Was der jüdische Geschichtsschreiber Josephus mit unseren Abzählreimen zu tun hat

67 nach Christus wurden in Galiläa der jüdische Geschichtsschreiber Josephus und 40 Soldaten von den Gefolgsleuten des Kaiser Vespasian gefangen genommen. Um nicht in der Versklavung zu enden, wollten sich die Gefangenen lieber selber vorher töten. Josephus hingegen nicht, er wollte sich selber und einen Freund retten und schlug daher den römischen Brauch des "decimatio" als Tötungsritual vor, nach welchem alle 41 Männer im Kreis zu stehen hatten und immer reihum jeder zehnte "ausgezählt" wurde. Nun musste Josephus nur noch wissen, an welcher Position er und sein Freund stehen mussten, damit sie als einzige das Ritual überleben würden.

Eine andere Version der Geschichte ist als das Auszählen auf einem Schiff. Von den 15 Christen und den 15 Ungläubigen an Bord mussten im Zuge von Seenot die Hälfte der Personen über Bord geworfen werden, die andere Hälfte durfte bleiben. Auch in dieser Version geht es darum, herauszufinden, welche Positionen im Kreis sicher sind, wenn ringsum ausgezählt wird und der Kreis dabei immer kleiner wird.

Auch als Denkspiele waren derartige Konstrukte sehr beliebt. Heute kennen wir das Phänomen von Kinderreimen und Abzählversen.

Das Prinzip läuft genauso: Eine Gruppe von Personen (hier die Kinder) stellen sich im Kreis auf. Man legt fest, wie weit jeweils gezählt wird und fängt dann an einer Stelle mit dem Abzählen an. Das ausgezählte Kind scheidet aus dem Kreis aus und der Kreis schließt sich wieder - eben jetzt mit einer Person weniger. Bei deren Nachfolger - dem Nachbarn - fängt man wieder an zu zählen, bis die Schrittweite (math. für die Zahl, bis zu der gezählt wird, in obigen Beispielen wäre das die 10 bei Josephus und die 15 bei der Seefahrtsgeschichte) erreicht ist und das nächste Kind den Kreis verlässt. Auf diese Weise fährt man fort, bis am Schluss nur noch einer übrig bleibt. Der ist dann der Gewinner, Verlierer, darf das nächste Spiel bestimmen, bekommt den Keks oder was auch immer man als "Belohnung" für den Letzten vorher ausgemacht hat.

Gerade für die kleinen Kinder übersteigt die Komplexität das mathematische Verständnis und sie halten deshalb das Ergebnis für eine zufällige Auslosung. In den meisten Fällen geht es ja auch nur um den Spaß an der Sache und dass jemand (egal wer) für irgendetwas ausgesucht wird und der Abzähler (der Erwachsene außerhalb des Kreises) wird daher wohl meist nicht auf ein bestimmtes Ergebnis hin optimieren und berechnen. Aber er könnte es, wenn er wollte...

Abzählverse gibt es überall

Viele Abzählverse und Abzählreime sind nur in einigen Regionen bekannt, wiederum andere in abgewandelter Form anderswo auch und zudem existieren in jeder Region eine ganze Reihe von Abzählversen, die eben NUR dort bekannt sind.

Übergreifend sind aber auch Abzählverse bekannt, die überall verwendet werden. Hier 3 kleine Beispiele:

  • Eins zwei drei vier fünf sechs sieben,
    eine alte Frau kocht Rüben,
    eine alte Frau kocht Speck
    und du bist weg.
  • Eine kleine Dickmadam
    zog sich eine Hose an.
    Die Hose krachte, Dickmadam lachte,
    zog sie wieder aus und du bist raus.
  • Ene mene miste
    es rappelt in der Kiste
    ene mene mek
    und du bist weg.

 

Sonja, am 23.02.2018
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