Was macht Musik mit uns?
Dieser Text soll Kinder über die Gefahren aggressiver Musik aufklären.Bild: christiaaane, www.pixelio.de
Musik verändert uns
Erst einmal glaubt Ihr wahrscheinlich, dass man nach dem Hören von Musik noch genau der gleiche Mensch wie vorher ist. Und während man Musik hört, auch. Oder?
Na, dann schaut Euch einmal Leute an, die in einer Diskothek tanzen! Das kennt Ihr wahrscheinlich aus dem Fernsehen, auch wenn Ihr noch nie in einer Diskothek wart. Oder schaut Euch Leute bei einem Konzert mit Pop- oder Rockmusik an; auch das sieht man oft im Fernsehen. Benehmen die sich normal? Sie machen seltsame Bewegungen, sie recken die Fäuste, hüpfen, schreien …
Und nun stellt Euch einmal vor, es gäbe eine geheimnisvolle Medizin, und jeder, der sie einnimmt, würde sich plötzlich so benehmen: Herumhüpfen, den Kopf hin- und herbewegen und andere verrückte Dinge machen. Eine Medizin, welche die Menschen so verrückt macht, würde bestimmt sofort verboten werden. Aber genau diese seltsame Wirkung haben Musikstile wie Pop, Rock, Rap oder Techno. Und wie Ihr in diesem Aufsatz erfahren werdet, ist das nicht die einzige Wirkung, ja nicht einmal die gefährlichste!
Mit bestimmten medizinischen Apparaten kann man untersuchen, was im Gehirn vor sich geht. Und mit Hilfe solcher Apparate haben Wissenschaftler festgestellt, dass Musik tatsächlich so stark wie ein verschreibungspflichtiges Medikament wirken kann. Trotzdem muss man sich Musik nicht vom Arzt verschreiben lassen, sondern jeder kann hören, was er will. Was Musik aber nun genau im Gehirn bewirkt, das kann ganz unterschiedlich sein. So wie unterschiedliche Medikamente unterschiedliche Wirkungen haben, so haben auch unterschiedliche Arten von Musik unterschiedliche Wirkungen.
Natürlich sind auch die Menschen sehr unterschiedlich. Da gibt es nette und weniger nette, vernünftige und verrückte, gute und böse. Von bösen Menschen sagt man auch, sie haben einen schlechten "Charakter". Wenn Menschen mit einem schlechten Charakter Musik hören, die so "verrückt" macht, wie ich das oben beschrieben habe, dann können sie dazu angeregt werden, schlimme Dinge zu tun. Das ist etwa so wie wenn sie zu viel Alkohol trinken würden. Aber auch auf liebe und nette Menschen hat solche Musik eine schlechte Wirkung. Sie tun dann möglicherweise Sachen, die sie normalerweise nicht tun würden; und wenn sie solche Musik immer wieder hören, dann kann sich sogar ihr Charakter so sehr verändern, dass sie zu bösen Menschen werden.
Bild: Konstantin Gastmann, www.pixelio.de
Warum sind Menschen gut oder böse?
Eure Großeltern können sich wahrscheinlich an eine Zeit erinnern, als sich noch fast alle Kinder gut in der Schule benommen haben, als es noch nicht so viel Gewalt gab, weniger gestohlen wurde und auch kaum jemand unerlaubte Drogen genommen hat. Die Polizei schreibt schon seit vielen Jahrzehnten auf, wieviele Verbrechen ihr gemeldet werden. Und deshalb wissen wir, dass heute ungefähr dreimal so viele Verbrechen geschehen wie noch vor etwa fünfzig Jahren. Das bedeutet: Für Euch ist die Gefahr, Opfer eines Verbrechens zu werden, also beispielsweise dass Euch jemand verprügelt oder bestiehlt, dreimal so groß wie früher, als Eure Großeltern so alt waren wie Ihr!
Natürlich gab es schon immer gute und böse Menschen; aber dass es heute so viel mehr böse gibt, das ist schon seltsam. Woher mag das kommen?
Dazu müssen wir uns erst einmal überlegen, woran es denn überhaupt liegt, ob jemand gut oder böse ist. Ihr wisst ja, dass Kinder ihren Eltern meistens ein bisschen ähnlich sehen. Die Nase und die Augen wie der Vater, der Mund und die Haarfarbe wie die Mutter zum Beispiel. Man sagt, die Kinder haben das von den Eltern "geerbt". Man erbt aber nicht nur solche Äußerlichkeiten, sondern auch, ob man dumm oder klug ist, ängstlich oder mutig, und vieles andere mehr. Wenn Ihr Geschwister habt, oder wenn Geschwister unter Euren Freunden sind, dann wisst Ihr auch, dass nicht alle Geschwister genau das Gleiche erben, und dass sie deshalb ziemlich unterschiedlich sein können. Nur eineiige Zwillinge, das sind Geschwister, die am gleichen Tag geboren wurden und genau gleich aussehen, die haben auch das Gleiche von den Eltern geerbt.
Nun gibt es aber auch Fälle, in denen solche eineiigen Zwillinge nicht zusammen aufwachsen. Es kann zum Beispiel sein, dass die Eltern nur ein Kind haben wollen und das andere zu Adoptiveltern geben. Dieses Kind lernt dann seine richtigen Eltern oft gar nicht kennen, oder erst viel später, wenn es erwachsen ist.
Wissenschaftler haben auf der ganzen Welt nach solchen eineiigen Zwillingen gesucht, die bei unterschiedlichen Eltern aufgewachsen sind, und ihnen dann viele Fragen darüber gestellt, wie ihr Leben verlaufen ist, wofür sie sich interessieren, und welche Meinungen sie zu bestimmten Dingen haben. Dabei haben die Wissenschaftler festgestellt, dass diese Zwillinge zwar vieles gemeinsam haben, aber nicht alles. Sie unterscheiden sich viel mehr voneinander als das Zwillinge tun, die zusammen bei den gleichen Eltern aufgewachsen sind. Nachdem Wissenschaftler solche Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten immer wieder gemacht haben, kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Persönlichkeits- und Charaktereigenschaften dieser Zwillinge nur etwa zur Hälfte geerbt, man sagt auch "angeboren", waren, zur anderen Hälfte aber nicht. Diese andere Hälfte müssen sie also erst im Lauf ihres Lebens erworben haben. Aber wie?
Nun, wie Ihr wisst, hat alles, was wir tun und denken, mit unserem Gehirn zu tun. Und jeder Reiz, der auf uns einwirkt, also alles was wir sehen, hören und fühlen, bewirkt eine winzigkleine Veränderung im Gehirn. Also hat eigentlich alles, was wir so täglich erleben, einen Einfluss auf unser Gehirn und damit auch auf unseren Charakter. Das gilt auch für die Musik, die wir hören.
"Moment mal", sagt Ihr jetzt vielleicht, "wenn alles einen Einfluss auf uns hat, dann kann die Musik doch nur einen ganz kleinen Anteil daran haben!" Nun, das kommt darauf an, wieviel Musik man hört! Die meisten Menschen hören mehrere Stunden am Tag Musik (oft nur so nebenher), und Musikhören ist bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei vielen Erwachsenen, die häufigste Freizeitbeschäftigung. Das heißt: Musik beeinflusst die meisten Menschen mehr als alles andere!
Aber nun kommt noch etwas dazu. Erinnert Euch an den Anfang dieses Textes: Da sprach ich davon, wie verrückt sich viele Menschen benehmen, wenn sie bestimmte Musik hören. Vielleicht habt Ihr auch schon erlebt, dass manche Menschen bei trauriger Musik weinen. Musik beeinflusst uns also besonders stark. Das macht sie, indem sie Gefühle in uns hervorruft. Klar, ein Film im Kino oder im Fernsehen kann das auch – aber ist Euch schon aufgefallen, dass auch da oft Musik im Hintergrund zu hören ist? Und die beeinflusst sehr stark, wie Ihr auf den Film reagiert; nur wird Euch das meistens nicht bewusst, es passiert sozusagen automatisch.
Nun gut, Ihr werdet jetzt vielleicht denken: "Ja, Musik beeinflusst mich, solange ich sie höre; aber hinterher ist doch alles wieder wie vorher!"
Aber das scheint nur so.
Es ist wie mit dem Größerwerden. Ihr seid doch heute größer als noch vor einem Jahr, oder? Und in einem Jahr werdet Ihr größer sein als heute. Aber wie war das gestern? Wart Ihr da noch kleiner als heute? Wahrscheinlich schon; aber um so wenig, dass Ihr es nicht messen und nicht bemerken könnt. Wenn etwas sehr langsam passiert, kann man es nicht direkt beobachten. Auch wenn Ihr eine Pflanze anschaut, könnt Ihr nicht sehen, wie sie wächst. Erst nach ein paar Tagen oder Wochen merkt Ihr, dass sie größer geworden ist. Und genauso ist das mit Eurem Denken und mit Eurem Charakter. Benehmt Ihr Euch etwa noch genauso wie Ihr es im Kindergarten getan habt? Hoffentlich nicht! Ihr seht: Auch Ihr verändert Euch; und wie Ihr Euch verändert, das hat eben auch damit zu tun, welche Musik Ihr hört, und natürlich auch damit, was Ihr im Fernsehen anschaut, oder welche Computerspiele Ihr spielt; und wie oft und wie lange Ihr das alles macht. Denn für das Gehirn sind das wirkliche Erfahrungen. Auch wenn Ihr natürlich wisst, dass im Fernsehen Schauspieler sind, und dass Musik eben nur Musik ist – ein Teil Eures Gehirns weiß das nicht. Andernfalls würden Euch Filme und Musik ja völlig kalt lassen und langweilen, weil sie nur erfunden und künstlich sind und nichts mit Eurem wirklichen Leben zu tun haben. Ihr hättet dann gar kein Interesse daran, überhaupt einen Film anzusehen oder irgendeine Musik zu hören.
Ein Experiment
Wissenschaftler haben schon viele Experimente zur Wirkung von Musik gemacht. Von einem möchte ich Euch erzählen: Ein kurzer Film zeigte eine junge Frau in einem Juweliergeschäft, und später, wie sie im Besitz eines wertvollen Rings ist. Wie die Frau zu dem Ring gekommen ist, wird im Film nicht gezeigt. Dieser Film wurde Schülern der 5. bis 10. Klasse mit verschiedener Musik gezeigt. Die einen hörten den Film mit Popmusik, die anderen mit klassischer Musik. Danach sollten die Schüler sagen, was in der Geschichte vorgefallen ist. Das Ergebnis: Von den Schülern, die den Film mit Popmusik gesehen haben, glaubte fast die Hälfte, dass die Frau den Ring gestohlen hat. Von den Schülern, denen der Film mit klassischer Musik vorgespielt wurde, glaubten das nur ganz wenige. Ist das nicht bemerkenswert, dass man bei Popmusik viel eher an Kriminalität denkt als bei klassischer Musik?
Bild: Dieter Schütz, www.pixelio.de
Wie unser Gehirn lernt und arbeitet
Wahrscheinlich habe ich Euch immer noch nicht ganz überzeugt, oder? Ihr sagt: "Ich entscheide doch, was ich denke und tue, und nicht irgendeine Musik oder irgendein Film!"
Ich weiß, man kann sich das schwer vorstellen. Auch viele Erwachsene glauben das nicht, und doch ist es so.
Habt Ihr nicht schon einmal irgendeine Dummheit gemacht, die Euch später leid tat, und von der Ihr gar nicht verstehen könnt, warum Ihr sie gemacht habt? Oder habt Ihr nicht auch schon erlebt, dass Eure Lehrerin einen Mitschüler fragte, warum er etwas Freches gemacht hat, und derjenige zuckte nur mit den Schultern, weil er es sich wirklich nicht erklären konnte?
Ja, so ist es leider! Wir tun oft Dinge ganz spontan, ohne nachzudenken, weil das so in unserem Gehirn "einprogrammiert" ist. Das muss sogar manchmal so sein. Stellt Euch nur vor, Ihr müsstet Euch beim Fahrradfahren oder sogar beim Laufen ganz bewusst auf jede Bewegung Eurer Beine konzentrieren! Oder wenn Ihr mit der Hand auf eine heiße Herdplatte kommt, müsstet Ihr erst überlegen, ob Ihr die Hand zurückziehen sollt oder nicht! Vieles läuft in Eurem Gehirn ganz automatisch ab; jedenfalls, wenn Ihr es lange genug geübt habt (das mit der Herdplatte muss man nicht einmal üben). Wenn nun jemand zum Beispiel oft Filme ansieht, in denen es viel Gewalt und Verbrechen gibt, und in denen so ein Verbrecher auch noch als Held dargestellt wird, und wenn der Verbrecher für das, was er tut, nicht bestraft wird, dann prägt sich das im Laufe der Zeit so stark in sein Gehirn ein, dass er es schließlich ganz normal und in Ordnung findet, jemanden zu verprügeln, etwas kaputtzumachen oder etwas zu stehlen. Besonders schlimm ist es bei Videospielen, weil man da selber in die Handlung eingreift. Man "erschießt" zum Beispiel Menschen auf dem Bildschirm. Und wie ich bereits vorher sagte: Ein Teil des Gehirns weiß nicht, dass das nur ein Spiel ist, und dieser Teil gewöhnt sich dann daran, Menschen zu erschießen. Tatsächlich haben fast alle, die in den letzten Jahren sogenannte Amokläufe begangen haben, gewalttätige Computerspiele gespielt – und auch Rockmusik oder etwas Ähnliches gehört.
Bild: Paul-Georg Meister, www.pixelio.de
Gewalt in der Musik
Aber gibt es in Musik überhaupt Gewalt?
Musik besteht bekanntlich aus Tönen und Klängen. Man sieht Musik nicht, man hört sie. Aber auch Gewalt kann man hören! Wenn Leute miteinander kämpfen, hört man, wie sie stöhnen oder schreien, und man hört die Geräusche der Schläge; und wenn jemand etwas kaputtschlägt, hört man es krachen. Schüsse und Explosionen sind sowieso gut zu hören. Aber auch wenn jemand nur spricht, kann man aus seinem Tonfall erkennen, ob er gut oder schlecht gelaunt, fröhlich oder wütend ist. Sogar wenn er in einer Sprache redet, die man nicht versteht – nur wegen des Tonfalls, wegen der Art, wie er spricht.
Und das alles gilt auch für die Musik. Bei typischer Pop- oder Rockmusik ist immer ein Schlagzeug dabei (oder entsprechende elektronisch erzeugte Geräusche). Findet Ihr es normal, wenn jemand in einem Musikstück fast pausenlos auf ein Schlagzeug eindrischt? Das ist doch die pure Gewalt und hat eigentlich nicht viel mit Musik zu tun! Andere Instrumente, zum Beispiel elektronische Gitarren, machen in der Rockmusik oft verzerrte, schrille Klänge, die ebenfalls sehr aggressiv klingen. Ihr wisst doch, was "aggressiv" bedeutet? Man ist aggressiv, wenn man wütend ist und Andere am liebsten beschimpfen oder sogar schlagen möchte – und es vielleicht sogar tut. Die meisten Pop- und Rocksänger singen sehr aggressiv, ja sie schreien geradezu! Manchmal ächzen und stöhnen sie auch, als hätten sie starke Schmerzen. Rapper sprechen zwar mehr als dass sie singen, aber auch das tun sie meistens in einem aggressiven, überheblichen Tonfall. Wenn Euch jemand in so einem Tonfall auf der Straße ansprechen würde, was würdet Ihr dann wohl von ihm halten? Und schaut Euch die Musiker mal an, wie verrückt sie sich bewegen, und wie finster, aggressiv oder verzerrt oft ihr Gesichtsausdruck ist! Um solche Leute würde man einen großen Bogen machen, wenn man ihnen auf der Straße begegnet.
Wie Ihr seht, drücken Pop, Rock, Rap, Techno und ähnliche Musikrichtungen lauter schlechte, ungesunde und böse Dinge aus. Damit übertragen und wecken sie auch beim Hörer schlechte Gefühle wie Hass und Aggression. Solche Musikrichtungen kann man deshalb zusammenfassend "Gewaltmusik" nennen. So muss man nicht alle einzeln aufzählen, und außerdem zeigt es, dass sie Gewalt beinhalten: Gewalt, die man hören kann.
Manche Menschen können eine solche Musik nicht ertragen; sie fühlen sich von ihr angegriffen – und das ist ja auch völlig normal! Aber viele – sehr viele – Leute gewöhnen sich leider an diese aggressive Musik; so, wie man sich auch an Horrorfilme mit schrecklichen Bildern gewöhnen kann. Und das ist gefährlich. Indem man sich nämlich daran gewöhnt, findet man solche Dinge auch nicht mehr schlimm, ja mehr noch: Man übernimmt die in der Musik ausgedrückten Gefühle, empfindet sie also selbst und wird selber aggressiv, feindselig und überheblich. Wenn man solche Musik oft hört, wird das Fühlen von Hass und Aggression sozusagen zum Normalzustand, und man findet das gar nicht mehr ungewöhnlich. Das sind dann diejenigen Kinder aus Eurer Klasse, die im Unterricht stören, andere hänseln und ärgern, und die verbotene Dinge machen, wie bei Klassenarbeiten betrügen oder stehlen. Manche fangen später an zu rauchen oder Alkohol zu trinken, oder sie nehmen sogar Drogen, die auch für Erwachsene verboten sind. Überlegt doch einmal, wer in Eurer Klasse gerne Gewaltmusik hört, und wer klassische Musik hört, also Musik beispielsweise von Bach oder Mozart: Ist es nicht so, dass die Kinder, die sich für klassische Musik interessieren (oft spielen sie selbst ein Musikinstrument) friedlicher und netter sind? Und wahrscheinlich schreiben Sie auch bessere Noten!
Ja, tatsächlich: Kinder, die klassische Musik hören, schreiben bessere Noten und bekommen später einmal einen besseren Beruf als Kinder, die Gewaltmusik hören. Macht Gewaltmusik also dumm? Nun, weil diese Musik aggressiv macht, werden viele Kinder, die sie hören, auch aggressiv gegenüber der Schule. Sie denken nicht an die Zukunft, sondern an ihr Vergnügen und ihre Bequemlichkeit und haben "keinen Bock" auf Schule und Lernen. Sie sind vielleicht nicht wirklich dumm; sie könnten lernen und im Unterricht aufpassen, aber sie wollen es nicht.
Bild von Christian Steiner, www.pixelio.de
Gewaltmusiker: Schlechte Vorbilder
Nun kann man sich denken, dass die Leute, die selber Gewaltmusik machen, also die Musiker, erst recht aggressiv und böse sein müssen. Und das ist auch oft so! In Zeitschriften oder im Weltnetz (das komischerweise auch bei uns meistens auf Englisch "Internet" genannt wird) liest man immer wieder, dass Gewaltmusiker verbotene Dinge tun. Die meisten nehmen Drogen, viele prügeln sich oder stehlen.
Dieses Verhalten der Musiker ist eine weitere Gefahr; denn für viele Kinder und Jugendliche sind die Musiker Vorbilder, an denen sie sich orientieren. Das sieht man sogar an der Kleidung: Im Sommer tragen viele Mädchen bauchfreie Oberteile, weil sie das bei Britney Spears oder Christina Aguilera gesehen haben; und Jungen tragen ihre Hosen ganz tief sitzend ohne Gürtel, weil das die Rapper so machen. Und wenn diese Vorbilder verbotene Dinge tun, dann machen ihnen das viele "Fans" leider ebenfalls nach, so böse und dumm das auch ist. Aber die Musik hat eben dazu geführt, dass sie nicht mehr richtig zwischen Gut und Böse unterscheiden können, oder dass sie sich sogar ganz bewusst für das Böse entscheiden.
Ja, Gewaltmusik ist tatsächlich ein wichtiger Grund dafür, warum es heute so viel mehr unehrliche und gewalttätige Menschen gibt als früher! Auch Gewalt im Fernsehen und in Videospielen macht Menschen gewalttätig. Aber dass so viele Menschen unehrlich sind, lügen, betrügen, stehlen und Drogen nehmen, das hat offenbar fast nur mit Gewaltmusik zu tun; darauf haben Fernsehen und Videospiele kaum einen Einfluss.
Warum hören Leute Gewaltmusik?
Nun fragt Ihr vielleicht: "Wenn Gewaltmusik so schlimm ist, warum hören sie dann so viele Leute?" Ja, das wundert mich auch immer wieder, und es ist auch nicht so einfach zu erklären.
In unserem Gehirn sind Dinge einprogrammiert, die vor vielen Jahrtausenden, in der Steinzeit, zum Überleben notwendig waren und sich deshalb von Generation zu Generation weitervererbt haben. Auch Aggression gehört dazu. In der Steinzeit hat sich der Stärkste durchgesetzt. Es war von Vorteil, wenn man gewalttätig war. Auch auf die Jagd musste man gehen. Bevor die Menschen den Ackerbau erfunden haben, brauchten sie viel Fleisch, um überleben zu können, denn von ein paar Beeren, die man im Wald findet, wird man nicht satt. Das Fleisch konnten sie aber nicht irgendwo kaufen wie wir heute, sondern sie mussten selber die Tiere jagen und töten. Das taten normalerweise die Männer, während die Frauen auf die Kinder aufpassten oder Beeren sammelten. Deshalb sind Jungen auch meistens aggressiver als Mädchen. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber im Großen und Ganzen könnt Ihr das bestimmt bestätigen: Jungen prügeln sich öfter als Mädchen. Und Jungen hören meistens auch mehr Gewaltmusik!
Der "Aggressionstrieb", also das Bedürfnis, gewalttätig zu sein, ist in jedem von uns; in Jungen und Männern stärker als in Mädchen und Frauen. Und weil der Aggressionstrieb früher einmal so wichtig für das Überleben war, haben leider noch heute viele Menschen Spaß daran, diesen Trieb "auszuleben" – das bedeutet, sie haben Spaß am Kämpfen, an Gewalt in Filmen, an gewalttätigen Videospielen, und an einer Musik, die Gewalt ausdrückt, eben an Gewaltmusik. Manche glauben, sie könnten sich damit "abreagieren", aber das ist ein großer Irrtum. Vielleicht sind sie nach dem Hören aggressiver Musik müde, und deshalb glauben sie, dass sie sich abreagiert haben. Aber Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das nicht funktioniert. In Wirklichkeit übt man Aggression gewissermaßen ein, wenn man Gewalt ansieht oder Gewaltmusik hört: Jedesmal wird man ein kleines bisschen aggressiver und eher bereit, Regeln zu verletzen, was man zunächst gar nicht merkt. Erinnert Ihr Euch? Was sehr langsam geschieht, kann man nicht direkt beobachten. Erst im Nachhinein, nach längerer Zeit, bemerkt man die Veränderung. Aber dann ist es schon zu spät!
Bild: S. Hofschlaeger, www.pixelio.de
Immer mehr Verbrechen
Die Entwicklung, dass es von Jahr zu Jahr mehr Verbrechen gab, fing vor etwa 50 bis 60 Jahren an. Damals gab es noch keine Videospiele, und viele Haushalte hatten noch kein Fernsehen. Auch waren die Inhalte im Fernsehen noch nicht so brutal wie heute, und das Programm wurde nicht rund um die Uhr ausgestrahlt, sondern nur ein paar Stunden am Tag. Aber Radiogeräte gab es schon damals fast überall, und in den 1950er Jahren erfand man eine Musik, die noch aggressiver war als die bis dahin bekannten populären Musikrichtungen Jazz und Blues, nämlich den Rock'n'Roll, aus dem wenig später die verschiedenen anderen Arten der Pop- und Rockmusik hervorgegangen sind. Und kurz nachdem man angefangen hatte, diese Musik im Radio zu senden und auf Schallplatten aufzunehmen, das war zunächst in den USA, da stieg die Anzahl der von Jugendlichen begangenen Verbrechen unglaublich stark an. Es waren nämlich vor allem die Jugendlichen, die diese Musik hörten. Aber bald waren diese Jugendlichen erwachsen. Sie hörten die Musik weiterhin, und ihre Kinder hörten sie auch. So verbreitete sich die Musik immer weiter, und es gab immer mehr Verbrechen. In den 1980er Jahren kam dann in den USA die Rapmusik in Mode. Zu uns nach Europa kam sie etwa zehn Jahre später. Der Rap ist zwar nicht aggressiver als die Rockmusik, aber viele seiner Musiker, die Rapper, sind besonders schlimme Verbrecher, und sie erzählen in ihrer Musik von Verbrechen und anderen schlimmen Dingen. Und was glaubt Ihr, geschah nun, als der Rap in Mode kam? Richtig! Die Kriminalität von Jugendlichen und sogar von Kindern nahm nochmals zu; vor allem die Gewaltkriminalität, also Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Morde. In manchen Gebieten Deutschlands verdreifachte, verfünffachte, ja versiebenfachte sich die Gewaltkriminalität von Kindern und Jugendlichen innerhalb weniger Jahre. Das muss man sich einmal vorstellen: Plötzlich begehen siebenmal so viele Kinder und Jugendliche Gewaltverbrechen wie noch wenige Jahre zuvor! Da muss eine unheimlich große Kraft am Werk gewesen sein. Im Grunde waren es wohl zwei Kräfte: die Rapmusik, und die Gewaltvideospiele, die von immer mehr Kindern und Jugendlichen gespielt wurden. Viele gründeten Verbrecherbanden nach dem Vorbild der "Gangs" in Amerika, von denen im Rap erzählt wird, und denen auch viele Rapper angehört haben, bevor sie mit der Musik noch mehr Geld verdienen konnten als mit Einbrüchen oder dem Verkaufen von Drogen.
Was tun?
Und was tun die Erwachsenen nun dagegen? Fast nichts! Wenn etwas ganz Schlimmes passiert wie ein Amoklauf, bei dem ein Jugendlicher mehrere Menschen umbringt, dann diskutieren sie eine Weile darüber. Aber weil viele nicht glauben wollen, dass Gewalt in der Musik, im Fernsehen und in Videospielen an so vielen Verbrechen mitschuldig ist, wird nichts unternommen, und bei der Musik am allerwenigsten. Manche besonders brutalen Videospiele dürfen an Kinder und Jugendliche zwar nicht verkauft werden, aber da viele unehrlich sind, besorgen sie sich die Spiele über Freunde oder laden sie aus dem Netz herunter. Und bei Musik gibt es fast gar keine Einschränkungen. Da darf jeder fast alles kaufen und hören. Wenn Erwachsene über die Gefährlichkeit von Musik sprechen, was sie selten tun, dann reden sie normalerweise nur über die Texte, die gesungen oder gerappt werden; dabei kann, wie Ihr jetzt wisst, schon der Klang der Musik alleine sehr gefährlich sein!
Leider wollen auch viele Lehrer nicht wahrhaben, dass Gewaltmusik gefährlich ist. Sie machen diese Musik sogar mit den Schülern im Unterricht, und in vielen Schulen gibt es Schülerbands, die Rockmusik spielen. Sogar bei Gottesdiensten wird manchmal Gewaltmusik gespielt, obwohl die Vertreter der Kirchen immer behaupten, dass sie gegen Gewalt sind.
Aber mit dem Rauchen war es früher genauso: Obwohl die Wissenschaftler schon längst herausgefunden hatten, dass Rauchen Menschen krank machen, ja sogar umbringen kann, wurde jahrzehntelang kaum etwas dagegen unternommen. Vielleicht auch deshalb, weil viele Politiker, welche die Gesetze machen, selbst Raucher waren. Ich glaube, dass die Politiker heute auch deshalb nichts gegen Gewaltmusik unternehmen, weil sie selber mit dieser Musik aufgewachsen sind und sie noch immer gerne hören. Da müssten sie sich ja eingestehen, dass sie die Gefährlichkeit der Musik viele Jahre lang nicht erkannt haben! Nur wenige Menschen sind bereit, einen so großen Fehler zuzugeben. Und vielleicht denken die Politiker auch: Wenn wir Gewaltmusik verbieten, dann wählen uns die Menschen nicht mehr, weil die meisten diese Musik so gerne hören.
Wie wäre es ohne Gewaltmusik?
Klar, wenn man Gewaltmusik von heute auf morgen abschaffen würde und könnte, dann würde sich zunächst gar nicht so viel ändern: Denn die Menschen, die durch jahrelanges Hören dieser Musik einen schlechten Charakter bekommen haben, würden meistens so bleiben wie sie sind. Aber die Kinder, die dann ohne Gewaltmusik aufwachsen, werden ja älter, und die ganz alten Leute sterben. Und so würde es nach und nach wieder mehr ehrliche und friedliebende Leute geben. Ihr müsstet weniger Angst davor haben, dass Euch jemand betrügt oder bestiehlt. Es gäbe auch weniger Gewalt an den Schulen: Es käme seltener vor, dass Schüler, die nicht die "angesagte" Kleidung tragen, die dick oder unsportlich sind, die stottern oder lispeln, oder die eine Brille haben, von anderen ausgelacht und gequält werden. Es gäbe auch weniger Schüler, die, weil sie "keinen Bock" auf Schule haben, keinen oder einen nur sehr schlechten Schulabschluss machen – und damit weniger Leute, die von Sozialhilfe (heute sagt man auch "Hartz IV") leben müssen. Und nicht nur das: Weil es weniger unehrliche Leute gäbe, würden weniger Leute bei der Steuererklärung oder beim Antrag auf Sozialhilfe lügen, um weniger Steuern zu bezahlen, beziehungsweise um mehr Sozialhilfe zu bekommen. Der Staat hätte dann viel mehr Geld, um seine Schulden zu begleichen, und um beispielsweise Schulen und Krankenhäuser zu finanzieren, Tieren zu helfen oder kaputte Straßen zu reparieren. Und wusstet Ihr, dass im Durchschnitt jeder Mensch in Europa, auch Ihr Kinder, jedes Jahr beim Einkaufen über 70 Euro mehr bezahlen muss, um den Verlust, der bei Ladendiebstählen entsteht, auszugleichen? Denn wenn ein Ladenbesitzer Geld durch Diebstähle verliert, dann muss er die Preise erhöhen, um noch das Gleiche zu verdienen. Viele Sachen könnten also billiger sein, wenn weniger Leute stehlen würden.
„Gute“ Musik
Wenn man heutzutage den Fernseher einschaltet oder in den Supermarkt oder in eine Gaststätte geht, kann man den Eindruck bekommen, es gäbe überhaupt keine andere Musik außer Gewaltmusik. Aber so ist das natürlich nicht. Musik, die keine Gewaltmusik ist, nennt man manchmal E-Musik; das bedeutet "ernste Musik". Aber das ist eine unpassende Bezeichnung, denn diese Musik ist nicht immer ernst. Ein auch nicht ganz passender, aber doch besserer Begriff – ich habe ihn weiter oben schon verwendet – ist "klassische Musik". Diese Art von Musik ist – wie die Gewaltmusik auch – sehr vielfältig; ja sogar noch vielfältiger als Gewaltmusik, denn in den letzten Jahrhunderten wurden ganz unterschiedliche Arten "klassischer" Musik komponiert, für ganz unterschiedliche Arten von Musikinstrumenten. Wenn Euch also irgend ein klassisches Musikstück nicht gefällt, dann bedeutet das nicht, dass Euch klassische Musik grundsätzlich nicht gefallen würde. Auch kann ein und dasselbe Musikstück ganz unterschiedlich klingen, je nachdem wer es spielt. Bei älterer Musik macht es auch einen großen Unterschied, ob sie auf modernen Instrumenten gespielt wird oder auf den Instrumententypen ihrer Entstehungszeit, was natürlich viel passender ist. Klassische Musik ist meistens viel interessanter und abwechslungsreicher als Gewaltmusik. Um klassische Musik gut zu spielen, muss man viele Jahre üben. Sie kann viele verschiedene Gefühle darstellen, aber sie weckt eben nicht den Aggressionstrieb wie die Gewaltmusik. Und anders als die meisten Gewaltmusiker sind klassische Musiker in der Regel keine schlechten Vorbilder. Es gibt sehr preisgünstige CDs mit klassischer Musik, und wohl überall kann man einen Radiosender empfangen, bei dem hauptsächlich klassische Musik zu hören ist. Sucht einmal danach!
Auf Euch kommt es an!
Ihr wisst jetzt mehr über die Wirkung von Musik als viele Andere, sogar mehr als die meisten Erwachsenen. Wenn Ihr Musik hört, dann achtet genau darauf, was diese Musik mit Euch macht! Vergesst aber nicht, dass sich Gewaltmusik für viele Leute, und vielleicht auch für Euch, gut anhören kann! Sie ist trotzdem gefährlich. Das ist wie mit dem Alkohol: Man fühlt sich vielleicht zunächst wohl, aber schließlich macht man Dinge, für die man sich hinterher schämt (wenn man sich überhaupt noch daran erinnert). Und wenn man oft zu viel Alkohol trinkt, dann wird man davon krank und dumm (weil Gehirnzellen zerstört werden).
Die Musik, die Ihr hört, hat also einen großen Einfluss darauf, was aus Euch wird, wenn Ihr älter seid. Es kann schwierig sein, nicht das zu tun, was die Mehrheit tut. Lasst Euch nicht davon beeinflussen, wenn Euch Andere auslachen, weil Ihr klassische Musik statt Gewaltmusik hört! Menschen, die andere auslachen und hänseln, haben es doch gar nicht verdient, dass man ihnen nachläuft, oder?
In einigen Jahren seid Ihr erwachsen. Wenn Ihr darauf verzichtet, Gewaltmusik zu hören, und wenn Ihr ehrliche, anständige Menschen bleibt, dann könnt Ihr etwas gegen diese Musik unternehmen. Ihr werdet einmal selbst Eltern, Lehrer, Politiker oder Wissenschaftler sein, und dann könnt Ihr anderen Leuten sagen, wie gefährlich Gewaltmusik ist; und Ihr könnt Gesetze machen, die Gewaltmusik – und Gewalt im Fernsehen und in Videospielen – verbieten oder wenigstens stark einschränken. Aber vielleicht gelingt es Euch auch schon jetzt, einige Erwachsene davon zu überzeugen, dass Gewaltmusik die Menschen unehrlicher und aggressiver macht als sie es normalerweise wären. Für Erwachsene gibt es einige Texte zum Thema auf http://klausmiehling.npage.de, und auch hier auf pagewizz.com.
Wenn Ihr also Musik hört, dann überlegt erst einmal: Was drückt diese Musik aus? Wie fühlt sich jemand, der so singt? Ist die Musik friedlich oder aggressiv? Was sind das für Menschen, die solche Musik gerne hören? Musik kann Gutes, aber auch Schlechtes bewirken. Ihr wisst jetzt Bescheid.
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Bildquelle:
Donnaya
(Gothic, Mittelalter, Dark Metal - Musik außerhalb des Mainstreams)