Wer möchte so ein Buch schon lesen?
Wer mehr als 20 Jahre seines Berufslebens in Hotels gearbeitet hat, kann etwas erzählen. Doch wer möchte diese skurrilen und amüsanten Geschichten lesen?Bücher von Insidern sind gefragt
Eröffnen sie dem Leser doch einen Bereich, der ihm für gewöhnlich verborgen bleibt. Hotels bilden da keine Ausnahme. Ob der Luxushotelier ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert oder die Angestellte die Schattenseiten ihres Berufes darstellt, nicht nur bei Bezahlung und Arbeitszeiten, die Leser greifen zu. Begierig wollen sie wissen, wie Prominente ihr Schamgefühl verlieren und sich benehmen. Die Rockbands haben ja schon in den 60-er jedes Hotelzimmer als Müllhalde verlassen und mieten sich heute als betagte Herren in den Nobelherbergen mit extra Zimmerservice ein.
Doch sind auch die Alltagserlebnisse interessant? Es sind viele kleine, amüsanten Anekdoten, die mir bei der Idee für dieses Buch einfallen, bei denen ich heute noch schmunzeln muss. Nicht die Promis, sondern die normalen Gäste sollen dieses Buch beleben.
So wie der ältere Herr, der bei der Abreise schon alle Koffer in das Taxi packte, einstieg und davon fuhr. Seine Gattin stieg 5 Minuten später aus dem Aufzug und stand mutterseelenallein im dichten Berliner Schneetreiben. Erst nach 30 Minuten kam das Taxi zurück und der beschämte Gatte murmelte etwas wie: " hab noch was vergessen", während seine Frau ihn keines Blickes würdigte
Wie sehr interessiert der Alltag in der medialen Welt?
Wie viel Prozent der Menschen zählen zu den Prominenten? Und wie viel Raum nehmen sie in der medialen Wahrnehmung ein?
Anders gefragt, hat ein Buch eine Chance, das von Hotelerlebnissen ohne Promis berichtet?
Aus der Erfahrung heraus weiß ich, die schönsten Erlebnisse bieten die Urlauber und Geschäftsreisenden. Sie stehen mitten im Leben, und dieses schreibt bekanntlich immer noch die besten Stories.
Ein Kollege rief mich nachts an und fragte mich, ob ein Gast XYZ bei mir wohne. Er habe gerade einen Taxifahrer an der Rezeption, der verzweifelt das Hotel seines alkoholisierten Fahrgastes suche. Nur wenige Minuten später stand der Droschkenkutscher auch vor mir, nur konnte ich ihm genau so wenig weiter helfen. Dem Mann stand die Ratlosigkeit ob seines den Rausch ausschlafenden Kunden förmlich im Gesicht geschrieben.
Anonymität lockt an
Nur für wenige Tage einchecken und sofort in cash bezahlen. Abtauchen vor anderen, nirgendwo ist es einfacher als im Hotel. Und das betrifft nicht nur Kriminelle, für die immer wieder in Hotels die Handschellen klicken.
Der Mann mittleren Alters bat darum, keine Auskünfte über ihn zu geben und keine Telefonate durchzustellen. Doch seine Frau spürte ihn doch auf. Mitten in der Lobby ließ die resolute Dame ihren Gefühlen freien Lauf und donnerte ihren treulosen Gatten zusammen. "Ich habe ihn noch immer gefunden, egal, wo er sich verkrochen hat", ließ sie anschließend meinen Kollegen und mich triumphierend wissen. Wie ein geprügelter Hund verließ der aufgespürte Gatte an der Seite seiner Frau das Hotel.
Es sind Geschichten wie diese, die im Gedächtnis bleiben. Sie beleben den Arbeitsalltag, der weit weniger spannend ist, als es vielleicht von Außen scheint. Geschichten, die heute amüsant erscheinen und von denen manche damals tiefe Sorgenfalten ins Gesicht gruben.
Und vielleicht interessieren sie ja gerade deshalb, weil sie nicht von den Promis handeln. Denn von denen dürfen Sie jeden Tag in unzähligen Illustrierten den neuesten Klatsch und Tratsch lesen.
Fotos: pixabay.com
Bildquelle:
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