Die Achtziger – eine polarisierende Dekade

Die achtziger Jahre hatten ihren ganz eigenen Charakter wie weitere Jahrzehnte zuvor. So wie es immer wieder zu Comebacks dieser Epochen kommt in Form von 50er-Jahre-Schlager-Auftritten oder von den Siebzigern inspirierten Modekollektionen waren auch die 80er beziehungsweise Eighties nie ganz tot. Im Gegenteil: Die Achtziger sorgen bis heute für Diskussionsbedarf. Das kann mit daran liegen, dass seitdem nie wieder ein Jahrzehnt folgte, das eine dermaßen spezifische Prägung besaß. Die Neunziger zeichneten sich sogar durch Verschlechterungen wie wirtschaftliche Probleme, vermehrten Sozialabbau, miese Zukunftsprognosen, eine wachsende Ellenbogenmentalität und weitere Spaßabstinenz aus. Das nach dem Jahrtausendwechsel folgende Jahrzehnt setzte die neue Richtung fort. Dazu kam, dass es nicht einmal einen eigenen Namen vorweisen kann. "Nuller Jahre" jedenfalls findet keine rechte Akzeptanz im Sprachgebrauch, klingt es doch latent lächerlich und der Gedankensprung zum Schnuller liegt einfach zu nahe. 

An die Achtziger können sich naturgemäß deutlich mehr Menschen als Zeitzeugen erinnern als an die vorherigen Jahrzehnte. Hinzu kommt, dass es sich über diese zehn Jahre so herrlich ablästern lässt wie kaum über eine andere Dekade. Verschrien als "Jahrzehnt des schlechten Geschmacks", verschwindet dieser Zeitraum keineswegs in der Versenkung. Verächtliche Spötteleien treffen auf glühende Fan-Bekundungen. Achtziger-Jahre-Partys in originaler oder nachgeschneiderter Bekleidung zu Achtziger-Jahre-Hits sind nach wie vor beliebt. Gerade die Musik von damals wird heute immer noch oft und gern im Radio gespielt oder in eigenen Fernseh-Formaten gebracht. Wer die Zeit damals bewusst miterlebt hat, wird dabei bemerken, dass die gespielten Musiktitel nur eine Auswahl aus einem reichhaltigen Repertoire darstellen. Der typische 80er-Jahre-Sound drückte sich auf vielfältige Weise aus. Vor allem zu Beginn des Jahrzehnts gab es eine Bandbreite von Musiktiteln, die teilweise sehr experimentell waren. Zu jener Zeit war es für innovative Musiker deutlich leichter, an einen Plattenvertrag zu kommen und sie besaßen dazu enorme Freiheiten.

Was damals Zuspruch fand, weil es mal etwas völlig Neues war, ist heute längst vergessen und dies nicht unbedingt zu Unrecht. Amateurhafter Charme ist irgendwann verbraucht und nervt stattdessen nur noch. Der Überraschungseffekt einer musikalischen Frechheit ist noch schneller verpufft. Dazwischen bleiben aber ein paar Titel im Gedächtnis haften, die es verdient hätten, hin und wieder auch heute noch präsentiert zu werden. Zugegeben, es befinden sich Stücke darunter, die aus heutiger Sicht noch skurriler wirken als damals. Sie tauchen auf wie Boten aus einer vergangenen Zeit. Trotzdem haben sie ihren ganz speziellen Reiz oder sogar Zauber. Ihre Originalität und eigenartige Faszination sollen hier ein paar Beispiele zeigen.

Erinnern - genießen - entspannen ... oder doch lieber schnell wieder vergessen?

 

Neue Deutsche Welle

 

"Sternenhimmel" – Hubert Kah (1982)

1982 betrat Hubert Kah mit "Rosemarie" die musikalische Bühne. Nach diesem ersten Erfolg folgte noch im selben Jahr "Sternenhimmel", womit der Schwabe zu einem Star der Achtziger wurde, ohne den kaum noch eine Radio- oder Fernseh-Musiksendung auskam.

 

"Fred vom Jupiter" – Die Doraus & Die Marinas (1981)

 

Was hier wie eine private Improvisation in selbstgebastelten Kulissen aussieht, stammt vom damals 17-jährigen Musiker Andreas Dorau und dem Kinderchor "Die Marinas", zusammen als "Die Doraus & Die Marinas" bekannt. Im Rückblick ist es kaum zu glauben, dass "Fred vom Jupiter" 1981 zu einem großen Erfolg wurde. Tatsächlich entstand das kuriose Machwerk im Rahmen einer Projektwoche an einer Hamburger Gesamtschule. Der erste Eindruck täuscht also nicht.

 

Protestlied

 

"Karl der Käfer" – Gänsehaut (1983) 

1983 gelangten "Die Grünen" in den Bundestag, eines der populären Gesprächsthemen war das Waldsterben und es bildeten sich immer mehr umweltbewegte Initiativen. Die Zeit war reif für ein Umwelt-Protestlied wie "Karl der Käfer", das es im Frühjahr auf Platz 23 in den deutschen Single-Charts schaffte. Jeder kannte das charmante Lied der Gruppe "Gänsehaut", die allerdings mit den beiden Nachfolgern "Schmetterlinge gibt's nicht mehr" und "Johanna das Huhn" den Erfolg nicht wiederholen konnten. Karl war eben nicht zu toppen und sollte nicht vollends in Vergessenheit geraten. Es macht nachdenklich, wenn einem beim Hören nach so langer Zeit bewusst wird, wie viel nostalgische Patina das Lied einerseits angesetzt hat, und mit welchen Problemen wir uns inzwischen andererseits befassen müssen.

 

Soul-Ballade

 

"Clouds Across the Moon” – Rah Band (1985)

Irgendwann in der Zukunft: Die auf der Erde zurückgebliebene Frau eines Astronauten lässt via Operator eine Gesprächsverbindung zu ihrem Mann herstellen, der gerade unterwegs zum Mars ist. Sie sagt ihm, wie sehr sie ihn vermisst, wobei eine andere Dame um ihren Mann herumscharwenzelt und ihn während des Gesprächs immer wieder ablenkt. Die Zurückgebliebene fragt nach dem Wetter, erzählt von den Kindern und dass sie nachts nicht alleine schlafen könne, sinniert aber auch, ob es dort oben wohl noch jemand anderen gibt? Die melancholische Melodie drückt die Ahnungen dieser Frau aus, die trotzdem nicht weinen möchte und weiter auf einen guten Ausgang hofft. Da schaltet sich unvermittelt der Operator ein: Im Asteroidengürtel gibt es massive Turbulenzen, sie sollte sich jetzt besser kurz fassen. Bald darauf bricht die Verbindung ab und lässt sich nicht erneut herstellen. Ein neuer Versuch ist erst wieder im nächsten Jahr möglich … 

Die RAH Band trat nicht öffentlich auf, sondern war ein reines Studio-Projekt. Ihr Name setzt sich aus den Initialen ihres Gründers Richard Anthony Hewson zusammen. 1977 mit dem Stück "The Crunch" bekannt geworden, gab es weitere Erfolge. "Clouds Across the Moon" nahm Richard Anthony Hewson gemeinsam mit seiner Ehefrau auf und erzielte 1985 damit große Erfolge nicht nur in Europa, sondern schaffte es sogar in Australien auf Platz 1. Alte Vinylplatten und selbst neu aufgelegte CDs sind heute oft nur noch zu Liebhaberpreisen zu haben. Einige Stücke der RAH Band sind zwar zahlreichen Hörern durchaus noch im Gedächtnis. Was vielen jedoch fehlt, ist der Bezug zu Titeln und Interpret. Hewson schreibt inzwischen für Fernsehen und Werbung. In Rundfunk- oder Fernsehprogrammen tauchen die einst so beliebten und immer noch hörenswerten Musikstücke der RAH Band kaum auf.

 

 

Jazz

 

"Puttin‘ on the Ritz" – Taco (1982/3) 

Bereits 1929 von Irving Berlin in den USA komponiert und veröffentlich, kam der einstige Hit 1983 zu neuen Ehren. "The Ritz" bezieht sich auf das bekannte Hotel Ritz, die Redewendung "Puttin‘ on the Ritz" bedeutet umgangssprachlich, besonders modisch gekleidet zu sein. Das Lied enthält diesen Ausspruch als empfohlenes Rezept gegen Traurigkeit. Zur ursprünglichen Entstehungszeit von "Puttin‘ on the Ritz" ließen es sich viele materiell arme Schwarze aus Harlem in New York City nicht nehmen, sich trotzdem ausnehmend gut gekleidet auf der Straße zu zeigen. Das im Original nur gut eineinhalb Minuten dauernde Stück wird mittels mehrfach wiederholter Elemente fast immer deutlich länger aufgeführt. Zahlreiche Coverversionen machten es zu einem Evergreen. An die Fassung aus den Achtziger Jahren werden sich hingegen nur wenige erinnern, lassen Radiostationen und Fernsehsender diesen Titel doch links liegen. 

Taco, mit vollem Namen Taco Ockerse, ist ein 1955 in Indonesien geborener niederländischer Popsänger. Aktuell lebt er in Deutschland, wo er mit seiner Band sowie als Galakünstler Auftritte hat. Vor wenigen Jahren feierte er mit seinem 80er-Jahre-Hit "Puttin‘ on the Ritz" Erfolge im russischen Fernsehen und im Moskauer Olympiastadion.

Ende der Vorstellung

Die Wiedergabequalität der Fundstücke aus dem Netz lässt gelegentlich zu wünschen übrig, was hoffentlich das Wiedersehen nicht allzu sehr trübt.

 

Wer auf weitere Titel mit ähnlichem Schicksal aufmerksam machen möchte, kann diese gerne in einem Kommentar ergänzen.

 

(beide Bildgrafiken von Pixabay)

Textdompteuse, am 16.07.2012
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Bildquelle:
Donnaya (Gothic, Mittelalter, Dark Metal - Musik außerhalb des Mainstreams)

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