Saudi-Arabien 2011: Wegen Hexerei hingerichtet

Hierzulande haben kleinere und größere Hexen als frech-magische Figuren längst die Kinderzimmer erobert. Wer "Hexerei" in Google eingibt, stößt auf einen florierenden Wirtschaftszweig: Mit allerlei Liebeszauber lässt sich hierzulande gutes Geld verdienen. Nur historisch Interessierte denken bei "Hexerei" heute noch an den Hexenhammer, an Menschen, die im Feuer ihr Leben ließen, doch das alles ist längst vorbei, wird unter "mittelalterlich" abgelegt.

Doch am 12.12.2001 ging folgende Meldung durch die Medien: In Saudi-Arabien wurde eine Frau wegen Hexerei enthauptet. Dass man hierzulande überhaupt etwas von Hinrichtungen wegen Hexerei hört, ist allerdings selten. Dabei sind Verurteilungen wegen Hexerei weltweit sehr häufig: Wer auf der internationalen Seite von Amnesty International sucht, findet Berichte über Hexenvorfolgungen aus aller Welt: Nepal, Iran, Indonesien, Zimbabwe, Papua-Neuguinea, Mauretanien und Uganda sind nur einige der Länder, die genannt werden. Amnesty International berichtet von tausenden Menschen, die wegen Hexerei verurteilt, verschleppt, eingesperrt oder hingerichtet werden.

Gesetze - Hexerei – ein offizielles Delikt

"Est puni d'un emprisonnement de deux à dix ans et d'une amende de 5 000 à 100 000 francs celui qui se livre à des pratiques de sorcellerie, magie ou divination susceptibles de troubler l'ordre ou la tranquillité publique, ou de porter atteinte aux personnes, aux biens ou à la fortune d'autrui même sous forme de rétribution."

 

Sinngemäße Übersetzung:*

"Mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren und einer Geldstrafe von 5000 bis 100000 Francs wird bestraft, wer sich Praktiken der Hexerei, Magie oder Wahrsagerei widmet, die geeignet sind, die öffentliche Ordnung oder den öffentlichen Frieden zu stören oder Personen, Gütern oder dem Schicksal eines anderen zu schaden, besonders oder auch gegen Honorar."

Aus dem kamerunischen Strafgesetzbuch, Artikel 251 (Quelle: fr.wikipedia.org)

 

*Übersetzt von Alice Alphabet mit Unterstützung von Merlin und Leseratte. Herzlichen Dank! 

 

Sonne (Bild: Luke27, pixelio.de)

Hexerei: Alltag in vielen Ländern

In bestimmten afrikanischen Regionen gibt es kaum ein Kind, das keine Koranverse zum Schutz vor Hexerei um den Hals trägt. Erkrankt jemand, wird häufig Hexerei als Ursache vermutet. Verschiedene Rituale, die meist geheim sind, werden angewandt, um die Hexerei in den Griff zu bekommen. Das Verbrennen von Kräutern mit heftiger Rauchentwicklung ist nur eins davon.

Bei einem längeren Aufenthalt in Kamerun bin ich dem Thema "Hexerei" immer wieder begegnet, obwohl die Einheimischen im Allgemeinen die Haltung hatten, die Weißen verstünden nichts davon und bräuchten auch nichts darüber zu wissen. Als wir jedoch einen Nachtwächter engagierten, ging dieser selbstverständlich davon aus, dass er das Areal vor menschlichen und tierischen Eindringlingen und Hexerei zu schützen habe. Letzteres galt as das Schwierigste und er pries sich als wahren Experten auf diesem Gebiet. Wohlgemerkt: In Kamerun ist nicht die Hexerei an sich verboten. Verboten ist, Anderen durch Hexerei Schaden zuzufügen.

Einmal habe ich in einem Sammeltaxi einen Mann getroffen, der schon eine vier Tage lange Reise durch den Busch hinter sich hatte. Sein Ziel war eine Frau, die seinen Sohn verhext hatte; er suchte sie auf, um Verzeihung für ein nicht näher definiertes Ereignis in der Vergangenheit zu erbitten und ihr eine finanzelle Entschädigung zukommen zu lassen. Derartige Fragmente afrikanischen Alltags lassen vermuten, dass dem Glauben an die Hexerei auch eine wichtige soziale Funktion zukommt: Es geht um Schuld und Wiedergutmachung. Aufgeklärte Europäer können nur hoffen, dass der kleine Sohn des Mannes durch die Anstrengung des Vaters wirklich gesund wurde. Andererseits hatte die vermeintliche Hexe Glück, dass der Mann versuchte, die vergangene Schuld zu bereinigen. Nicht auszudenken, wenn der Mann die vermeintliche Hexe angezeigt hätte: Immerhin droht Menschen, die Anderen durch Hexerei schaden, bis zu zehn Jahren Haft.

Es wäre jedoch zu einfach, Hexerei einfach als Aberglaube "vorindustrieller Völker, die vorwiegend Naturreligionen anhängen" abzutun. Der Glaube oder das Wissen um Hexerei zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Auch Menschen mit Universitätsabschluss und getaufte Christen teilen dieses kulturelle Erbe. Viele aufgeklärte und gebildete Leute suchen im Krankheitsfall dann eben die Universitätsklinik und einen Zauberer auf. Hexerei heute betrifft auch moderne Themen. So können auch fallende Aktienkurse auf Hexerei zurückgeführt werden. 

Hexerei betrifft wirklich alle Lebensbereiche. Von Zeit zu Zeit greifen europäische Medien dieses Thema auf: So erschien im Zuge der Fußball-WM 2010 auf Spiegel-Online der lesenswerte Artikel "Fußball von allen guten Geistern verlassen".

Gefahren der Hexerei

Übernimmt man kurz die Perspektive, dass Hexerei an Krankheiten, Dürre, fallenden Aktienkursen und konditionsschwachen Torjägern schuld sein kann, wird die Angst vor diesen Kräften ummittelbar verständlich. Leider sind die Mittel gegen Hexerei nicht immer gesund. Ich bin immer wieder auf Menschen mit Vergiftungen gestoßen, die zuvor Kräuteressenzen zur Abwehr von Hexerei getrunken hatten.

Amnesty International berichtet in diesem Zusammenhang von einer groß angelegten Hexenjagd-Kampagne in Gambia: Im März 2009 seien bis zu 1000 Menschen aus ihren Dörfern in geheime Camps verschleppt und gezwungen worden, halluzinogene Substanzen zu trinken. Diese hätten die Nieren der Betoffenen geschädigt, sechs Personen seien gestorben. Augenzeugen und Opfer hätten berichtet, dass die "Hexendoktoren" von Offiziellen wie Polizei, Militär und Vertretern aus Präsident Yahya Jammehs persönlicher Leibgarde begleitet wurden.

Auch die Hexerei selber bedient sich psychoaktiver Substanzen. So erlebte ich einmal, dass vorgeschlagen wurde, einen Diebstahl nicht mit Hilfe der Polizei, sondern durch Hexerei aufzuklären. Dabei sollte eine magische Flüssigkeit eingesetzt werden, die die Verdächtigen zu trinken hätten: Die Unschuldigen würden das überleben, der Schuldige schwere Symptome erleiden, möglicherweise auch sterben.

Das Magazin "Express" berichtet von einer Massenpanik bei einem Fußballspiel, als 2008 in der Republik Kongo ein Torhüter versuchte, das Spiel durch Hexerei zu drehen. Das Ergebnis: 13 Tote. Durch Hexerei und die Abwehr von Hexerei werden auch nach naturwissenschaftlichen Kriterien, fernab jeder Magie, Menschen geschädigt oder gar getötet.

Die sozialen Konsequenzen, die Verdächtigungen auf Familien und Gemeinschaften haben, können sich Außenstehende wohl kaum vorstellen. 

Hexenjagd heute

Hexenjagd heute (Bild: Anja Wichmann, bearbeitet von Gerd Altmann, pixelio.de)

Die Formen der Hexenverfolgung sind heute vielfältig: Sie reichen von blanker Lynchjustiz bis zu offiziellen Gerichtsverfahren mit Todesurteilen. Wie der Straftatbestand der Hexerei im Einzelfall nachgewiesen wird, ist mehr als fragwürdig. Ich hatte einmal die Ehre, mit einem sehr sympathischen, kamerunischen Polizisten eine lange Zugfahrt zu verbringen. Da kamerunische Polizisten sehr respektable und mächtige Personen sind, ist das wirklich sehr ehrenvoll. Und wohlgemerkt, er war privat unterwegs, sonst hätte er sich wohl kaum so ausgiebig mit mir unterhalten.

Nebenbei hatte er wohl auch das Gefühl, er müsse mich als allein reisende, weiße Frau ein bisschen beschützen. Ich habe jedenfalls die Chance genützt, ihn nach der Überführung von Hexen zu befragen. "Das sagen die Fakten", war seine lapidare Antwort auf die Frage, wie man Hexerei nachweisen könne.

Eine Reportage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Hexerei in Burkina Faso legt jedenfalls nahe, dass zum Nachweis der Hexerei bisweilen Methoden zum Einsatz kommen, die hierzulande als "Gottesurteile" aus der frühen Neuzeit bekannt sind. Liest man Berichte von Amnesty International dürfte auch Folter ein gebräuchliches Mittel sein, Geständnisse zu erzwingen.

 

Mehr über moderne Hexenprozesse erfahren Sie im 2. Teil dieser Serie.

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