Satire und Gewalt

Der Anschlag auf "Charlie Hebdo" war die brutalste Attacke auf Satiriker in den vergangenen Jahren. Doch sie war nicht die einzige. Der dänische Karikaturist Kurt Westergaard und sein schwedischer Kollege Lars Vilks leben bereits seit Jahren mit ständigem Polizeischutz. Ihr "Vergehen" bestand darin, den Propheten Mohammed zu karikieren. Vilks galten vermutlich auch die Schüsse vor wenigen Tagen in Kopenhagen.

Dieter Nuhr musste sich auch erst vor kurzem wegen seiner humoristischen Auseinandersetzung mit dem Islam zur Wehr setzen.

Trauriger Höhepunkt war die Absage des bedeutendsten norddeutschen Karnavalszuges in Braunschweig vor wenigen Tagen. Hier bestand eine konkrete Terrorgefährdung.

Stehen Satiriker und Karikaturisten also im Focus radikaler Islamisten? Nein, so einfach ist es nicht. Auch die deutsche Satirezeitung "Titanic" musste sich schon mehrfach juristisch wehren.

Satiriker leben wie Humoristen, Karikaturisten und Comedians auch mit Ablehnung. Das ist normal. Neu ist die brutale Gewalt, mit der diese Ablehnung artikuliert wird. Diese ungezüglte Aggressivität sprengt alle bisherigen Grenzen. Sie schafft einen gefährlichen Präzedenzfall.

 

Was darf Satire?

Satire ist die Keule des Humors. Sie spitzt bewusst zu und legt ihre Finger genussvoll in die Eiterbeulen der Gesellschaft. Es ist geradezu ihre Pflicht, provokativ auf Missstände in der Gesellschaft hinzuweisen. Daraus zieht sie ihre Daseinsberechtigung. Zahme Satire ist unmöglich. Nur eine radikale Zuspitzung und bewusste Grenzüberschreitung verschafft ihr in der heutigen medialen Reizüberflutung die notwendige Aufmerksamkeit.

Natürlich gelten auch für Satire Grenzen. Rassistische, sexistische und menschenverachtende Satire verliert ihren Sinn. Insofern ist Satire auch immer eine Gratwanderung zwischen Provokation und der Achtung der Würde von Menschen. Auch künstlerische Freiheit hat ihre Grenzen. Überschritten werden sie bei persönlichen Beleidigungen und Diffamierungen. Jedoch müssen, auch nach gängiger Rechtsprechung, Personen öffentlichen Interesses Satire, Spott und Humor in Bezug auf ihre Person aushalten.

Satire war immer eine Form der Auseinandersetzung mit politischen, sportlichen und gesellschaftlichen Themen. "Mit spitzer Feder" nehmen Satiriker Ereignisse aufs Korn, spitzen sie zu und regen so auch zum Nachdenken an. Die kurzen und prägnanten Texte von Robert Gernhardt sind dafür ein exemplarisches Beispiel.

"Satire darf alles, bloß eines nicht: die Schnauze halten", schrieb der Satiriker Wolfgang J. Reus einmal und trifft es damit sehr genau.

 

Satire und Religion

Dieses Spannungsfeld bestand schon immer. Bereits die mittelalterlichen Minnesänger verspotteten in ihren Liedern die Kirchenfürsten und deren pompöses Leben. In Zeitungen erschienen später Karikaturen und satirische Texte, die der Kirche ihre Prunksucht vor Augen führten. Oder wie war das mit dem Bischof Tebartz van Elst und seiner goldenen Badewanne?

Satire greift nie eine Religion an sich an. Sie zeigt nur die Pervertierung eines Glaubens auf. Verbrechen im Namen einer Kirche oder eines Gottes konterkarieren ja den Konsens aller fünf Weltreligionen. Die Achtung vor der Schöpfung ist allen großen Glaubensrichtungen gemeinsam.

Die christlichen Kreuzzüge oder die gewaltsame Missionierung afrikanischer Ureinwohner durch Priester widersprach dieser Achtung vor der Schöpfung.

Sind dann Steinigungen von Frauen wegen Ehebruch oder Selbstmordattentate heute mit dem Glauben zu rechtfertigen?

Weil Satire ihre Daseinberechtigung auch aus der provokativen Auseinandersetzung mit Unrecht und Gewalt bezieht, hat sie sogar die Pflicht, sich mit Verfehlungen der Kirche und dem Missbrauch des Glaubens für Gewalttaten zu beschäftigen.

Satire und Politik

Schon legendär ist die Ablehnung Dieter Hildebrandts durch Franz Josef Strauss. Der Bayer wollte den scharfzüngigen Satiriker und seinen "Scheibenwischer" sogar aus dem TV verbannen lassen.

Nun waren Politiker schon immer die Lieblingsopfer von Satirikern. Ob auf der Bühne, in der Presse oder als Karikaturen wurden sie mit ihren Zitaten genüsslich durch den Kakao gezogen. Souveräne Charaktere wie Gerhard Schröder kokettierten mit dieser Art der medialen Aufmerksamkeit, andere wie Strauss reagierten aggressiv.

Dabei hat die satirische Auseinandersetzung mit der Politik eine lange Tradition. John Heartfield warnte mit seinen Fotomontagen vor dem aufkommenden Faschismus. Der "Simplicissimus" setzte sich satirisch und hoch provokativ mit der Scheinheiligkeit der Weimarer Republik und ihrer Außenpolitik auseinander.

Heute führen TV-Formate wie "Die Anstalt" oder die "Heute Show" diese Tradition massenwirksam fort. Auch das Internet bietet Satirikern und Karikaturisten vielfältige Verbreitungsmöglichkeiten.

Politik und Satire werden sich immer in einem Spannungsfeld bewegen. Politker gaben schon immer ungewollt die Steilvorlagen.

Auch hier gilt: Wo Unrecht passiert, darf, ja muss Satire eingreifen und dieses mit provokanter und extrem dargesteller Zuspitzung deutlich machen. Politik und das Leben schreiben immer noch die besten Satiren.

Resümee

Satire muss auch weiterhin bissig und furchtlos den Finger in die schwärenden Eiterbeulen der Gesellschaft legen. Sie lebt von der Provokation und bewussten Überspitzung. Eine Selbstzensur, wie sie sich in den letzten Wochen andeutete, beraubt sie ihrer Wirkung.

Die Angriffe einer radikalen Minderheit gelten nicht nur der Satire. Sie treffen die gesamte Gesellschaft. Sie rütteln an deren Grundkonsens der Toleranz und Freiheit. Dem muss sich Satire weiterhin mit ihren ureigenen Mitteln der Provokation und radikaler Zuspitzung entgegen stellen.

Eine zahme Satire wird es nie geben. Die Gesellschaft, auch ihre radikalen Ränder, muss und wird eine spitze Satire auch weiter aushalten.

Denn die Themen für Satiriker liefert sie immer wieder selber.

 

Fotos: pixabay.com

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