Trakt hat sich über Jahrtausende in ihrem menschlichen Wirt entwickelt. Sie stellt eine komplexe Gemeinschaft dar, die von Mensch zu Mensch variiert. Die enge Lebensgemeinschaft ist von gegenseitigem Nutzen: Die Mikroben leben im menschlichen Körper geschützt und werden mit Nahrung versorgt. Im Gegenzug verändern sie die Nahrung in die für den Körper lebenswichtigen Vitamine, helfen bei der Nahrungsverwertung und bei der Immunabwehr. Übrigens: 80 Prozent der körpereigenen Immunzellen finden sich im menschlichen Darm. Veränderungen der mikrobiellen Zusammensetzung können aber nach heutigem Kenntnisstand auch Probleme wie Übergewicht, Morbus Crohn, Parodontose oder Rheuma verursachen.
Schon Hippokrates von Kos soll gesagt haben: "Der Tod lauert im Darm oder das vitale Leben". In der Naturheilkunde sind Behandlungen unter den Begriffen "Darmsanierung" oder "Symbioselenkung" seit langem Standard, aber nicht unumstritten.
Ernährung beeinflusst den Bakterienmix
Auch die Ernährungsweise hat einen Einfluss auf die Keimflora. Forscher der Universität Florenz hatten die Darmbakterien von italienischen Kindern mit denen von Kindern aus Burkina Faso (Afrika) verglichen und gleichzeitig die Ernährung der Kinder untersucht. Die Ernährung der italienischen Kinder bestand, wie in fast allen Industriestaaten, zu einem großen Teil aus Kohlenhydraten, Zucker, Fett und Fleisch. Kinder in Burkina Faso hingegen essen hauptsächlich Hirse mit Gemüse und Kräutern, also ballaststoffreich. Das Ergebnis: Die Darmflora der Kinder aus dem Entwicklungsland wies deutlich weniger Mikroben des Typs auf, der im Laufe des Lebens zu Übergewicht (Adipositas) führt. In Ihrer Darmflora waren beispielsweise Bakterien aus der Gruppe Prevotella, die Zellulose spalten können, stark vertreten, wohingegen den italienischen Kindern diese Bakterienfamilie fast vollständig fehlte.
Magen-Darm-Trakt (Quelle: Pixabay)
Neue Erkenntnis der Wissenschaft
Die internationale Forschergruppe im Karolinska Institutet untersuchte innerhalb einer Pilotstudie die Darmflora von 51 gesunden Probanden auf einen Zusammenhang mit den dreißig bekannten Genen, die für ein erhöhtes Risiko einer Erkrankung an Morbus Crohn stehen. Die untersuchten Personen hatten bislang noch keine Darmerkrankung.
Die Wissenschaftler fanden einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein eines von Prevotella-Bakterien dominierten Darmmilieus und einer Variation des sogenannten IRGM-Gens. Das IRGM-Gen sei indirekt an der Immunabwehr des Darms beteiligt. Das heißt, das gesunde Menschen, die genetisch jedoch ein erhöhtes Risiko einer Erkrankung an Morbus Crohn haben, auch gleichzeitig eine veränderte Darmflora aufwiesen.
Es war bekannt, dass es Menschen gibt, deren Darmflora prevotella-dominiert sei, während die Darmflora bei anderen Menschen maßgeblich aus Bakterien der Gattung Bacteroides besteht. Das Studienergebnis legt nunmehr nahe, dass das IRGM-Gen selbst Einfluss auf die mikrobielle Zusammensetzung der Darmflora hat und diese in Richtung einer Prevotella-Dominanz beeinflusst.
Das Resultat der Forschung lässt die Mediziner bereits über therapeutische Strategien nachdenken: Sie überlegen, ob Krankheiten zukünftig durch die Wiederherstellung einer "Normdarmflora" durch pharmakologische oder diätische Maßnahmen behandelt werden könnten.
Christopher Quince von der Universität in Glasgow, deren Wissenschaftler an der Studie mitgearbeitet haben, spricht davon, dass nun der statistische Beweis erbracht wurde, dass das menschliche Genom eine Bedeutung für die Bakterienflora im Körper hat. Man habe einen Zugang gefunden, über den versucht werden kann zu verstehen, warum man diese Unterschiede der Darmflora vorfindet.
Hält man sich vor Augen, dass der menschliche Magen-Darm-Trakt von mehreren Milliarden Bakterien besiedelt wird, und es geschätzt 36000 Arten gibt, die verschiedene Funktionen haben (Abbau von Proteinen, Verarbeitung von Kohlenhydraten usw.), dann steht zu vermuten, dass noch viel Forschungsarbeit zu leisten ist. Daher sprechen die Wissenschaftler in ihrer Pressemitteilung auf der Internetseite des Karolinska Institutet auch davon, dass nun groß angelegte Analysen nötig sind.
Die Pressemitteilung des Karolinska Institutet ist nachzulesen unter http://ki.se/ki/jsp/polopoly.jsp?d=130&a=156267&l=en&newsdep=130