Burschikos und unverblümt erzählt Sina Trinkwalder ihre Geschichte

Bass erstaunt und überwältigt zeigte sich Sabine Klimmer am 7. November 2014 über den proppenvollen Saal im frisch sanierten Obernburger Pfarrheim bei der Autorenlesung mit Sina Trinkwalder. Es war eine gelungene Dreifachpremiere, über die sich die Vorsitzende des Fördervereins Lesezeichen der Obernburger Stadtbücherei freuen durfte: Die erste Veranstaltung nach dem Umbau des Pfarrheims, der Startschuss für die Reihe "Starke Frauen" und die besondere Art der Autorenlesung.

Mit der Auswahl der ersten Protagonistin als Vorbild für Herzensbildung, Authentizität und Durchsetzungsvermögen hatte der Verein mitten ins Schwarze getroffen. Sina Trinkwalder, die mit ihrer burschikosen und zuweilen unverblümten Art die Erfolgsgeschichte ihres Unternehmens Manomama schilderte, eroberte die Herzen der gut 150 vorwiegend weiblichen Zuhörer im Sturm. Sie setze den Fokus auf ihre Erzählkunst, nur wenige Passagen aus ihrem Buch "Wunder muss man selber machen" las sie vor. Gerade mit Ach und Krach das Abitur bestanden, nach einem Semester das Politikstudium hingeschmissen und nach vier Semestern das BWL-Studium an den Nagel gehängt ist Trinkwalder der Antitypus einer Karrierefrau mit Hochschulabschluss, Zertifikaten und Auslandsaufenthalten.

Sina Trinwalder erzählt und liest nur wenige Passagen aus ihrem Buch. (Bild: Ruth Weitz)

Geld allein macht kein erfülltes Leben

Die Unternehmerin ist eine "Macherin", die nicht in Statistiken herumgewühlt und Marktanalysen studiert hat, um ihr Unternehmen zu gründen, sondern sich von dem leiten ließ, was man Instinkt nennt. Freimütig gibt sie zu: "Ich wollte erfolgreich sein und Asche machen", deshalb habe sie ihr Studium "erfolgreich abgebrochen" und mit ihrem Mann eine Werbeagentur gegründet. "Asche gemacht" hatte sie in der Tat, doch im Laufe des wirtschaftlichen Erfolgs die Erkenntnis gewonnen, dass diese Art des Geldverdienens "sinnfrei" ist und mehr als genug Geld zu haben nicht das Non plus Ultra eines erfüllten Lebens darstellt.

Aus ihrem Buch zitierte sie die Schilderung zweier Begegnungen mit einem Obdachlosen in Wuppertal und später mit einem älteren Mann in Stuttgart, die sie selbst als Schlüsselerlebnisse bezeichnet. "Ich mache jetzt etwas, was Sinn macht und relevant für die Gesellschaft ist", fasste sie den Impuls für die Unternehmensgründung der Textilmanufaktur Manomama im Jahr 2010 zusammen. "Die Idee für meine Firma war geboren: Es war kein Produkt, sondern es war der Mensch", sagte sie.

Wertschöpfung statt Abschöpfung

Mittlerweile sind dort 154 Näherinnen beschäftigt, ihre "Ladies", die sonst nie eine Chance bekommen hätten, mit eigener Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Begriffe Nachhaltigkeit, Menschlichkeit, Wertschätzung und Vertrauen sind für die Unternehmerin ein Credo, das sie antreibt und beflügelt. Sie bezeichnet es als "Bildungswahn", wenn man Kinder nur nach einem guten Schulabschluss bewertet und nicht ihre Neigungen und Fähigkeiten wertschätzt, nennt das Streben nach Effizienz, Produktivität und Erfolg "Hochleistungsrosinenpicken", wo der Mensch letztlich ausgebrannt auf der Strecke bleibt.

Laut eigener Aussage begegnet Trinkwalder ihren "Ladies", wie sie ihre Mitarbeiterinnen liebevoll bezeichnet, auf Augenhöhe, vertraut auf ihre Fähigkeiten und ihre Solidarität. Den wirtschaftlichen Erfolg gibt sie weiter, Stundenlöhne unterhalb der 10-Euro-Grenze und befristete Arbeitsverträge gibt es bei Manomama nicht, wo nach dem ökosozialen Prinzip Textilien gefertigt werden. "Wert schöpfend und nicht abschöpfend" wie Trinkwalder sagte und mit warmem, lang anhaltendem Applaus bedacht wurde.

Das Buch von Sina Trinkwalder

Das Buch "Wunder muss man selber machen" hat Sina Trinkwalder ihren "Ladies" gewidmet, den rund 150 Näherinnen, die in ihrem Betrieb beschäftigt sind. Mit Leidenschaft und glaubwürdig erzählt sie auf 250 Seiten, wie die Idee entstand, ehemals Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zu geben und die Chance, mit eigener Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es sind überwiegend Frauen, aber auch einige Männer, die heute Bekleidung und Accessoires unter den Begriff "Nachhaltigkeit" produzieren. Mit Herzblut und Empathie schildert Sina Trinkwalder ihre Erfolgsgeschichte, die gleichzeitig auch die Geschichte ihrer "Ladies" ist, wie sie die Mitarbeiterinnen nennt. 

Das Buch ist mehr als ein autobiografisches Werk. Es ist ein Appell an Gesellschaft und Politik, das Streben nach "immer höher, immer weiter, immer größer" abzustreifen, bei dem die Menschen, die diesem Anspruch nicht gerecht werden, auf der Strecke bleiben. "Wunder muss man selber machen" ist spannend zu lesen und schärft den Blick für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Es macht auch den Menschen Mut, die sich mit dem "Hochleistungsrosinenpicken" nicht mehr abfinden und einen anderen Weg gehen wollen. Klar, nicht jeder ist so stark und selbstbewusst wie Sina Trinkwalder und hat auch nicht die Geldreserven als sicheres Polster, die ein mögliches Scheitern abfedern können. Das ist auch nicht unbedingt das Ziel dieser Lektüre, sondern eher der Inhalt des afrikanischen Sprichworts: "Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern".

Krimifreundin, am 10.11.2014
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Bildquelle:
joshua m. neff / Flickr (Joshua Abraham Norton - Kaiser der Vereinigten Staaten von Amerika)

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