Sogenanntes Filesharing ist seit einigen Jahren ein übliches Mittel für größtenteils Jugendliche, um an die neuesten Filme und Musikveröffentlichungen zu kommen. In diversen Online-Tauschbörsen bieten die Nutzer den Download von aktuellen CDs an, circa 7,5 Millionen Deutsche nutzen diese Plattformen regelmäßig und mindestens 600 Milliarden Titel werden jährlich heruntergeladen. Vor allem die Plattenfirmen werden dadurch geschädigt. Tag für Tag versenden sie zahlreiche Abmahnungen und fordern das Bezahlen von immensen Anwaltskosten sowie Schadenersatz. Doch leiden wirklich die Künstler unter den illegalen Downloads, oder geht es doch nur um einen lukrativen Nebenverdienst für die großen Plattenfirmen?

Geld

Fakt ist: Im Endeffekt geht es immer nur um Geld, Geld und nochmals Geld. Musiker haben erschreckenderweise häufig weder das Recht am eigenen Werk noch auf eigene Entscheidungen. Alles wird von den Plattenfirmen entschieden, egal ob es um Vermarktung, Verträge oder Veröffentlichungen geht.

Ein treffendes Zitat des Rechtsprofessors Lawrence Lessig aus dem Jahre 2008: "Sie [die Plattenfirmen] verteidigen die Vorstellung des 'schöpferischen Eigentums' und verwandeln Schöpfer in moderne Leibeigene. Sie betrachten die Vorstellung, dass Rechte im Gleichgewicht stehen sollten, als Beleidigung, obwohl jeder der Content-Riesen in diesem Krieg selbst einmal Nutznießer dieses Ideals war. Diese Heuchelei stinkt zum Himmel."

Raubkopierer sind nicht für Rückgang der Verkaufszahlen verantwortlich

Illegales Herunterladen und Anbieten von geschützten Inhalten sollte natürlich bestraft werden. Durch das Nutzen der zahlreichen Downloadplattformen im Internet, unter anderem das bekannte "Pirate Bay", wird das Urheberrecht der Plattenfirmen verletzt, diese erleiden dadurch enorme Verluste. Doch der sogenannte Abmahnwahn erreicht seit einigen Monaten Dimensionen, die die Frage aufwerfen, was der wahre Sinn hinter der Sache ist.

Neue Studien, unter anderem durchgeführt durch die renommierte Harvard University, zeigen, dass zwischen der Internetpiraterie und dem Rückgang der Umsätze und Verkaufszahlen kein direkter Zusammenhang besteht. Doch diese Tatsachen ignoriert die Musikindustrie, alleine die Tauschbörsen und Raubkopierer seien an den schlechten Verkaufszahlen Schuld.

Abmahnkanzleien und ihr Fachchinesisch

Die Abmahnungen erfolgen durch Rechtsanwaltskanzleien, die mittlerweile nur noch als "Abmahnkanzleien" bezeichnet werden und einen durchaus schlechten Ruf haben. Seitdem der Abmahnwahn diese enormen Dimensionen erreicht hat, schießen diese Kanzleien im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden. Ihre Tätigkeit besteht größtenteils darin, ein und dasselbe Musterschreiben mit wenigen individuellen Informationen zu erweitern und diese zu Hunderten abzuschicken. In diesen Schreiben werden die "Täter" mit deutschem Fachjurismus und Gesetzesschriften erschlagen. Ohne abgeschlossenes Jura-Studium wird in den meisten Fällen nur ein Bruchteil des Sachverhaltes verstanden.

Das sorgt dafür, dass selbst unschuldige Menschen aus Angst vor gerichtlichen Konsequenzen immense Summen überweisen. Betroffene halten oft zum ersten Mal einen Anwaltsbrief in den Händen, fühlen sich hilflos und überfordert. Selbst für ein einziges, angeblich heruntergeladenes Lied kann der Betrag im vierstelligem Bereich liegen. Es gibt kaum Menschen, die sich Songs runterladen und dies tun, um einem Musiker bewusst zu schaden – doch genau das ist der Vorwurf.. Der "Täter" ist jedes Mal der Besitzer des Internetanschlusses, mit dem Tauschbörsen genutzt wurden, das nennt sich Störerhaftung. Den Plattenfirmen ist es egal, um wen es sich dabei handelt: selbst der unwissende Großvater wird als schwerkrimineller Raubkopierer dargestellt, selbst wenn es der Enkelsohn war, der sich Musik heruntergeladen hat.


Nun stellt sich die Frage, was die Plattenfirmen damit bezwecken möchten. Natürlich ist es sinnvoll, Jugendliche zu mahnen und auf die Probleme, die durch Tauschbörsen entstehen, hinzuweisen. 

Geld

So geschieht es beispielsweise in Frankreich: Dort werden Warnhinweise ohne finanzielle Forderungen verschickt, solange der Nutzer nicht mehr als 3000 Songs heruntergeladen hat und die illegalen Tauschbörsen nicht weiter verwendet. Dadurch ging die Internetpiraterie in Frankreich bereits enorm zurück, die Jugendlichen verzichteten in bis zu 80 Prozent der Fälle auf die weitere Nutzung der Tauschbörsen.

Abgemahnte können sich wehren – modifizierte Unterlassungserklärung

Vor allem bei Zahlungsforderungen unter 3000 Euro werden die Plattenfirmen kaum einen Rechtsstreit vor Gericht entfachen, da sich das finanziell nicht lohnen würde. Langwierige Strafprozesse sind eine Seltenheit, es kommt so gut wie nie zu einer Verurteilung. Doch zur Kasse wird man trotzdem gebeten. Rodrigo González, Mitglied der deutschen Punkband "Die Ärzte", drückt das Ganze deutlich aus: "Die Musikindustrie will mit ihren Massenabmahnungen die Leute bestrafen, die sich überhaupt noch für Musik interessieren. Sie wollen den Schwarzen Peter dem Verbraucher zuschieben und nicht einsehen, dass sie es eigentlich zum größten Teil selbst verbockt haben."

Abgemahnte können sich jedoch mit Hilfe von sogenannten modifizierten Unterlassungserklärungen wehren. Wer eine Abmahnung wegen Verletzung des Urheberrechts erhält, findet in solcher auch eine vorgefertigte Unterlassungserklärung der Anwaltskanzlei. Diese ist in allen Fällen jedoch so formuliert, dass man quasi die Schuld gesteht und die immensen Kosten übernimmt. Im Internet findet man auf zahlreichen Seiten eine modifizierte Version der Unterlassungserklärung, oftmals ist es aber auch sinnvoll, einen Anwalt zu besuchen. Mittlerweile gibt es viele Anwälte, die auf dieses Gebiet spezialisiert sind. Man sollte jedoch immer vorher fragen, wie hoch die Kosten für den Anwalt werden: Es gab schon Fälle, bei denen das Bezahlen der Forderung im Endeffekt kostengünstiger gewesen wäre. Die Chancen stehen jedoch mittlerweile gut, aus dieser misslichen Lage wieder herauszukommen.

Legaler, kostenfreier Musikgenuss wird einem schwer gemacht

Wenn man bedenkt, dass neuere Erscheinungen oftmals fast 20 Euro und mehr kosten, können sich heutzutage viele Fans den regelmäßigen Kauf von CDs nicht mehr erlauben. Wer sich kostenlos Musik anhören möchte, konnte bis vor kurzem noch auf das Internetportal YouTube zurückgreifen, in dem zahlreiche Musikvideos veröffentlicht sind. Doch auch hier machen Plattenfirmen und die GEMA den Musikgenuss mittlerweile schwer oder unmöglich: Der Musikriese Sony beispielsweise, welcher in den letzten Monaten die meisten Videos seiner Künstler auf YouTube entfernte und das Hochladen verbietet. Sobald man auf ein Video klickt, erscheint lediglich der Hinweis: "Dieses Video enthält Content von …", der Clip an sich ist nicht mehr zugänglich. Der deutsche Songwriter "Sid der Liedermacher" widmete dieser Sache ein Protest-Lied, welches nicht nur unterhaltsam ist, sondern leider auch der Realität entspricht. Wer sich also legal neue Musik anhören möchte, muss erfinderisch sein.

Doch warum macht es einem die Musikindustrie so schwer, auf die Inhalte zurückzugreifen? Diese Frage kann und will einem niemand sinnvoll beantworten. Die Musikindustrie sagt, dass man sich aufgrund der finanziellen Verluste durch illegale Downloads zur Wehr setzen müsse, und nur dadurch die Preise in die Höhe gehen und Möglichkeiten gekürzt werden – es handele sich um einen "Teufelskreislauf". Auch die Möglichkeiten für unbekannte Bands, sich durch die heutigen Technologien im Internet einem Millionenpublikum zu präsentieren, werden oftmals durch die Engstirnigkeit der Plattenfirmen drastisch reduziert. Eines ist sicher: Es geht um Geld und Umsatzsteigerung. Wer sich eine CD vor dem Kauf anhören möchte, muss zwangsläufig auf das magere, größtenteils auch nicht kostenfreie Angebot der Plattenfirmen zurückgreifen.

Künstler sind kaum am Umsatz der CDs beteiligt

Trotz der angeblich existenzbedrohenden Verluste leben die Chefs der Plattenfirmen weiterhin in ihren Villen, fahren mit Autos der Luxusklasse zur Arbeit. Auch von Seiten der Künstler hört man selten Vorwürfe an Jugendliche, die sich aus Neugier und Geldmangel die Lieder aus dem Internet herunterladen. Im Gegenteil: Manche Künstler bieten den kostenlosen Download sogar an, aus Trotz gegenüber der geldgierigen Musikindustrie und aus Verständnis ihrer Fans gegenüber.

Einen Höhepunkt in der Geschichte lieferte im Jahre 2002 die bekannte Metal-Band "System of a Down", die ihrer CD den aussagekräftigen Titel "Steal This Album!" gab. Durchschnittlich ist ein Künstler mit nur 10 Prozent bis 15 Prozent am Umsatz der CDs beteiligt. Ein Großteil ihres Verdienstes entsteht durch Konzerte, Auftritte in Film und Fernsehen, DVDs, Merchandising und weitere außermusikalischen Aktivitäten. 

CDs

Der größte Anteil des Umsatzes einer CD wandert in die Taschen der Plattenfirmen. In Zahlen ausgedrückt, verdienen große Plattenfirmen an einer Veröffentlichung eines bekannten Künstlers einige Milliarden Euro, trotz Raubkopierer, die diese CD im Internet herunterladen und anbieten. Dessen sind sich viele Musiker bewusst. Es gab schon einige Fälle, in denen sie ihre eigenen Plattenfirmen boykottierten: Beispielsweise der Sänger George Michael, der sich jahrelang in einem Rechtsstreit mit seiner damaligen Plattenfirma Sony befand. Interessanterweise erwähnt die Musikindustrie nie, dass der Verkauf von Konzert-DVDs in den letzten Jahren trotz illegalen Downloads weltweit um ein Vielfaches gestiegen ist – wahrscheinlich, weil sie daran kaum beteiligt sind.

Musiker wehren sich gegen Plattenfirmen

Mittlerweile setzen sich einige Musiker mit einer eigenen Initiative zur Wehr. Der Verband "Featured Artists Coalation" (FAC) wurde 2008 in England gegründet. Namhafte Künstler, darunter Robbie Williams, Tom Jones und Radiohead, setzen sich für die Rechte der Musiker in der heutigen digitalisierten Gesellschaft ein. Sie wollen entgegenwirken, dass der Verdienst ihrer kreativen Arbeit größtenteils an die Plattenfirmen geht, und diese auch über fast alle Angelegenheiten entscheiden können – sogar das Recht am eigenen bürgerlichen Namen des Künstlers wird häufig übernommen.

Gitarre

Des Weiteren will der Verband erreichen, dass Musiker wieder selbst über ihre Veröffentlichungen entscheiden können und diese beispielsweise auch kostenlos im Internet publizieren dürfen, was innerhalb der meisten Plattenfirmen tabu ist. Im Gegensatz zu der Musikindustrie wollen sie auf den digitalen Zug aufspringen und die Vorteile nutzen. Zitat FAC: "Artists are constantly exploring new ways of connecting with their fans. The laws and regulations governing intellectual property, and its administration, will evolve with the digital age. We want the interests of artists to be at the forefront of this transformation."

Es gibt auch Fälle, in denen sich Musiker ohne eine Plattenfirma erfolgreich selbst vermarktet haben. Ein Beispiel ist der Sänger David Elias, der seine Folk-Songs auf einer Internetseite veröffentlichte. Fans konnten direkt bei ihm eine CD bestellen, bisher verkaufte er bereits über zwei Millionen Exemplare. Sein Bekanntheitsgrad wächst stetig – ohne dass Elias jemals einen Vertrag bei einer Plattenfirma unterschrieben hätte. Selbstvermarktung wird immer beliebter in der Musikszene, und das Internet bietet die Chance, damit auch große Erfolge zu erzielen.

Digitales Zeitalter – Musikindustrie widersetzt sich

Die Musik steht zwischen den Fronten – auf der einen Seite die profitorientierte Industrie, auf der anderen Seite die eingeengten Künstler und verärgerten Fans. Musik ist schon seit Jahrtausenden ein wundervolles Medium, welches für jeden und zu jeder Zeit zugänglich war. Seit Einführung des MP3-Formats verbreitet sich das geistige Eigentum der Künstler in kürzester Zeit durch das gesamte Internet, dadurch kann man vom heimischen PC Musik aus der ganzen Welt anhören, die sonst niemals für einen zugänglich wäre.

Durch den Kampf der Musikindustrie gegen diese Modernisierung, bei der auch durchaus originelle Alternativen wie beispielsweise Napster ignoriert werden, entstehen für jede Seite große Nachteile. Die Künstler können sich nicht frei entfalten, ihnen wird das Verbreiten der eigenen Werke im Internet vertraglich untersagt. Musikliebhabern wird es so schwer gemacht, sich neue Bands anzuhören, oder auf kostenfreie Inhalte zurückzugreifen. Erst seit dem großen Erfolg von Apple iTunes springen Plattenfirmen auf den Zug auf, und ermöglichen immerhin den legalen Download von Musik, da sie wohl bemerkt haben: Hey, damit lässt sich ja doch eine Menge Geld machen.

Zukunft ist ungewiss – keine optimale Lösung in Sicht

Es steht fest, dass auch weiterhin zahlreiche Menschen auf illegale Art und Weise Musikstücke in Tauschbörsen herunterladen und anbieten werden. Solange diese Tauschbörsen existieren, wird es auch Raubkopierer geben. Da der bloße Betrieb dieser Plattformen nicht rechtswidrig ist, ist es unwahrscheinlich, dass diese jemals aussterben werden. Die Plattenfirmen werden wohl auch weiterhin ihre Abmahnungen verschicken und einen lukrativen Nebenverdienst haben.

Bei den Künstlern lässt sich ein deutlicher Trend feststellen: Musiker setzen sich immer mehr für ihre Rechte am eigenen Werk ein, wechseln die Plattenfirmen und verbreiten ihre eigenen Inhalte kostenfrei im Internet. Dies ist der Musikindustrie ein Dorn im Auge, doch höchstwahrscheinlich wird es bald keine Möglichkeit mehr geben, sich gegen das digitale Zeitalter und gegen faire Urheberrechte zu wehren. Legale Downloadportale und Tauschbörsen könnten ein ideales und umsatzssteigerndes Zukunftsmodell für die Musikwirtschaft sein, sofern sich die Plattenfirmen darauf einlassen. Den Künstlern und Fans sind die Vorteile des schnellen Downloads schon bewusst.

 

Sicher ist, dass man sich gegen geldgierige Plattenfirmen wehren und die Künstler weiterhin unterstützen sollte. Eine Möglichkeit ist, die Künstler durch Konzertbesuche und Merchandising zu unterstützen. Extremer wäre es natürlich, komplett auf den Kauf von CDs zu verzichten – was mittlerweile schon einige Fans tun, und der Plattenindustrie somit den virtuellen Mittelfinger entgegenstrecken.

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