Romeo und Julia auf der Weide

Also jetzt spreche ich ausnahmsweise nicht von den jaulenden Katern rund um unser Grundstück (wenn die wüßten, dass alle unsere Katzen sterilisiert sind – aber unsere Katzen wissen es anscheinend auch nicht!), sondern von Ràrò, meinem ungarischen Steppenpferdchen. Unsere Nachbarin kaufte sich nämlich eine weiße Stute Pura Raza Española die ungefähr Ràròs Größe hat. Also das muss man erleben: Ich erkenne mein faules, sonst nur dem Fresstrieb frönenden Pferd gar nicht wieder!

Nun hat er den zweitwichtigsten Trieb, den Fortpflanzungstrieb entdeckt. Er wirft den Kopf hoch, stellt den Schweif in die Höhe und galoppiert stolz am Zaun auf und ab nach dem Motto: "Guckst Du auch?" Und wie die Stute, Nuria heißt sie, guckt! Die klebt genauso am Zaun, schwer beeindruckt von seiner Aufführung, mit großen Augen. Wenn unsere Nachbarin sie zum Reiten wegholt, dann pumpt Ràrò seinen Brustkorb auf und schmettert ein sehnsüchtiges Ortungswiehern nach seiner Angebeteten, da darf man nicht daneben stehen, sonst platzt einem das Trommelfell.

Gefühle bei Vierbeinern

 

Unten: Ràrò (links) und Amigo sind normalerweise die besten Freunde -

aber wehe, eine Stute kommt in ihre Nähe.

Meist die besten FreundeUnd Ràrò wartet. Man muss sich das vorstellen: die restlichen 32.400 Quadratmeter der jetzt wunderbar grünenden und blühenden Kräuterwiese interessieren ihn überhaupt nicht mehr. Er rennt nervös auf und nieder, bis sie sich wieder am Zaun zeigt. Denn Nuria erwidert eindeutig seine Gefühle. Auch unsere Nachbarin sah das und war ganz gerührt.

Amigo, der große Braune und Chef von Ràrò, interessiert sich überhaupt nicht für Nuria, da sind Pferde ganz unverschämte Rassisten: klein und weiß, pfui, das käme ja für die Nachwuchs-Zucht überhaupt nicht in Frage, das ergäbe ja nach Mendelschen Erbfolgegesetzen zum Beispiel so einen Roten, wie es Ràrò ist, also einen echten Bastard! Aber irgendwie wurmt es Amigo doch, dass die Stute

a) keine Augen für ihn, den edlen Westfalen mit Adelspapieren hat und

b) dass Ràrò, sein Adjutant und Sancho Panza, ebenfalls nicht mehr brav hinter ihm hertrottet, kurz, er also vollends abgemeldet ist.

Und was muss ich beobachten: Seine Wut läßt er dadurch aus, dass er sich ebenfalls am Zaun posiert, mit seinem langen Hals sich darüber beugt und blitzschnell die Stute in den Hals beißt. Nun fangen so die heftigen Liebespiele unter Equiden an, nur, falls Sie nicht darüber aufgeklärt wären. Aber da seine Ohren dabei angelegt sind, heißt das: "Hau ab, Du untergräbst meine Führungsautorität!" Ràrò bekommt ebenfalls seine Bisse auf den Hintern ab, aber das stört ihn überhaupt nicht, das merkt er bei seinem Hormonüberschuss gar nicht. Genauso wenig wie die Tatsache, dass er eigentlich ein Wallach, also kastriert ist. Da geht es ihm ganz genauso wie den Katzen.

Es gibt ja nicht nur die eine

Aber es kam, wie es kommen musste: Die Nachbarn, die ja Pferde zwecks Weiterverkauf züchten, gaben Nuria gegen viel Geld in andere Hände. Das hätten Sie beobachten müssen! Als die Stute vom Zaun weg geholt und auf den klimatisierten Transporter verladen wurde, da wieherte Ràrò aus voller Brust hinter ihr her, lief aufgeregt mit sichtbarem Weißen in den Augen den Zaun auf und ab, machte Anstalten, darüber springen zu wollen, er das Kutschpferd, das etwas dickliche. Sie wieherte zurück, die Fahrt den Berg hinunter auf dem Pferdehänger bis zur Hauptstraße. Ràrò schmetterte ungelogen den ganzen Tag sein sogenanntes Ortungswiehern hinter ihr her, das nicht mehr beantwortet wurde, guckte immer wieder vom Gras hoch und fraß kaum, mir blutete das Herz! Diese grausamen Nachbarn. Nicht einmal ein Möhrchen, das ist für Ràrò das, was für mich die süchtig machenden Gummibärchen sind, wollte er als Trost von mir akzeptieren.

weiß und rotAm nächsten Morgen hielt er auch noch durch und wieherte suchend nach Nuria, ob sie sich vielleicht nur verlaufen hätte, aber am übernächsten gab er er auf, fraß wieder auf der Weide, als wär' nichts geschehen - und hatte anscheinend seine große Liebe abgeschrieben. Oder, was ich seit langen Jahren beobachte, ist perfekter Existenzialist und Fatalist, ergibt sich in sein Schicksal und nimmt das Leben halt so wie's kommt. Könnte man viel lernen von unseren Tieren. Warum denn vor Liebe weinen, es gibt ja nicht nur die eine...

 Es dauerte nämlich nicht lange, und die Nachbarn ersetzten Nuria durch eine junge Palomino-Stute mit Namen Kristina. Bildschön mit dieser Eierschalfarbe und heller Mähne, eine ganz seltene, wertvolle Pferdefarbe, die man schwer züchten kann, die sich nur ergeben kann, wenn Palomino auf Rotfuchs trifft - und Ràrò ist ein Rotfuchs. Sieht so aus, also ob er die Mendelsche Vererbungslehre instinktiv kennt.

AmigoDoch jetzt passierte folgendes: Nicht nur Ràrò machte ihr schöne große Augen, sondern nun auch unser edler, brauner Westfalen-Wallach Amigo, der die weiße Nuria ja nur mit Verachtung gestraft hatte. Aber eine Palomino würde er nicht von der Bettkante stoßen, bildlich gesprochen, das zeigte er deutlich beim Galopp mit hocherhobenem Haupt und fast senkrecht weggestreckten Schweif (siehe Foto rechts).

 

Und so wetteiferten und flirteten er und Ràrò über den Zaun hinweg, letzterer, wenn Amigo gerade nicht hinsah auf seiner langen Renommier-Galopp-Bahn. Aber alles vergebens: Diese arrogante Kristina ignorierte beide Verehrer, hob den Kopf gar nicht vom Gras hoch. Da konnten die beiden noch so herzergreifend abwechselnd wiehern. Weiber!!

 

Buchhinweis

 

Buchtitel

 

Wer mehr über Raro und Amigo wissen will, der findet lustige Anekdoten über sie in meinem Buch:

Gabriele Hefele: Wie der Herr, so's G'scherr. Die Streiche meiner Tiere.128 Seiten mit 14 Fotoseiten. 12,95 Euro. ISBN 9783839148167. Erhältlich über den Buchhandel, Amazon oder www.bod.de.

 

 

 

 

Bildnachweis: Carola Toischel, Reinhard Hefele

Arlequina, am 01.07.2012
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Bildquelle:
Marie-Luise Hofer (Warum Pferde sich nicht für menschliche Ohren interessieren)
Claudia Moncada (Der Reiter-Mode-Look im Alltag)

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