Die Entwicklung der Blindenschrift kurz zusammengefasst

In verschiedensten Museen findet man noch Relikte von ehemaligen, gescheiterten Blindenschreibsystemen. Anfangs versuchte man, blinden Leuten immer wieder das herkömmliche Alphabet aufs Auge zu drücken, was wenig bis gar nichts brachte. Die Versuche, die herkömmlichen Buchstaben tastbar zu machen funktionierten zwar, aber ermöglichten dem Blinden dennoch in keinster Weise flüssig zu lesen oder zu schreiben. Die verschiedensten Geräte stanzten Buchstaben spiegelverkehrt in das Papier, wegen der komplexen Form der Buchstaben musste jedoch der blinde Leser jeden Buchstaben mühsam einzeln abtasten, was die Lesegeschwindigkeit sehr langsam machte. Weltweit wurden verschiedene Vereinfachungen des Alphabets kreiert, meist scheiterten diese Ansätze daran, dass sie immer noch nicht einfach genug waren und zu viele Schnörkseln und Wellen das Schriftbild für Blinde verwirrend gestalteten. Erst 1880 wurde die weltweit heute immer noch verwendete Brailleschrift international anerkannt. Nach dem Tod des Erfinders: Louis Braille. Louis Braille erblindete selbst mit 3 Jahren, als er sich in der Werkstatt seines Vaters eine Verletzung am Auge zufügte und sich seine Augen stark infizierten. 

Louis Braille: Ein blinder Junge erfindet die Blindenschrift

Seine entwickelte Blindenschrift besteht nur aus Punkten. Die Idee dazu bekam er von einem Offizier in Frankreich, Charles Barbier, der eine ähnliche Schrift, allerdings bestehend aus 12 Punkten, entwickelte, um sie für Nachteinsätze beim Militär zu verwenden. Louis Braille erlebte, wie gesagt, nicht mehr, wie seine Brailleschrift zur einheitlichen Blindenschrift wurde, da er bereits mit 43 Jahren an Tuberkulose verstarb.  

Die Braille Basisvollschrift
Braillealphabet

Braillealphabet (Bild: Barbara Lechner)

Braillepunkte - Nummerierung (Bild: Barbara Lechner)

Die Brailleschrift besteht aus sechs Punkten, die nummeriert sind, wie man in der Grafik links sehen kann. So ist zum Beispiel A Punkt 1, B Punkt 1 und 2 etc. Betrachtet man das oben erstellte Braillealphabet, so erkennt man sehr wohl eine logische Folge dabei. Die Buchstaben A bis J bedienen sich in ihren Kombinationen nur den Punkten 1,2,4 und 5. In der zweiten Reihe, den Buchstaben K bis T wiederholt sich die erste Reihe im Prinzip, nur wird der Punkt 3 angehängt. In der 3. Reihe kommt dann einfach der Punkt 6 dazu. Die einzige Ausnahme bildet der Buchstabe W, der sich aus dem J mit angehängtem Punkt 6 ergibt. Das liegt daran, dass das W im Französischen nicht verwendet wird und daher erst später hinzugefügt wurde.

Die oben stehenden Zeichen der Basisvollschrift werde in allen Sprachen und Ländern gleich verwendet. Natürlich kommen in den einzelnen Sprachen oft noch Buchstaben dazu, wie in der deutschen Sprache Zeichen für Ö (Punkte 2,3 und 6),Ü (Punkte 1,2,5 und 6) und Ä (Punkte 3,4 und 5). Die Satzzeichen werden in verschiedenen Ländern oft unterschiedlich kombiniert. Bei dieser Basisvollschrift hat jedes Zeichen eine Punktkombination. Großschreibung wird berücksichtigt, indem dem Buchstaben, der groß geschrieben werden muss, ein Großschreibezeichen (Punkte 4 und 6) vorangestellt wird. Die Zahlen ergeben sich ebenfalls aus den Buchstaben und sind durch ein vorangestelltes Zahlenzeichen (Punkte 3,4,5 und 6) gekennzeichnet. So ist 1 zum Beispiel Zahlenzeichen und dann A, 2 wird als Zahlenzeichen und B geschrieben etc. Zahlenzeichen und J steht für 0. Die Folge: Zahlenzeichen-A-J wäre zum Beispiel die Zahl 10.

Kannst du das Wort schon lesen?
pagewizz

pagewizz (Bild: Barbara Lechner)

Die Braillevollschrift

Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass die Zeichen in der Basisvollschrift sehr viel Platz benötigen. Ein normales Schulbuch füllt so schnell einmal acht dicke Ordner. Deswegen lernen blinde Kinder zunächst schnell, meist noch in der ersten Grundschule, zumindest die sogenannte Braillevollschrift. Dabei werden häufige Lautgruppen wie SCH, CH, AU, ÄU, EU, ß, IE und EI noch einmal abgekürzt, also haben eigene Punktkombinationen. Der gesamte Text in Braille kann durch die Vollschrift gegenüber der Basisschrift zumindest schon einmal um 5-10 Prozent verkürzt werden. Natürlich ist diese Vollschrift nicht international, da in jedem Land, bzw jeder Sprache andere Lautgruppen häufig sind.

Die Blindenkurzschrift

Wenn blinde SchülerInnen in der Braillevollschrift sattelfest sind, dann erlernen sie in der Regel als nächsten Schritt die Blindenkurzschrift. Auch diese ist nicht international, sondern in jeder Sprache unterschiedlich. Man kann sie sehr gut mit der Stenographie von Sehenden vergleichen, da sogar einige Abkürzungen gleich sind. Bei der Blindenkurzschrift werden ganze Wörter abgekürzt, so ist zum Beispiel das Wort UND nur mehr U. Die Blindenkurzschrift gibt blinden Menschen wesentlich mehr Möglichkeiten. Die meisten Blindenbücher werden in Kurzschrift gedruckt, weil die Kurzschrift einen Text in Vollschrift um bis zu 40 Prozent verkürzt. Dadurch können manche Blinde Literatur genau so schnell lesen wie Sehende und brauchen nicht für ein Buch für Sehende äquivalent gleich fünf oder zehn Bücher in der Blindenfassung. 

Erbsen auf halb 6

Weitere Blindenschriftsysteme

Damit ist es aber noch nicht getan. Es gibt noch weitere Blindenschriftsysteme, die weitaus komplexer sind und die in der Regel gar nicht alle blinden Menschen in der Schule lernen, sondern eher erst dann, wenn sie für sie eventuell beruflich relevant sind. So gibt es zum Beispiel eine eigene Musiknotenschrift, eine spezielle Blindenstenographie, eine Braillestrickschrift, eine Brailleschachschrift und vieles mehr.

Wichtig für die Schulausbildung ist natürlich auch die Mathematikschrift (inkludiert alle speziellen Mathematikzeichen) und diverse naturwissenschaftliche Schriftsysteme, wie die Chemieschrift. Auch wichtig ist die Braille Computerschrift, die sogar aus mehr als den sechs Punkten bestehen kann.

Oft sieht man auf Medikamentenpackungen und ähnlichem noch ein anderes Blindenschriftsystem mit wesentlich größeren Punkten. Das ist ein speziell entwickeltes System für ältere Menschen, die erst spät erblindet sind und deren Finger es möglicher Weise nicht mehr schaffen die feinen, kleineren Punkte unterscheiden und ertasten zu können.

Perkins Braillemaschine

Perkins Braillemaschine (Bild: Barbara Lechner)

In Europa werden in der Regel keine Schreibrahmen mehr benützt, oder kaum mehr. In Afrika kommen die <aber noch sehr oft zum Einsatz. Es sind Rahmen aus Metall, in die man ein Papier einlegen kann und dann mit einem Griffel die Braillepunkte mit der Schablone am Rahmen in das Papier drückt. Das ist recht mühsam, denn das Schriftbild muss von der schreibenden Person spiegelverkehrt eingestanzt werden, um danach lesbar zu sein. 

Die häufigste Methode zum Schreiben ist mit sogenannten Punktschriftmaschinen, die ein bisschen an eine Schreibmaschine erinnern. Man braucht dazu keinen Strom, obwohl es inzwischen auch elektronische Modelle gibt, an die man dann einen Drucker oder PC anschließen kann. Das Papier wird eingespannt und die Braillepunkte werden in das Papier gestanzt, ohne, dass man spiegelverkehrt denken muss. Bei den Punktschriftmaschinen unterscheidet man grob zwischen zwei Typen: der Bogenmaschine mit Papier und der Stenographiermaschine mit Rollstreifen. Am Häufigsten wird weltweit die Perkins Braillemaschine verwendet (siehe Foto). Die Punktschriftmaschinen haben in der Regel 6 Tasten für die einzelnen Braillepunkte, sowie einige Zusatztasten, wie zum Beispiel eine Taste für Abstand oder zum Zeilen wechseln. Um einen Buchstaben in Brailleschrift auf Papier zu prägen werden die Tasten entsprechend den benötigten Punkten gleichzeitig gedrückt.

Was heißt das?
Brailleschrift Profi

Brailleschrift Profi (Bild: Barbara Lechner)

Wie funktioniert das mit dem Computer?

Viele Menschen sind immer noch überrascht, dass blinde Leute relativ schnell am Computer arbeiten können. Zum Schreiben verwenden sie die normale Tastatur, das normale Keyboard, deswegen wird richtige Fingerhaltung und schnelles Tippen in den meisten Schulen erlernt.

Zum Lesen, was sich auf dem Bildschirm befindet, kommen sogenannte Braillezeilen zum Einsatz. Sie werden an den PC oder Laptop angeschlossen und funktionieren, indem kleine Stifte hoch kommen, die die Braillepunkte darstellen. Wenn der Blinde mit den Fingern darüber streicht, kann er lesen, was auf dem Bildschirm steht. Es gibt dabei verschiedene Braillecomputerschriften und verschiedene Modelle von Braillezeilen.

Viele Blinde verwenden auch zusätzlich oder stattdessen Sprachausgabeprogramme, die ganz einfach vorlesen, was auf dem Bildschirm steht. Deswegen sieht man es oft, dass blinde Menschen Kopfhörer aufhaben, während sie am Computer arbeiten.

Helen Keller - Lesenswerte Literatur

Sehr interessant zum Lesen sind die Bücher der taubblinden, amerikanischen Schriftstellerin Helen Keller (1880-1968) und auch die Bücher über ihr Leben. Eine beeindruckende Frau, die trotz Taub- und Blindheit einen Bachelor of Arts erreichte, sowie einen Abschluss an der Harvard Universität und noch einiges mehr. Sie hatte eine unglaubliche Lebensgeschichte.

Einige berühmte Zitate von Helen Keller

  • "Die besten und schönsten Dinge auf der Welt kann man weder sehen noch hören. Man muss sie mit dem Herzen fühlen."
  • "Wenn eine Tür des Glücks sich schließt, öffnet sich eine andere, aber oft starren wir solange auf die geschlossene Türe, dass wir die, die sich uns geöffnet hat, nicht sehen."
  • "Das höchste Ergebnis der Erziehung ist die Toleranz."
  • "Lass nie deinen Kopf hängen. Halte ihn hoch. Schau der Welt direkt in die Augen."
  • "Was ich suche ist nicht da draußen, es ist in mir."
  • "Wende dein Gesicht der Sonne zu, und du kannst den Schatten nicht sehen."

Noch eine Bitte am Schluss....

Ich wohne in Sambia, wo ich die Blindenschule "Malaikha" gegründet habe. Uns fehlt noch sehr viel. Wir haben ein paar Braillemaschinen und Schreibrahmen. Neuerdings haben wir auch ein paar Laptops für den Unterricht und unsere Kids lernen fleißig tippen. Leider konnten wir uns bis jetzt keine Braillezeilen leisten. Wir sind daher über jede Unterstützung dankbar. 

Malaikha

P.O.Box 670206

Mazabuka

Zambia

Für mehr Informationen besuche www.malaikha.com oder werde Teil unserer Facebookgruppe, die meist mehr Up-To-Date ist. Spenden können auf unserer Homepage direkt über Paypal eingezahlt werden.

Malaikha Logo (Bild: Barbara Lechner)

Laden ...
Fehler!