Woher kommt der Begriff Zeitungsente?
Wenn sie in der Saure-Gurken-Zeit aus dem Sommerloch auftaucht, wird's skurril: Die Zeitungsente!Die Sternstunde der Zeitungsente
Vom Poeten James Whitcomb Riley stammt das Zitat: "Wenn ich einen Vogel sehe, der wie eine Ente geht und wie eine Ente schwimmt und wie eine Ente quakt, nenne ich diesen Vogel eine Ente" (im Original: "When I see a bird that walks like a duck and swims like a duck and quacks like a duck, I call that bird a duck”). Hätte sich so mancher Redakteur oder Journalist dieses berühmte Zitat zu Herzen genommen, wäre seiner Zeitung die eine oder andere Zeitungsente erspart geblieben, die andererseits zur Erheiterung der Leser beitrug.
Trotz ihres putzigen Aussehens ist die Zeitungsente heimtückisch und kann sich selbst in angesehene Zeitungen und Magazine einschleichen. Wer erinnerte sich nicht an den wohl berühmtesten Schwindel der deutschen Mediengeschichte, an die angeblichen Hitler-Tagebücher, die 1983 im Nachrichtenmagazin "Stern" abgedruckt werden sollten?
Die Weltsensation geriet aber rasch zur Blamage, nachdem ruchbar wurde, dass es sich um Fälschungen handelte. Dummerweise hatte man noch vor der gründlichen Untersuchung auf ihre Echtheit mit dem Abdruck begonnen. Obwohl die gesamte Chefredaktion mit ihrem Rücktritt reagierte, haftet dem "Stern" bis heute der Makel an, auf einen Riesenschwindel reingefallen zu sein. Diese Zeitungsente hätte sich das Magazin bestimmt gerne erspart!
Keine Zeitungsente: Herkunft unbekannt
Doch woher kommt eigentlich der Begriff "Zeitungsente"? Meist wird behauptet, er leite sich aus dem Kürzel "nt" entweder für das Lateinische "non testatum" ("nicht bewiesen") oder für das englische "not testified" ab. Früher habe man in Zeitungsredaktionen ungeprüfte Nachrichten mit "nt" versehen, und da "nt" wie "Ente" ausgesprochen wird, wurde daraus die Zeitungsente.
Allerdings kursieren weitere Versionen darüber, wie die Zeitungsente zu ihrem Namen kam. Leitet sich der Begriff vielleicht vom französischen Ausdruck "donner des canards" ab, was wörtlich "Enten geben" und im übertragenen Sinne "lügen" heißt? Oder sollten die Gebrüder Grimm Recht behalten, die Martin Luther als Urheber zu erkennen glaubten? Oder sind all diese Erklärungen selber bloß Zeitungsenten? Die Wahrheit werden wir wohl nie erfahren – im Gegensatz zu vielen aufgedeckten Schwindeleien der Vergangenheit.
Fledermausmensch vom Mond (Bild: http://de.wikipedia.org)
Batman lebt auf dem Mond!
Die erste ganz große Zeitungsente erblickte am 25. August 1835 die Druckerschwärze der "New York Sun", als die altehrwürdige Zeitung eine sensationelle Serie von Artikeln veröffentlichte, die von auf dem Mond entdeckten Lebewesen berichteten.
Demnach habe der berühmte britische Astronom John Herschel in seinem südafrikanischen Observatorium erstaunliche Entdeckungen gemacht, darunter jene von Lebensformen auf dem Mond. Möglich gemacht hätten dies die enormen Linsen des Teleskops. Alleine die größte habe sieben Tonnen gewogen, was Beobachter in die Lage versetze, selbst kleine Objekte auf dem Mond gestochen scharf zu erkennen.
Und zu beobachten gab es so Einiges auf dem der Erde ähnlichen Mond, wie ihn die Zeitungsente der "New York Sun" seinen Lesern verkaufte: Riesige Pyramiden aus Kristallen, Seen, Berge, Einhörner und blaue Ziegen. Am Spektakulärsten aber seien die "Fledermausmenschen", die sogar einen wissenschaftlichen Namen erhielten: Vespertilio homo. Diese hoch entwickelte Spezies würde ein unbeschwertes Leben führen, das darin bestehe, über die herrlichen Mondlandschaften zu fliegen, Früchte zu sammeln, zu baden und sich den Freuden des Mondlebens hinzugeben.
Einer Missionsvereinigung aus Springfield – möglicherweise unter Federführung von Ned Flanders und Reverend Lovejoy – schien der Gedanke an ein sorgenloses Leben offenbar unerträglich: Sie erwogen Möglichkeiten, wie sie die heidnischen Fledermausmenschen bekehren könnten.
Nach sechs Artikeln endete die Serie über die Fledermausmenschen auf dem Mond, als der Schwindel aufgedeckt worden war. Die erste ganz große Zeitungsente hatte ihr Köpfchen aus dem Wasser erhoben! John Herschel selbst erfuhr von der Geschichte erst lange nach der Veröffentlichung. Immerhin wurde später ein Mondkrater nach ihm benannt – von der Internationalen Astronomischen Union, nicht von den Fledermausmenschen.
Bemerkenswert an dem als Zeitungsente entlarvten Artikel ist allerdings die damals kühne Behauptung, Herschel habe Planeten in fremden Sonnensystemen entdeckt. Erst in den frühen 1990er Jahren wurden die ersten Beweise hierfür erbracht.
Das Hörspiel, das eine Massenpanik verursachte - eine Zeitungsente?
Während die Artikelserie rund um lunare Fledermausmenschen einen klassischen Schwindel darstellten, der die Zeitungsauflage erhöhen sollte, entstand so manche Zeitungsente durch ein pures Missverständnis. Als der angesehen italienische Astronom Giovanni Schiaparelli erstmals 1877 von "Canali" auf dem Mars berichtete, konnte er nicht ahnen, dass Journalisten das italienische Wort für Rillen mit "Channels", also Kanälen übersetzen würden. Mehr brauchte es nicht zur Sensation: Kanäle auf dem Mars, offenkundig von Marsmenschen angelegt! Jahrelange überschlugen sich die Spekulationen, welchem Zwecke die Kanäle dienen und wie ihre Erbauer aussehen mochten.
Die populärste Annahme, wonach der Mars ein sterbender Planet sei und die Marsianer mittels gigantischer Kanäle letzte verzweifelte Versuche unternahmen, die spärliche Vegetation am Leben zu erhalten, inspirierten später einen gewissen Herbert George Wells zu seinem Roman "Krieg der Welten" (The War of the Worlds), dem wohl einflussreichsten Science-Fiction-Werk aller Zeiten. Bemerkenswerterweise sollte eben jener Roman für eine weitere Zeitungsente sorgen.
Mit seinem auf der Grundlage von H. G. Wells‘ Roman basierenden Hörspiel "War of the Worlds" soll der junge Orson Welles 1938 Millionen Amerikaner in Angst und Schrecken versetzt haben. Dies jedenfalls berichteten Zeitungen am Tag nach der Ausstrahlung des mittlerweile berühmtesten Hörspiels der Radiogeschichte.
Freilich: Von einer durch Orson Welles verursachten Massenpanik konnte keine Rede sein, da die Sendung nur wenige Zuschauer erreichte, die sich sehr wohl bewusst waren, dass es sich um reine Fiktion handelte. Kurioserweise hält sich die Zeitungsente von der angeblichen Panik hartnäckig im öffentlichen Bewusstsein und wird immer noch als Paradebeispiel dafür zitiert, wie gewissenlose Medienmacher ihre Mitmenschen in Angst und Aufruhr versetzen können.
Sie wollen nicht zu jenen gehören, die dieser Zeitungsente aufliegen? Dann lesen Sie diesen Artikel, der die Wahrheit über das Hörspiel "Krieg der Welten" aufdeckt.
Apollo Saturn V | Apollo Mondlandefähre "Eagle" Nur EUR 99,99 | Revell Modellbausatz 04880 - Enterprise NCC-170... |
Wer fürchtet sich vorm Grubenhund?
Ein naher Verwandter der Zeitungsente ist der Grubenhund, ursprünglich in Österreich heimisch und heute leider kaum noch verbreitet. Hierbei narrten nicht Redakteure ihre Leser, vielmehr wurde der Spieß umgedreht, indem clevere Witzbolde seriös wirkende Leserbriefe schrieben, die von den Herausgebern nicht als wortreich verpackter Unsinn erkannt und abgedruckt wurden. Als "Erfinder" gilt der der Ingenieur Arthur Schütz, der unter einem Pseudonym 1911 seine vorgeblichen Erfahrungen mit Erdbeben zum Besten gab und unter anderem folgenden Satz verfasste:
"Völlig unerklärlich ist jedoch die Erscheinung, daß mein im Laboratorium schlafender Grubenhund schon eine halbe Stunde vor Beginn des Bebens auffallende Zeichen größter Unruhe gab."
Arglos veröffentlichte die "Neue Freie Presse" den Leserbrief, obwohl es sich beim Grubenhund (korrekte Schreibweise: Grubenhunt) um keine Hunderasse, sondern einen im Bergbau verwendeten Güterwagen handelt. Der Grubenhund war geboren und biss Redakteure dort, wo es sie am meisten schmerzt: In ihrer Integrität.
Eskimodichter Kobuks Schlittenhundedrama "Heia Musch Musch"
Oder sollte man dem Journalismus am Ende zu viel der Ehre gereichen? Selbst mit einem Quäntchen Rechercheaufwand oder dem gesunden Hausverstand wäre so manche Zeitungsente in ihrem Teich geblieben. Der österreichische Kabarettist und Schauspieler Helmut Qualtinger rächte sich 1951 dafür, von der heimischen Presse weitgehend verschmäht zu werden, indem er mehrere Zeitungen vom Österreichbesuch des weltberühmten Eskimodichters Kobuk in Kenntnis setzte.
Am 3. Juli 1951 entstieg am Wiener Hauptbahnhof der in Pelz gehüllte Kobuk und beantwortete die erste Frage der versammelten Reporter, wie ihm denn Wien gefalle, zu deren Erstaunen mit "Haaß is!" ("Heiß ist es"). Danach fiel erst der Pelz, unter dem sich Helmut Qualtinger persönlich verborgen hatte, und danach wohl der eine oder andere Journalist aus allen Wolken.
Dabei hätte den Reportern bereits vorab so Manches an dem Eskimodichter Kobuk grönländisch vorkommen sollen. Denn natürlich hatte es nie einen solchen gegeben und seine angebliche Biographie wimmelte nur so von Absurditäten. Trotzdem hatte die Presse lobende Worte für seine berühmtesten Werke "Brennende Arktis", Die Republik der Pinguine" und das Schlittenhundedrama "Heia Musch Musch" gefunden. Selbst angesichts von Kobuks Geburtsdatum am 29. Februar 1889 schöpfte niemand Verdacht, obwohl 1889 kein Schaltjahr war.
Trotzdem informierte noch am 7. Juli eine große Tageszeitung ihre Leser von Kobuks kühnen Plänen, seine Theaterstücke in Wien aufführen zu lassen und die Wiener Eisrevue für eine Tournee in seiner Heimat zu begeistern.
Eine Nummer größer machte es der berühmte Kabarettist Karl Farkas. Er gab sich im Fasching 1969 als milliardenschwerer Reeder Aristoteles Onassis aus, der mit seiner Frau Jackie (verkörpert von einer Schauspielerin) die zweitgrößte österreichische Stadt Graz besuchte. Am Bahnhof wurde das prominente Paar von tausenden Schaulustigen begafft und später im Rathaus der Stadt offiziell empfangen. In diesem Fall hatte allerdings in den Scherz eingeweihte Zeitung die Vorarbeit geleistet und bewusst eine Zeitungsente lanciert.
Qualtingers böseste Lieder | Der Herr Karl Nur EUR 9,99 | Das Qualtinger Hörbuch |
Fernsehsender spaltet Belgien
Die Zeit solcher harmloser Scherze scheint vorbei. Das Internet gräbt den einstigen Mediengiganten der Zeitungs-, Fernseh- und Radiowelt zunehmend das Wasser ab. Logische Konsequenz daraus: Selbst Zeitungsenten müssen um Sensationen heischen! Ein Paradebeispiel hierfür lieferte im Jahr 2009 das Drama rund um den damals sechsjährigen Falcon Heene, der versehentlich in einen Fesselballon geraten und seinen Eltern buchstäblich entschwebt war. Die Armee – und natürlich auch mehrere Fernsehsender - entsandten Helikopter und Millionen Amerikaner bangten um das Leben des kleinen Falcon.
Vergebens, denn wie sich herausstellen sollte, hatte sich der Junge die ganze Zeit über in der Garage versteckt und das angebliche Drama entpuppte sich als Schwindel. Nur eine kurze Enttäuschung für die nach Sensationen gierenden Medien: Der Tross zog einfach weiter und Tage später war der kleine Falcon schon wieder vergessen.
Interessanter wird es freilich, wenn Medien selbst für Sensationen sorgen. Ende 2006 berichtete ein belgischer Fernsehsender, das flämische Parlament habe die Unabhängigkeit Flanderns beschlossen. Bilder feiernder Flamen und Interviews mit Politikern, die zum angeblichen Zerfall des Landes Stellung bezogen, überzeugten viele Zuschauer von der Echtheit der Meldung. Die Sendung sorgte für Gesprächsstoff und Empörung. Dabei hatten die Produzenten lediglich eindrucksvoll demonstriert, wie sich mittels ausgesuchten Bildmaterials und geschickter Inszenierung Stimmung erzeugen lässt.
Zeitungsente wird zum Hoax
Ist die Zeitungsente durch den Siegeszug des Internet gefährdet? Wird sie eines Tages den Weg des Dodo gegangen sein? Obwohl es nicht gut für ihr Überleben in der dramatisch an Auflage und Einfluss verlierenden Presse aussieht, feiert sie im Internet fröhliche Urständ. Zwar nennt man sie dort – es muss heute ja Englisch sein, wie ein gewisser Donald Duck bereits vor Jahrzehnten so treffend bemerkte – einen "Hoax", doch das Etikett kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine Zeitungsente 2.0 handelt.
Zahlreiche Hoaxes hat das Internet gesehen und längst schon wieder vergessen. Nur wenige schaffen es, noch Jahre später für Schmunzeln zu sorgen. Einer dieser Klassiker datiert auf 2000 zurück und hört auf den putzigen Namen "Bonsai Kitten". Angeblich bot ein findiger Unternehmer den Kauf von Katzen an, die als Babys in Flaschen gesperrt werden, um im Laufe der Zeit die Form der Flaschen anzunehmen.
Der offensichtliche Hoax schürte einen Sturm der Empörung im Web, was sogar das FBI zu einer Untersuchung bewegte. Die Bundespolizei fand aber rasch heraus, dass die vermeintlichen Tierquäler in Wahrheit Studenten des MIT waren und die auf der Website zum Verkauf angebotenen Bonsai Kitten natürlich nicht in Flaschen abgefüllt ihr Dasein fristen mussten – geschickte Kameraperspektiven vermittelten den Eindruck, die Katzen würden sich in Gefäßen befinden. Der Besuch der Website bonsaikitten.com wird wärmstens empfohlen, auch wenn die abgefüllten Kätzchen leider nicht zum Verkauf stehen …
Und wie viele Spinnen verschlucken Sie jährlich?
Die besten Schwindeleien sind natürlich jene, die ernstgenommen werden und sich hartnäckig im kollektiven Bewusstsein verankern. Bestimmt haben Sie entweder davon gelesen oder gehört, dass wir im Schlaf durchschnittlich acht Spinnen pro Jahr verschlucken würden. Für Arachnophobiker eine an Grässlichkeit nur schwer zu überbietende Statistik!
Wenn sie denn stimmen würde, was glücklicherweise nicht der Fall ist. In einem 1993 für das Magazin "PC Professional" verfassten Artikel wunderte sich Lisa Holst darüber, wie schnell und bedenkenlos viele Menschen selbst den größten Unsinn glauben würden. Um ihre Aussage zu demonstrieren, verfasste sie besagte Statistik, die natürlich frei erfunden ist, und ließ sie aufs gerade erst in den Kinderschuhen steckende Internet los. Der Rest ist Geschichte. Eine erfundene zwar, aber eine gute, weil gleichermaßen erstaunlich, wie auch schauderhaft, und die gute Lisa Holst dürfte sich wohl darüber freuen, wie prächtig ihre Internet-Zeitungsente gedieh.
Falls es tatsächlich eine Autorin namens Lisa Holst war, deren Spinnenverschluck-Story das Web seit über 2 Jahrzehnten unsicher macht. Denn eben jener Artikel gilt als verschollen oder schlichtweg nicht existent. Möglicherweise sind der Artikel und dessen Autorin Lisa Holst gleichsam ein weiterer Hoax, was wiederum beweist, welches doppelbödige Spiel gefinkelte Schwindler oft treiben.
Filmriss - 19 Science-Fiction-Filme für die Tonne | Filmriss - 9 überarbeitete Drehbücher | Der Leichenbaum Nur EUR 9,99 |
Schwindeleien versüßen das Leben
Ob Zeitungsente, Grubenhund oder Hoax: Kleine Schwindeleien versüßen oftmals das Leben. Denn wer liebte keine phantastisch anmutende, lustige oder bizarre Geschichte, die angeblich wahr oder dem Freund des Bruders der besten Freundin passiert sein soll? Oder lauschte andächtig wissenschaftlich klingenden Erklärungen, die völliger Nonsense sind? Kein Wunder also, dass beispielsweise zahlreiche geschichtliche Mythen kursieren, die die meisten Menschen als historische Fakten erachten.
Bleiben SIe daher wachsam: Wenn etwas wie eine Zeitungsente oder ein Hoax aussieht, dann ist es wahrscheinlich auch ein Schwindel.