Seien Sie eitel!

Was ansonsten verpönt ist, schadet hier ausnahmsweise nicht: eine gehörige Portion Eitelkeit. Verlieben Sie sich ruhig in Ihren Artikel, überzeugen Sie sich davon, wie gut er geworden ist, seien Sie stolz auf Ihr Werk und genießen Sie jedes Detail, indem Sie es immer wieder lesen. Das gibt Ihnen Gelegenheit, kleine Scharten ganz nebenbei noch zu reparieren. Ab und zu werden Ihnen noch nachträglich Verbesserungen einfallen. Haben Sie keine Scheu, Ihren Artikel so lange zu ändern, bis Sie hundertprozentig zufrieden damit sind.

Sie brauchen Abstand zu Ihrem Artikel

Lassen Sie zwischen den einzelnen Lesungen etwas Zeit verstreichen, das wirkt der Betriebsblindheit entgegen. Lesen Sie Ihren Artikel auf unterschiedliche Weise:

  • Wie ein unbefangener Leser mit durchschnittlicher Allgemeinbildung, aber ohne spezielles Fachwissen. Ist Ihr Artikel allgemein verständlich? Haben Sie Begriffe verwendet, die nicht jeder kennt? Falls ja: Lassen sie sich vielleicht durch verständlichere Ausdrücke ersetzen? Wenn Fachbegriffe wirklich nötig sind, erklären Sie diese! Ihre Leser werden Sie nicht wegen Ihres überragenden Expertenwissens bewundern, sondern dafür, dass Sie imstande sind, dieses Fachwissen in leicht verständlichen Worten auch Nichtfachleuten nahezubringen.
  • Wie ein Mensch vom Fach mit Hintergrundwissen. Stimmt alles, was Sie geschrieben haben? Haben Sie Quellen angegeben, die der Interessierte nachprüfen kann? Ist Ihr Artikel interessant, enthält er wenigstens eine kleine Menge an neuer Information? Oder wiederholen Sie nur Banalitäten, die sowieso jeder kennt?
  • Jetzt lesen Sie Ihren Artikel einmal ganz langsam Wort für Wort, ohne auf den Inhalt zu achten. Nehmen Sie jedes einzelne Wort bewusst wahr! Nur so entdecken Sie auch unauffällige Rechtschreibfehler, die man sonst leicht übersieht.
  • Überprüfen Sie die Struktur der Satzgefüge und die korrekte Zeichensetzung. Ein Komma an der richtigen Stelle ist keine Pedanterie, sondern erleichtert dem Leser das Verständnis Ihres Textes.
  • Eine verbreitete Fehlerquelle sind Textreste, die beim Umbau von Sätzen übrig geblieben sind. Die entdecken Sie nur, wenn Sie wirklich den aktuell vor Ihnen liegenden Text lesen und nicht die Wunschvorstellung, die nur in Ihrem Kopf existiert.

Satzmelodie und Sprechrhythmus

Manchmal hängt es nur von der Betonung ab, wie ein Satz zu verstehen ist. Lesen Sie Ihren Artikel laut, wenn Sie allein sind. Wenn Sie nicht allein sind und niemanden stören wollen, lesen Sie ihn "innerlich laut". Nur so finden Sie die natürliche Satzmelodie heraus. Dabei stellen Sie vielleicht fest, dass man Ihren Satz zwar – mit etwas Fantasie und Mühe – auch so verstehen kann, wie Sie ihn gemeint haben, dass eine andere, ungewollte Betonung der Wörter aber viel näher liegt. Wenn ein Satz unterschiedliche Bedeutungen haben kann – je nachdem, wie die einzelnen Wörter betont werden –, sollte die "richtige" Bedeutung immer die naheliegendste sein. Erwarten Sie von Ihrem Leser nicht, dass er um drei Ecken denkt. Er wird gar nicht auf diese Idee kommen – warum sollte er auch? – und Sie daher missverstehen. Machen Sie ihm das Verständnis Ihres Artikels so leicht wie möglich, indem Sie Ihre Sätze so bauen, dass man sie gar nicht missverstehen kann.

Vier Augen sehen mehr als zwei

Es kann hilfreich sein, Ihren Artikel von jemand anderem lesen zu lassen und um Verbesserungsvorschläge zu bitten. Aber übernehmen Sie Korrekturvorschläge zur Rechtschreibung und Grammatik nur, wenn Sie sicher sind, dass der andere sich auf diesen Gebieten auch wirklich auskennt.

Wer hat recht?

Sie brauchen eine letzte Instanz, nach der Sie sich im Zweifelsfall richten. Im deutschen Sprachraum gilt immer noch der Duden als Referenz. Journalisten greifen zusätzlich auf eine Wortliste der Presseagenturen zurück, in der Fälle geregelt sind, bei denen der Duden mehrere Möglichkeiten zulässt. Was Sie auf keinen Fall tun sollten: sich an den Verfassern anderer Artikel im Internet orientieren. Auf diese Weise breiten sich gewisse Fehler geradezu epidemisch aus.

Der Entspannungseffekt

Alles beherzigt? Zufrieden mit Ihrem Werk? Artikel abgegeben, weggeschickt, online gestellt? Na, prima! Aber ich wette, auch Sie haben schon einmal die folgende Erfahrung gemacht:

Zwei Minuten oder zwei Stunden, zwei Tage oder zwei Wochen, nachdem Sie Ihren Artikel auf die Öffentlichkeit losgelassen haben, fallen Ihnen plötzlich noch dringende Verbesserungen ein, vielleicht sogar Fehler, die Sie übersehen haben. Ich selbst habe es noch nie geschafft, dieses Phänomen zu vermeiden. Es lässt sich leider nicht einfach dadurch umgehen, dass man etwas nicht sofort, wenn es fertig ist, ins Netz stellt, sondern mindestens einen Tag lang damit wartet. Der Auslöser, der den Schalter im Gehirn umlegt, sodass dort wieder Platz für neue Ideen ist, scheint speziell das "Loslassen" zu sein, das Wissen darum, dass der Artikel jetzt fertig und draußen ist. Dadurch löst sich eine innere Spannung, die betriebsblind macht und blockierend wirkt. Ist man von dieser Spannung befreit, sieht man wieder klarer. Artikel im eigenen Blog oder auf Pagewizz bieten glücklicherweise die Möglichkeit, jederzeit Korrekturen vornehmen zu können. Nutzen Sie diese Möglichkeit! Ihre Leser werden es Ihnen danken.

P. S.:

Bestimmt vermisst hier jemand die Rechtschreibprogramme, den Duden-Korrektor und was es da sonst noch gibt. Ich habe sie nicht vergessen. Aber sie haben mit dem Problem, um das es in diesem Artikel geht, nicht viel zu tun. Sie brauchen sie auch nicht wirklich. Ich habe lange Zeit ganz ohne Korrekturprogramme gearbeitet. Inzwischen benutze auch ich sie, aber wenn ich es mal vergesse, macht das nichts. Meine Texte werden dadurch weder besser noch schlechter. Die automatische Rechtschreibprüfung kann Ihnen die Arbeit nicht abnehmen, sondern Sie nur ein wenig darin unterstützen. Denn ein Rechtschreibprogramm macht nur Vorschläge. Sie sind es, der entscheiden muss, welchen sie davon annehmen und welchen nicht. Außerdem kann ein Korrekturprogramm prinzipiell nicht alle Fehler finden, nämlich immer dann, wenn die korrekte Schreibweise von der Bedeutung des Ausdrucks abhängt.

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