Elstners Geniestreich

Entwickelt wurde das Konzept Anfang der 1980er Jahre vom gebürtigen Linzer (Anmerkung: Ein Landsmann! Ein Landsmann!) Frank Elstner. Nicht, dass das Sendungsformat revolutionär oder sonderlich originell gewesen wäre: Unterhaltungssendungen mit Musikeinlagen, prominenten Gästen oder Spielen waren bereits damals ein alter Hut. Neu hingegen war im Wesentlichen das Verknüpfen dieser Showelemente sowie das Einbinden der Prominenz in den Spielablauf mittels Wetteinsätzen.

Am 14. Februar 1981 lief die erste "Wetten, dass …?"-Sendung über die Mattscheiben und erwies sich als Quotenknüller, der für Erfinder Frank Elstner Segen und Fluch gleichzeitig werden sollte: Einerseits hatte er die erfolgreichste europäische TV-Show konzipiert, in deren Schatten er andererseits nie wieder an den überwältigenden Erfolg anknüpfen konnte (mit der Abendshow "Nase vorn" fiel Elstner, nun ja, auf die Nase). Bereits in der ersten Ausgabe überzog Elstner um eine Dreiviertelstunde – das Überziehen der regulären Laufzeit sollte fortan – mit einer Ausnahme – fixer Bestandteil bleiben.

Auch wenn die TV-Show aus heutiger Sicht altbacken wirken mag, erzielte sie ihren Erfolg doch aus den teils spektakulären Wetten, wie auch dem mitunter imposanten Star-Aufgebot, das sich aus nationalen wie internationalen Stars zusammensetzte. In Erinnerung blieb etwa aus der ersten Sendung jener Kandidat, der eine Wärmflasche mit seinem Atem zum Platz brachte. Durch Aufblasen, wohlgemerkt, nicht mit seinem Mundgeruch.

Den Schalk in Gottes Ohr

Sechs Jahre lang, von 1981 bis 1987 präsentierte Elstner "Wetten, dass …?" und verbuchte unglaubliche Einschaltquoten von über 20 Millionen Zuschauern. Nach seinem Ausstieg übernahm Thomas Gottschalk das Ruder und drückte der Sendung seinen Stempel auf: Dem trockenen, biederen Buchhalter-Charme Frank Elstners setzte er sein freches Plappermaul entgegen.

Gerade sein jugendlich-unbekümmerter Stil kam bei den Zuschauern an, sorgte aber auch für Kritik, ebenso wie seine Angewohnheit, insbesondere weibliche Gäste freundschaftlich zu tätscheln.

Gottschalk lässt einen missmutigen Götz George auflaufen

Einen sichtlich missmutigen Götz George, der eigentlich seinen Film "Solo für Klarinette" mit Co-Star Corinna Harfouch hätte bewerben sollen, bremste er 1998 auf elegante Weise aus.

Auch mit anderen schwierigen Situationen vermochte er souverän umzugehen, wie er bei der wohl berühmtesten Wette der gesamten Sendungsreihe bewies: Der Buntstift-Wette. Berühmtheit erlangte diese nicht auf Grund der Behauptung des Kandidaten, er könne die Farbe von Buntstiften alleine am Geschmack erkennen, sondern weil dieser im Anschluss an die Wette angab, er hätte geschwindelt. Wie sich herausstellte, handelte es sich beim Kandidaten um den unter Pseudonym auftretenden Chefredakteur des "Titanic"-Satiremagazins, der verlautbarte, er würde die Auflösung des Schwindels in der nächsten Heftausgabe veröffentlichen. 

Lecker: Die Buntstift-Wette

In der nächsten "Wetten, dass …?"-Sendung verriet Gottschalk den Schwindel: Der Kandidat hatte einfach unter der aufgesetzten Brille durchgelinst und konnte somit die Farben der Stifte sehen. Der "Titanic" verhalf der letztendlich eher schlichte Schwindel zu einer Rekordauflage.

Lippert - Sie erinnern sich nicht? Wer tut das schon ...

Im Gegensatz zu den Buntstiften blieb Kurzzeitmoderator Wolfgang Lippert völlig farblos. Der ehemals beliebteste DDR-Unterhaltungskünstler moderierte nur neun Ausgaben, die allesamt in den Medien verrissen wurden. Lipperts Engagement kann man wohl nur unter dem Aspekt der noch jungen Wiedervereinigung verstanden werden. Weder in Punkto Witz, noch Schlagfertigkeit oder Charme vermochte er die Erwartungen zu erfüllen. Ironischerweise wurde er wegen niedriger Quoten abgesetzt, obwohl diese zwei- bis dreimal so hoch waren wie jene der letzten "Wetten, dass …?"-Ausgaben.

Markus Lanz ... und Cindy aus Marzahn!

Nach dem kurzen Lippert-Intermezzo übernahm wieder Gottschalk, konnte das stetiges Absinken der Quoten jedoch auch nicht verhindern. Ebenso wenig half die Anbiederung an jüngere Generationen, indem die hauptsächlich für ihre Ehe mit Eros Ramazzotti bekannte Michelle Hunziker als Co-Moderatorin engagiert wurde. Als im Dezember 2010 ein Kandidat bei einer wagemutigen Wette schwer verletzt wurde, brach Gottschalk die Sendung ab und verkündete in der darauffolgenden Ausgabe seinen endgültigen Rücktritt.

Ihm folgte 2002 mit Markus Lanz ein Moderator wie eine Teflonpfanne: Nix bleibt hängen. Brav, aber uninspiriert schlafwandelte Lanz durch die unspektakulären Sendungen. Dass man ihm einige Folgen lang ausgerechnet die selbsternannte Komikerin Cindy aus Marzahn zur Seite stellte, muss man als bösartiges Komplott gegen ihn erachten. An der Quoten-Talfahrt änderte aber auch dieser Moderatorenwechsel nichts. Zuletzt sahen die Sendung nur noch rund 7 Millionen Zuschauer.

Wetten, dass die große Fernsehabendshow am Ende ist?

Wie konnte es zu dieser Talfahrt kommen? Vermutlich waren es mehrere Faktoren, die dazu führten. Hauptsächlich – dies ist Spekulation des Artikelautors, über die diskutiert werden darf und soll – war es wohl die Aufgabe des Erfolgskonzeptes. Anfangs waren die Wetten und mit ihnen die Kandidaten, also ganz gewöhnliche Leute, mit denen sich der Zuschauer meist identifizieren konnte, der Aufhänger der Sendung. Dass als Wettpaten mitunter echte Weltstars gewonnen werden konnten, war das Tüpfelchen auf dem i-Punkt.

Im Laufe der Jahre rückten die Wetten jedoch in den Hintergrund und die Showacts ins Zentrum der Sendung. Ärgerlich war, dass die Sendung von manchen Hollywoodstars bloß noch als kostenlose Promotion für ihren neuesten Film betrachtet wurde, erkennbar am raschen Verschwinden, nachdem das Produkt noch rasch beworben worden war. Interesse an der Sendung wurde in solchen Fällen nicht einmal mehr geheuchelt.

Das Verhängnisvolle an dieser Entwicklung: Hatte man sich jahrelang durch die unverwechselbaren Merkmale der Sendung – Thomas Gottschalk in Höchstform, die Wetten, Prominenz - die Privat-Konkurrenz vom Leibe halten können, führte jeder Re-Launch dazu, dass "Wetten, dass …?" an Format verlor. Um Cindy aus Marzahn nebst einem feschen, aber konturlosen Moderator beim Anmoderieren von C-Prominenz zuschauen zu können, hätte auch eine beliebige andere Abendshow gereicht. Wenn somit am 13. Dezember 2014 die letzte "Wetten, dass …?"-Ausgabe auf Sendung geht, kann man leider nur noch attestieren: Endlich!

Gewiss ist es schade, eine Sendung, mit der Millionen Zuschauer buchstäblich aufgewachsen sind, sang- und klanglos verschwinden zu sehen. Allerdings muss man der Realität ins Auge blicken: Die Zeit der großen Samstagabendshows ohne ernsthafte Konkurrenz ist vorbei. Das liegt zum einen an den vielen neuen Sendern, zum anderen aber natürlich auch am Medium Internet.

Der Telefonbuch-Reißwolf

Denn nicht nur die Zeit der Straßenfeger ist vorbei, auch die Zeit, als der Zuschauer vom Programm der wenigen TV-Sender abhängig war. Internet, DVD-Player, Netflix, Smartphones & Co. ermöglichen es, ein ganz individuelles Unterhaltungsprogramm zu gestalten. Wer früher einen "Tatort" versäumte, konnte bloß auf eine Wiederholung hoffen, um ihn doch noch sehen zu können. Heute läuft er vermutlich nicht nur in der Wiederholung, sondern kann auf diversen Streamingplattformen oder auf DVD je nach Lust und Laune angeschaut werden. Manche Wetten wie jene des Telefonbuchzerreißers werden uns fehlen.

Andere hingegen, wie jene aus 2009, als zwei Tierpfleger Tiere am Geruch des Kots erkennen wollten, vielleicht weniger. Und dennoch: Wahrscheinlich wird uns "Wetten, dass ...?" fehlen, sobald es nicht mehr auf dem Programm steht. Wir haben uns daran gewöhnt, über die Sendung mit ihren "unmöglichen Gästen", den "schlechten Moderatoren" oder den "langweiligen Wetten" herzuziehen. Gut möglich, dass die größte Lücke, die "Wetten, dass ...?" hinterlassen wird, im Fehlen eines generationsübergreifenden Schmähobjekts liegen könnte.

Werden Sie "Wetten, dass ...?" vermissen
Laden ...
Fehler!