Grit Richter, Home, 2015

Acryl and oil on canvas, 230 x 180 cm,

Courtesy Galerie Tanja Wagner, Berlin

 

Gewaltige Erdkolosse unter Glas

Einen ungewöhnlichen Anblick bietet Tropisme von Julian Carrière (Dittrich & Schlechtriem), der seine zugleich prähistorisch und futuristisch anmutenden Skulpturen in einem Aquarium ansiedelt. Teilweise sehen die Elemente aus wie verwachsene, pflanzenhafte Meeresgewächse, skurrile Kleinfische oder eigenartig verfremdete männliche Genitalien. Am anderen Ende der Halle stehen die Staubabstraktionen The Blind leading the Blind von Peter Buggenhout (Konrad Fischer Galerie). Gewaltige Erdkolosse aus Metall, Papier und Holz thronen in großzügigen Glasvitrinen wie Geröllbrocken oder staubüberzogene Meteoriten. Beruhigend hingegen wirken die Arbeiten von Grit Richter (Galerie Tanja Wagner), die bei ihrem stärksten Exponat Home innere Prozesse kenntlich macht. Trotz einer dezenten Farbgebung scheint das Kolorit magisch aufzuglühen. Der 1982 in Braunschweig geborene Yngve Holen (Galerie Neu) arbeitet in Extended Operations XWB mit Marmor und Wabenplatten. Grob hergestellte knochenartige Waren oder scheinbar für die Produktion bestimmte Restbestände liegen auf einem immobil gewordenen Fließband, besser: auf höhenverstellbaren Bühnenelementen. In Wahrheit sind das eingescannte Fleischkeulen - ein Ergebnis einer vielschichtigen Materialverarbeitung. Ein hochindustrielle, beinahe aseptische Atmosphäre steigt auf, zumal der Untergrund einen äußerst gepflegten Eindruck hinterlässt und diametral vom rauen Gebrauchsartikel absticht.

 

 

 

Yngve Holen, Extended Operations XWB, 2014

marble, honeycomb panel, carpet, emergency floor path system, stage element, Courtesy the artist and Galerie Neu, Berlin

 

Probierlust und Halb-Entdecktes

Über 100 Galerien sind es diesmal wieder in einer Messe, die im Grunde keine Messe sein will und hartnäckig auf ihren Eigencharakter besteht. Die Galerien bzw. Stände stehen offen nebeneinander und teilweise sind eingeschränkte Panoramablicke möglich. Jedes großangelegte Projekt möchte ja wachsen und besser werden, und diesmal ist es der abc tatsächlich gelungen, sich, was den künstlerischen Ausdruck anbelangt, zu steigern. Kein Wunder, denn verschiedene Galeristen leisten es sich immer wieder, ihrem Hang nach scheinbar ungebremster Probierlust nachzugeben und auch Halb-Entdecktes zu präsentieren. Für einige Anbieter allerdings dürfte sich der Ausflug nach Berlin in finanzieller Hinsicht kaum gelohnt haben. Völlig altbewährt sind Günter Förgs Bronzeköpfe (Contemporary Fine Arts), die an unauffälliger Stelle trotzdem auffallen. Nicht gerade etwas fürs Schlafzimmer ist Wilhelm Mundts Trashstone (Buchmann Galerie): Ein gewaltiger orangefarbener Abfallbrocken, der trotz seiner Unförmigkeit ein majestätisches Pathos verströmt. Marin Majic zeigt in seinem Öl-Acryl-Werk Blah 3000 einen ähnlichen Klumpen, der sich aus wabbeligen, gallertartigen Weichteilen zusammensetzt und hügelartig in die Höhe steigt. Nicht gestalterisch, sondern inhaltlich expressiv sind die schwarz-weiß Arbeiten von Carina Brandes (BQ): In einer Serie tanzt ein nackte Frau in völliger Zeitenthobenheit exaltiert vor einem fünfzackigen Stern, der durch seine Farblosigkeit keine politische Dimension erhält. Zu erwähnen sind noch Josh Reames (Brand New Gallery, Mailand), der in seinen verspielten, comicartigen Bildern Alltagsmotive verstreut, aber auch Tilman Hornig, Jan Voss und Michaela Melián.

Abc - Art Berlin Contemporary 2015

Station Berlin
Luckenwalder Strasse 4 - 6
10963 Berlin

17. - 20 September 2015

Yngve Holen, Extended Operations ...

Yngve Holen, Extended Operations XWB, 2014

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